[bits] Amazon befürchtet Boykott, den kann man ihm schenken

Hallo,

der kommende Freitag soll einen Kaufrausch entfachen. Das ist zumindest die Strategie von Amazon. Das Unternehmen veranstaltet einmal im Jahr eine Rabattschlacht unter dem Namen „Black Friday“ und feiert die Errungenschaften des Kapitalismus: Mehr Konsumieren!

Für heute und die kommenden Tage hat die Gewerkschaft ver.di an sieben Versandzentren von Amazon in Deutschland zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, um Druck für einen Tarifvertrag zu machen. Auch zur Strategie von Amazon gehört es, Arbeitnehmer:innen auszuspionieren, die sich gewerkschaftlich organisieren und für ihre Rechte eintreten wollen. Das wird dann gerade auch wieder geschehen.

Vice Motherboard hat interne Mails des „Global Security Operations Center“ geleakt bekommen, das ist die Überwachungseinheit des Handelskonzerns. Marie Bröckling hat für uns die Recherchen zusammengefasst: Amazon spioniert seinen Beschäftigten in Leipzig hinterher.

Dort finden sich auch Details zu früheren Streiks in Leipzig, wo das Unternehmen mit 46,37% genau wusste, wieviele Beschäftigte daran teilgenommen haben und dass keine Führungskräfte dabei gewesen sind.

Aber keine Panik, wie die Pressestelle von Amazon uns gegenüber bekräftigte. Es sei falsch „diese Aktivitäten zu skandalisieren oder zu behaupten sie wären ungewöhnlich“!

Das Statement sagt ja schon alles, wenn die Amazon-Pressestelle es für gewöhnlich hält, Arbeitnehmer:innen bei ihren Arbeitskämpfen zu überwachen. Ebenfalls Teil der Vice-Recherchen sind Belege, dass der Konzern sich genau anschaut, was Aktivist:innen in sozialen Medien treiben. Das ist jetzt nicht überraschend, Social-Media-Monitoring gehört zum Geschäft einer Pressestelle dazu. Aber etwas überraschend scheint Amazon trotzdem Befürchtungen zu haben, dass reichweitenstarke Organisationen und Bewegungen wie Greenpeace, Extinction Rebellion und Fridays for Future zu einem Boykott aufrufen könnten.

Dann machen wir Amazon doch mal einen Gefallen und tun genau das: Am Besten einfach mal mitstreiken und den Black Friday als Konsument:innen ausfallen lassen. Es gibt noch Alternativen zu Amazon, wir sollten dort besser kaufen, damit wir morgen auch noch Alternativen haben.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Daniel Laufer hat recherchiert, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Johannes Huber einen Telegram-Kanal des Verschwörungsideologen Attila Hildmann genutzt hat, um die dortige Followerschaft für seine politischen Aktionen zu mobilisieren: AfD-Bundestagsabgeordneter mobilisierte in verfassungsfeindlicher Telegram-Gruppe.

In der Telegram-Gruppe von Attila Hildmann rief der AfD-Politiker Johannes Huber seit Juni wiederholt dazu auf, politische Gegner:innen zu kontaktieren, um diesen „Druck“ zu machen. Sicherheitsbehörden bezeichnen das Umfeld, in dem er mobilisierte, als verfassungsfeindlich. Im Bundestag droht Huber zudem Ärger, weil er Gespräche mit Mitarbeitern anderer Abgeordneter filmen ließ.

Wir sind mal gespannt, ob wir auch die Unterlassungserklärungen erhalten, die uns heute auf verschiedenen Kanälen versprochen worden.

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Leonard Kamps schreibt über gute Entwicklungen aus dem EU-Parlament: Lang lebe die Hardware.

Wer ein kaputtes Gerät hat, soll es reparieren dürfen. Was selbstverständlich klingt, ist heute oft nur schwer möglich. Das Europaparlament macht sich für ein entsprechendes Recht auf Reparatur stark, jetzt muss noch die Kommission mitziehen.

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Serafin Dinges hat sich angechaut, an wen die israelische NSO Group Staatstrojaner vertreibt: Wie autoritäre Staaten Dissidenten im Ausland verfolgen.

Lange konnten regimekritische Aktivist:innen und Journalist:innen in demokratischen Ländern Zuflucht finden. Doch der Missbrauch von Spionagesoftware durch Staaten wie Saudi-Arabien ermöglicht eine Überwachung über die eigenen Staatsgrenzen hinweg.

Was sonst noch passierte:

Frankreich will mit der eigenen Digitalsteuer bei Techkonzernen abkassieren, obwohl die USA Strafzölle angedroht haben. Ich finde das konsequent und würde mich freuen, wenn die Bundesregierung hier etwas aktiver wäre. Aber die fürchtet um Strafzölle für unsere Autoindustrie.

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In der Bundesregierung gibt es Diskussionen um eine Erweiterung des Bedrohungs-Paragrafen (§241) im Strafgesetzbuch um sogenannte Feindeslisten. Die werden gerne in rechtsextremen Kreisen genutzt, um Andersdenkende aufzulisten, die man irgendwann an die Wand stellen könnte. Diese Feindeslisten sind tatsächlich eine Bedrohung für viele Menschen, die draufstehen, vor allem, weil Polizeibehörden in vielen Fällen bisher nicht besonders engagiert waren, etwas dagegen zu unternehmen. Ob diese Änderung zu mehr Motivation beim Schutz der Betroffenen sorgt, ist derzeit unklar: Diskussion um „Feindeslisten“.

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Der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong sitzt derzeit in Einzelhaft und soll für seinen Aktivismus verurteilt werden. Johannes Boie hat ihn für Welt.de interviewt: „China bedroht die Freiheit der Welt“.

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Ich wundere mich immer wieder, wie der Virologe Hendrik Streeck immer noch durch Talkshows und Interviews gereicht wird, obwohl viele seiner Prophezeiungen zum Verlauf der Coronakrise weniger stimmten als mein angelesenes Bauchgefühl. Das Portal Medwatch äussert jetzt aber Zweifel an seiner Gangelt-Studie und wagt die Prognose, dass Covid-19 deutlich tödlicher ist, als Streeck seinerzeit mit seinen Zahlen suggeriert hat: Die ungezählten Todesfälle aus Gangelt.

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Zeit-Online hat einen Aerosole-Rechner gebaut, wo man sich anhand verschiedener Parameter anschauen kann, wie schnell sich diese in Räumen verbreiten können: So schnell verbreitet sich das Coronavirus in Innenräumen. Leider kann man nur bis zu 16 Personen angeben. Ich gehe mal davon aus, dass gerade viele Eltern fluchen, weil die durchschnittliche Schulklasse in Deutschland leider aus mehr Personen besteht.

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Neues von Facebooks Bestrebungen, mehr gegen Holocaust-Leugnung zu unternehmen: Facebook Said It Would Ban Holocaust Deniers. Instead, Its Algorithm Provided a Network for Them.

Video des Tages: Die Saga der Schrift

Die dreiteilige Arte-Dokumentation „Vom Schreiben und Denken. Die Saga der Schrift“ gibt einen Einblick, wie sich Schriften entwickelt und verändert haben.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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