Hallo,
der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk experimentiert endlich mehr mit Creative-Commons – Lizenzen. Nach dem erfolgreichen ZDF-Experiment mit freien Inhalten aus der „Terra-X“-Redaktion packt jetzt die Tagesschau einige Erklär-Videos unter eine CC-Lizenz. Dabei hat man aber die restriktivste von allen Lizenzmöglichkeiten ausgewählt, die nicht kompatibel zur Wikipedia ist. Leonhard Dobusch hat die Entwicklungen eingeordnet und seine Kritik geht in die gleiche Richtung: Open Tagesschau: Zu restriktiv für große Reichweite. Dafür gibt es jetzt ein Erklärvideo der Tagesschau dazu.
Deutlich spannender finde ich die Verwendung von Creative-Commons-Lizenzen in dem aktuellen ZDF-Projekt „Meine Wende“ aus der Redaktion von „Das kleine Fernsehspiel“. Menschen werden eingeladen, ihre Geschichte zur Wende und deutschen Einheit zu erzählen. Die Tonspur wird dabei aufgenommen und die Redaktion sucht die besten eingereichten Beiträge raus und veröffentlicht sie in einem Podcast als Zeitzeugen-Geschichten.
Einige der aus Sicht der Fernsehspiel-Redaktion „berührendsten und stärksten Lebensgeschichten“ werden von unterschiedlichen Animationsfilm-Künstlerinnen und -Künstlern als animierte Doku-Serie für TV und Online aufbereitet.
Die Inhalte können weiterkopiert, kommerziell genutzt und auch bearbeitet werden, ohne Panik vor einer Urheberrechtsabmahnung zu bekommen. Die CC-Lizenz macht es möglich und ist in diesem Fall auch Wikipedia-kompatibel.
Das ist ein schönes Beispiel für die Verwendung offener Lizenzen in einem zeitgeschichtlichen Crowdsourcing-Projekte zum Anlass von 30 Jahren deutsche Einheit, die morgen gefeiert wird.
Beide Projekte zeigen, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten mal mehr, mal weniger in Richtung Netz-Zukunft öffnen. Hoffentlich bleibt es nicht nur bei den einzelnen Experimenten.
Neues auf netzpolitik.org
Die deutsche Regierung engagiert sich aktuell im Rahmen der Debatte um eine EU-Verordnung gegen Terrorpropaganda für kürzere Löschfristen, als es das hiesige Netzwerkdurchsetzungsgesetz tut. Das zeigen Dokumente, die Alexander Fanta gelesen hat: Deutschland drängt auf kurze Löschfristen.
Die geplante EU-Verordnung gegen Terrorpropaganda könnte die Bestimmungen des deutschen NetzDG deutlich verschärfen. Dafür setzt sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft ein. Ihr vertraulicher Textvorschlag, den wir veröffentlichen, möchte Behörden europaweit das Recht geben, vorgebliche „Terror-Inhalte“ löschen zu lassen.
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Matthias Monroy hat sich den Abschlussbericht über eine Rechte Anschlagserie in Berlin angeschaut: Polizei und ZITiS können Geräte von Verdächtigen nicht entschlüsseln.
Die Berliner Polizei scheitert daran, Handy und Laptop eines Neonazis zu knacken. Das geht aus dem Abschlussbericht der Ermittlungsgruppe zu Brandstiftungen und Sprühereien im Bezirk Neukölln hervor. Auch Bundesbehörden und Firmen haben sich an den Geräten die Zähne ausgebissen.
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Über eine neue Höchststrafe zur Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung hatte ich gestern kurz berichtet. Leonard Kamps hat dazu einen Artikel geschrieben: H&M kassiert 35 Millionen Euro Strafe.
Eine Rekordstrafe folgt dem BigBrotherAward auf dem Fuße: Der Modekonzern H&M knackt den aktuellen deutschen Bußgeld-Rekord, weil er die Privatsphäre seiner Angestellten verletzt hat.
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Das Netz-Medium RUMS möchte ein neues Angebot für Münster aufbauen. Mitgründer Christian Humborg beschreibt in einem Gastbeitrag bei uns über die Notwendigkeit und Strategie dahinter: Neuer lokaler Qualitätsjournalismus ausgerechnet in Münster?
Mit RUMS kommt in Münster ein ambitioniertes Lokaljournalismus-Projekt aus der Start-Phase. Mitgründer Christian Humborg gibt Einblicke in das publizistische Experiment aus dem Netz.
Kurze Pausenmusik:
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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Alexander Fanta unterstützt.
Was sonst noch passierte:
Die Beweisaufnahme im Auslieferungsverfahren von Julian Assange in die USA ist gestern abgeschlossen worden. Jetzt hat die Verteidigung vier Wochen Zeit für ein Statement und die Anklage zwei Wochen zur Erwiderung. Das Urteil wird am 04.01. im Londoner Gericht Old Bailey gesprochen. Das Schweizer Magazin Republik hat mit dem Informatikprofessor Christian Grothoff gesprochen, der als Zeuge beim Verfahren dabei war, um unabhängig zu klären, wer wann die ersten Veröffentlichungen gemacht hat, wofür die USA Julian Assange für immer im Gefängnis sehen wollen: «Julian Assange ist verantwortungsvoll mit den Daten umgegangen».
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Deutsche Unternehmen werben in Ungarn ungern in kritischen Medien. Das ist gut für die unternehmerischen Beziehungen zum Orban-Regime, aber schlecht für die Meinungsfreiheit und -vielfalt. Das Problem adressiert die Deutsche Welle: Deutsche Unternehmen in Ungarn: Geschäft oder Pressefreiheit?
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Die Süddeutsche Zeitung hat Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte zum aktuellen BND-Gesetz – Referentenentwurf interviewt: „Darf in der Demokratie keine unkontrollierten Behörden geben“. Ulf hält die dort enthaltenden Reformen für einen kleinen Fortschritt, der aber nicht weit genug geht. Große Kritik übt er daran, dass der BND zukünftig entscheiden darf, wer ein Journalist ist. Das sei ein „ein juristischer Taschenspielerstrick des Bundeskanzleramts, um gerade unkonventionell arbeitende oder ausländische Journalisten doch weitgehend nach Gusto überwachen zu können.“
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BuzzFeedNews hat Schulungsunterlagen von Palantir für die Polizei von Los Angeles veröffentlicht: Scars, Tattoos, And License Plates: This Is What Palantir And The LAPD Know About You. Das bringt etwas mehr Licht in die Produkte der verschlossenen Überwachungsfirma Palantir, die auch in Deutschland aktiv ist.
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Das Ärzteblatt berichtet über eine größere Studie zu Corona in Indien, die aufgrund der dortigen Lebens-Verhältnisse im Vergleich zu Industrie-Staaten nicht so einfach auf uns übertragbar ist. Aber die Erkenntnisse auf Basis der vielen Daten bringt neue Indizien, dass der Großteil der Infizierten eher kaum den Virus auf weitere Personen überträgt und Superspreader ein besondere Rolle einnehmen: Die meisten Infektionen erfolgen durch Superspreader.
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Das US-Musikmagazin „RollingStone“ hat eine aktualisierte Liste der „Best album of all the time“ veröffentlicht. Das neue an der 500 Alben umfassenden Liste ist, dass das traditionelle „weiße“ Gitarrenmagazin jetzt sehr viele Soul und Hip-Hop-Alben aufgenommen hat und die Liste gegenüber früheren Versionen im Zuge der Debatte um Black lives matter viel diverser geworden ist. Auf Platz 1 ist dann auch „Marvin Gaye“ gelandet. Man merkt aber an den fehlenden elektronischen Alben, dass es letztendlich eine US-zentrierte Liste bleibt.
Audio des Tages: The missing cryptoqueen
Während des Hypes um Kryptowährungen verschwand die Deutsch-Bulgarin Ruja Ignatova, die eine virtuelle Währung namens OneCoin als Schneeballsystem aufgebaut hatte. Die Geldwerte waren weg und übrig blieben rund 60.000 betroffene Deutsche Anleger:innen und Millionen andere weltweit. Die BBC hat den Fall in der hörenswerten Podcast-Serie „The Missing Cryptoqueen“ spannend aufbereitet.
In Folge der aktuellen #FinCen-Files hat Marcus Engert für Buzzfeed den Fall nochmal mit den neuen Erkenntnissen aufgerollt. Das gibt es hier zum Nachlesen: OneCoin konnte Milliarden stehlen, obwohl Banken die Behörden informiert hatten
Video des Tages: Parlament
Es gibt leider nur wenige Politik-Serien aus Europa. Den europäischen Standard setzte die dänische Serie Borgen vor einigen Jahren, die zeigte, dass auch bei uns West-Wing-ähnliche Qualitäten möglich sind. Aus Deutschland ist mir vor allem die ZDF-Serie „Eichwald, MdB“ im Kopf geblieben. In den zwei Staffeln versuchte man irgendwie, das Konzept von Stromberg auf den Bundestag zu übertragen, was aber nicht so wirklich klappte und nur manchmal lustig war.
In der ARD-Mediathek gibt es jetzt die Serie „Parlament“, die von WDR, ARD-One und verschiedenen europäischen Partnern produziert wurde. Und ich bin begeistert. Denn „Parlament“ schafft es anhand der Geschichte von einigen Büroleiter:innen und Referent:innen im EU-Abgeordneten einen Gesetzgebungsprozess zu vermitteln und gleichzeitig ist die Atmosphäre des EU-Parlaments mit seinen Sitzungen, Empfängen und Reisegruppen gut abgebildet. Dabei wird anschaulich gezeigt, wie die Abläufe im politischen Maschinenraum sind und welche Herausforderungen manchmal interkulturelle Kommunikation mit sich bringt. Das ist in der Vermittlung von Politik nicht nur gut gelungen, sondern auch noch sehr witzig gemacht. Und die Hauptfiguren spielen dabei sehr charmant ihre Rollen, so dass man bis zum Ende mitfiebert, ob der Bericht mit allen Änderungen durchkommt und wie sich die Beziehungen unter den Menschen entwickeln.
Einziger Nachteil auch hier: Die beiden EU-Abgeordneten erfüllen leider wieder das Klischee von unfähigen und unmotivierten Politiker:innen. Die gibt es auch im EU-Parlament, aber sie bilden eher eine Minderheit. Und möglicherweise ist die Erzählform etwas ungewöhnlich, weil es keine deutsch-synchronisierte Fassung gibt. Stattdessen sprechen die Schauspieler:innen jeweils in ihren Sprachen oder wechseln untereinander zwischen deutsch, französisch und englisch hin und her – eben wie man es im EU-Parlament macht. Dafür gibt es deutsche Untertitel.
„Parlament“ hat zehn Folgen zu je 25 Minuten und ist in der ARD-Mediathek zu finden. Ich hoffe, es kommt eine zweite Staffel, die dann die Trilog-Verhandlungen erklärt.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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