Hallo,
heute fühlte ich mich etwas wie bei Kafka. Seit zwei Wochen wird eine kommende freiwillige App vom Robert-Koch-Institut diskutiert, die zur Identifikation von Infektionsketten dienen soll. Die Bundesregierung hatte eine Corona-App für heute angekündigt. Mittlerweile scheint der gesellschaftliche Konsens auch zu sein, dass eine solche App freiwillig und quelloffen sein muss, sowie den Datenschutz von Anfang an mitgedacht haben sollte. Privacy by design eben, auch um notwendiges Vertrauen aufzubauen.
Heute präsentierte das Robert-Koch-Institut dann auch eine offizielle App. Die soll aber ganz was anderes machen, ist nicht quelloffen und eine eingekaufte Whitelabel-Lösung von einem deutschen Startup. Das nenne ich mal eine gelungene und vertrauensbildende Kommunikation von Seiten des Robert-Koch-Institutes und der Bundesregierung. Denn jetzt wird die öffentliche Debatte noch verwirrender, von welcher offiziellen Corona-App eigentlich gesprochen wird und das mit den Anforderungen können wir jetzt eigentlich auch vergessen.
Aber selbstverständlich bleiben die Anforderungen an eine solche freiwillige App die gleichen, weil es hier um sensible Gesundheitsdaten geht, um Vertrauen geworben wird und viele Menschen das auch nutzen sollen.
Einfach drauf schreiben „Vertraut uns“ reicht da nicht.
Auf Twitter fragte ich heute kurz nach Ankündigung das Robert-Koch-Institut, ob die App denn quelloffen sei, weil zu dem Zeitpunkt noch keine Informationen verfügbar waren. Einige Stunden später erklärte mir der Startup-Beauftragte der Bundesregierung, Thomas Jarzombek (CDU), dass es keinen Zwang für den Staat geben dürfe, bei Startups Software einzukaufen, die Open-Source sein müsste.
Warum eigentlich nicht, man kann schon Ansprüche an Ausschreibung und Vergabe stellen, immerhin geht es hier um Steuergelder?!
Ich hatte mich doch einfach nur nach dem CDU-Parteiprogramm gerichtet, wo uns im vergangenen Jahr folgendes versprochen wurde: „Deshalb gilt künftig für alle (öffentlichen) Digitalisierungsprojekte in Deutschland: Auftragsvergabe und Förderung sind an die Einhaltung der Prinzipien Open-Source und offene Standards gebunden. (…)Software soll allen Bürgern dienen.“
Schade, war wohl doch nicht so gemeint.
Was die heute vorgestellte Corona-App nun machen soll, hat Marie Bröckling aufgeschrieben: Robert Koch-Institut sammelt Gesundheitsdaten per Fitness-Tracker.
Wann die andere Corona-App kommen jetzt soll, über die die vergangenen zwei Wochen diskutiert wurde, ist unklar.
Was sonst noch passierte:
Nachdem der US-Fernseharzt Dr. Drew monatelang die Gefahr des neuartigen Coronavirus heruntergespielt hatte, stellte ein Twitter-Nutzer einen Super-Cut seiner fragwürdigen Äußerungen online. Der Tweet ging viral, sehr zum Missfallen des Quacksalbers: Er nutzte den guten alten Urheberrechtshebel, um das Video aus dem Netz zu bekommen. YouTube kam der Löschaufforderung umgehend nach, offensichtlich, ohne das Hirn einzuschalten: Nicht nur bestand das Video aus kurzen TV-Schnipseln, deren Verwendung in den USA durch die Fair-Use-Klausel gedeckt ist. Es leistete auch einen Beitrag dazu, den Verbreiter von Desinformationen zu desavouieren. Dumm nur, dass Dr. Drew allen Klagen androhte, die das Video weiterverbreiteten und er damit einen Schneeballeffekt auslöste. Inzwischen hat sich Drew für seine Fehlinterpretation der Wirklichkeit entschuldigt, und YouTube stellte das Video – zumindest kurzfristig – wieder her. Ein trauriges Lehrstück in puncto Desinformation, Missbrauch von Urheberrecht und monopolartig agierenden IT-Konzernen, die Löschersuchen im Zweifel nachkommen.
WhatsApp verklagt den Spyware-Hersteller NSO Group, da dieser eine Sicherheitslücke im beliebten Messenger ausgenutzt haben soll. Im derzeit laufenden Verfahren kamen nun neue Informationen ans Licht. Laut NSO-Chef Shalev Hulio hätten Facebook-Vertreter selbst sein Unternehmen im Oktober 2017 kontaktiert und seien an Überwachungsmöglichkeiten für Facebooks VPN-App Onavo interessiert gewesen. Facebook streitet die Kontaktaufnahme nicht ab, wirft NSO aber vor, vom Klagegegenstand ablenken zu wollen.
Audio des Tages: Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Der immer empfehlenswerte Generator Podcast von Bayern2-Radio hat eine Folge über „Wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenhängen“ gemacht. Das fasst die Debatte ganz gut zusammen und benennt verschiedene Herausforderungen. Eine Stunde gutes Bildungsprogramm.
Video des Tages: Nazis ohne Statistik
Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sendet regelmäßig Dokumentationen über erstarkende Rechtsextremisten und Rechtsradikale in Deutschland. Ich finde das gut und schaue die gerne, auch wenn man hinterher nicht die beste Stimmung hat. Aber gut, dass es Aufmerksamkeit für das Thema gibt. Gestern hab es in der ARD die Dokumentation „Umgang mit Rechtsextremen: Der schwache Staat“. Die hat thematisiert, dass Opfer von rechter Gewalt häufig nicht vor Gericht ernst genommen werden und die Taten häufig verharmlost werden. Eine Konsequenz davon ist, dass die Statistiken für rechte Gewalt nicht so hoch sind, wie sie real sein sollten und deshalb auch viele kein Problem sehen.
Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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