[bits] Corona-Call-Center

Hallo,

heute Mittag verkündete die Bundesregierung, dass die Corona-Warn-App bisher sechs Millionen mal heruntergeladen wurde. Außerdem gibt es neue Zahlen, für die Kosten. Bisher waren 20 Millionen Euro Entwicklungskosten und ca. 2,5-3,5 Millionen Euro für zwei parallele Call-Center (Wegen möglicher Ausfallsicherheit wegen Corona) bekannt. Neue Zahlen der Bundesregierung zeigen, dass für Wartung, Pflege und Betrieb der App und anderer Komponenten der Bund in diesem und im kommenden Jahr rund 45 Millionen Euro veranschlagt. Das kommt auf die Entwicklungskosten drauf. Für Werbung wurden bisher 3,5 Millionen Euro verplant. Mal schauen, ob sich das auch lohnt. Auch wenn das nach extrem viel Geld klingt: Das scheinen marktübliche Preise für so was zu sein. (Der Autor dieser Zeilen ist nach dem Schreiben direkt in die Privatwirtschaft gewechselt).

Wer glaubt, dass Call-Center für diese App nicht gebraucht werden, kann gerne bei netzpolitik.org das Telefon und die kontakt@-Mailadresse betreuen und Fragen beantworten (wofür wir leider nicht bezahlt werden, aber viele Menschen wenden sich damit an uns). Häufigste Verunsicherung hat mit der Standort-Freigabe auf bestimmten Android-Smartphones zu tun. Wir haben eine Antwort in unsere umfangreiche FAQ zum Thema gepackt.

Heute morgen war ich bei Phoenix im Studio und wurde zur Corona-Warn-App, dem Mobilfunkgipfel und Staatstrojanern für den Verfassungsschutz interviewt.

Neues auf netzpolitik.org:

Informationsfreiheit ist zwar eine schöne Sache, reicht aber noch nicht, um wirklich transparent zu sein. Das steht im Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten Ulrich Kelber. Stattdessen sollten Regierung und Behörden vielmehr verpflichtet werden, ihre Informationen auch selbstständig und nicht erst auf Nachfrage zu veröffentlichen, hat Arne Semsrott für uns aufgeschrieben: Ulrich Kelber fordert Transparenzgesetz

Im heute vorgestellten Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit fordert der Bundesbeauftragte Ulrich Kelber neue Gesetze und mehr Transparenz von der Bundesregierung. Dabei kommen ihm fehlende Befugnisse in die Quere.

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Wie Politiker:innen verhindern wollen, dass die Tracing-App einzelne Menschen diskriminiert, hat Ingo Dachwitz recherchiert: Grüne legen Gesetzentwurf für Corona-Warn-App vor

Die Grünen wollen mit einem Gesetz verhindern, dass Menschen zur Nutzung der Corona-Warn-App gedrängt werden. Außerdem sollen Arbeitnehmer:innen Lohnfortzahlungen bekommen, wenn sie via App über eine mögliche Infektion informiert werden. Doch Justizministerin Lambrecht ist skeptisch.

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Markus Reuter schreibt über eine erfolgreiche Klage gegen die Polizei in Baden-Württemberg: Heimliche Videoüberwachung von Tübinger Wohnprojekten war illegal

Die Tübinger Polizei überwachte im Juli 2016 ohne richterliche Anordnung aus den Wohnungen von Nachbarn die Hauseingänge zweier Wohnprojekte. Nur durch Zufall erfuhren die Betroffenen davon – und klagten.

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Die Medienlandschaft verändert sich ständig, gerade aber besonders stark. Corona-Krise beschleunigt Medienwandel, schreibt Julia Barthel, die sich für uns den neuen Digital News Report angeschaut hat.

Mediennutzung wird digitaler, mobiler und plattformbasierter. Bei den jungen Menschen wächst das Nachrichteninteresse stark und ein Viertel aller Befragten hören Podcasts. Das und viel mehr steht im jährlichen Bericht zum digitalen Medienkonsum des Reuters-Institut für Journalismusforschung.

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Die Bundesregierung will aktiv werden gegen Funklöcher. Tomas Rudl hat über Eine Milliarde Zuschuss für boomende Mobilfunkbranche geschrieben:

Staatlich subventionierte Mobilfunkmasten, verkürzte Genehmigungsverfahren und eine koordinierende Rolle des Bundes: Mit einem Bündel an Maßnahmen will die Bundesregierung endlich die vielen Funklöcher in Deutschland schließen. Das wäre auch anders gegangen.

Was sonst noch passierte:

Soziale Netzwerke dürfen „Hassorganisationen“ rauswerfen, hat das Oberlandesgericht Dresden entschieden. Facebook und Instagram hatten den Account des rechten Vereins „Ein Prozent e.V.“ gelöscht, weil es personelle und sachliche Beziehungen zur Identitären Bewegung gab. Zuvor attackierte die Gruppe auf ihrem Facebook-Kanal einen kritischen Journalisten. Das Eilverfahren ist somit zu Ende, der Verein könnte aber noch ein Hauptsacheverfahren anstrengen.

Die USA möchten einen in Berlin lebenden, aus Russland stammenden DJ ausgeliefert haben. Ihm wird vorgeworfen, hunderte Millionen Euro im Darknet gewaschen zu haben. Au der Geschichte könnte man wahrscheinlich eine Fernsehserie machen, da ist fast alles dabei: Der russische DJ und ein Millionenverdacht.

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Unschuldig im Gefängnis wegen scheiß Software? Kafka hätte daran seine Freude. Ein Opfer davon könnte der Syrer Amad A. geworden sein, der mit einem gesuchten Menschen aus Mali verwechselt wurde und der sich nach einigen Wochen unschuldig im Knast in seiner Zelle verbrannte. Vor einem Untersuchungsausschuss hat ein mittlerweile pensionierter Polizist einer Software die Schuld an der Verwechslung gegeben: Fall Amad A.: „Riesenprobleme“ mit NRW-Polizei-Software.

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Gemeinsam genutzte Administrator-Passwörter, nachlässige Kontrolle für Datenträger, unbegrenzter Zugriff auf historische Daten – laut einem internen Bericht ist das Alltag in der CIA. Der US-amerikanische Auslandsnachrichtendienst gilt als mächtigster und bestfinanzierter Nachrichtendienst weltweit – und trotzdem wurden ganze 34 Terabyte interne Daten im März 2017 auf WikiLeaks veröffentlicht. Hätten sie ihre Dokumente nicht auf WikiLeaks entdeckt, hätte die Behörde vermutlich nicht einmal gemerkt, dass Daten durch einen Mitarbeitenden gestohlen wurden, heißt es in dem Bericht der eigens eingerichteten WikiLeaks Task Force.

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Hunderttausende Datensätze von Nutzer:innen wurden durch eine Sicherheitslücke diverser Nischen-Datingapps zugänglich. Laut Sicherheitsforschern war ein schlecht Konfigurierter Account bei Amazon Web Services (AWS) das Problem: Bei allen betroffenen Apps war der gleiche Entwickler beteiligt, dessen Server nicht ausreichend gesichert war. Die Forscher konnten auf insgesamt 845 Gigabyte an Daten zugreigfen. Darunter User-Profile, private Konversationen, Fotos, Videos und Sprachnachrichten, was nach ihrer Einschätzung durch die richtigen Einstellungen leicht hätte vermieden werden können. Obwohl die Datingapps mit Angeboten für Gruppensex, Fetische oder sexuell übertragbare Krankheiten völlig legal sind, würden die Daten in den falschen Händen nach Einschätzung der Sicherheitsexperten die Nutzer:innen besonders anfällig machen für Mobbing oder Erpressung.

Video des Tages: Feindbild Polizei

Interessante ARTE-Dokumentation zu einem aktuellen Thema: Feindbild Polizei – Gewalt und Gegengewalt ohne Ende?

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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