[bits] Corona ist eine Lizenz zum Gelddrucken

Hallo,

die vergangenen Wochen haben Daniel Laufer und Markus Reuter den Spenden-Praktiken der Querdenken-Bewegung hinterher recherchiert und viele fragwürdige Praktiken gefunden.

Wir wollten mehr darüber wissen, wie denn mit den vielen Spenden, die gegen Corona-Maßnahmen gesammelt werden, umgegangen wird. „Follow the money“ eben. Und liefen immer wieder gegen Wände, wenn wir die Protagonisten mit unseren Recherchen konfrontierten.

Das scheint alles System zu haben und die untersuchten Fälle haben kein Interesse an Transparenz – auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Viele Unterstützer:innen scheint es auch nicht besonders zu interessieren, wofür das Geld verwendet wird. Diesen Eindruck können wir aus vielen Zuschriften und Kommentaren gewinnen. Es scheint, dass einige Protagonisten eine Lizenz zum Gelddrucken gefunden haben und den Kontrollverlust vieler Menschen in Folge der Corona-Krise ausnutzen.

Hier geht es zur Recherche: Die fragwürdigen Spenden-Tricks der Anti-Corona-Bewegung.

Bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen geht es um viel Geld. Doch Recherchen von netzpolitik.org zeigen, dass häufig nicht klar ist, wo Spenden wirklich landen. Prominente Akteure werben für eine Firma, die auf einem Konto im Ausland Millionenbeträge sammeln will. Vor allem ein Name taucht immer wieder auf.

Lustig sind jetzt die vielen „investigativen“ Querdenken-Menschen, die nun unsere Finanzierung untersuchen wollen und nicht verstehen, dass wir mit unseren Spenden sehr offen und nachvollziehbar umgehen. Uns ist Transparenz sehr wichtig: Wir veröffentlichen jeden Monat einen Transparenzbericht, in dem wir detailliert über unsere Einnahmen und Ausgaben aufklären.

Neues auf netzpolitik.org:

Die Netzneutralität wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. Konkret ging es um Zero-Rating Tarife eines ungarischen Providers. Das Urteil hat aber keine Auswirkungen auf den deutschen Markt. Hiesige Gerichte hatten bereits über den Zero-Rating-Tarif StreamOn der Telekom geurteilt und wahrscheinlich gehen diese Verfahren auch zum EuGH.

Alexander Fanta hat sich das heutige Urteil angeschaut: Provider dürfen Angebote nicht selektiv drosseln.

Der Europäische Gerichtshof hat erstmals zur Netzneutralität geurteilt. Er verbietet es Telekommunikations-Anbietern, Dienste wie Youtube zum vorgeblichen „Nulltarif“ anzubieten und andere zu drosseln.

Das Problem von Zero-Rating bleibt bestehen: Wenn einzelne „Partnerdienste“ von den Telekommunikationsunternehmen in bestimmten Tarifen vom Datenvolumen ausgenommen werden, werden alle anderen Dienste benachteiligt, die aus guten Gründen nicht zum Partner werden wollen. Hier müsste die Politik Änderungen vornehmen und dieses Schlupfloch schließen.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Der US-Chiphersteller Nvidia möchte den britischen Chipdesigner ARM übernehmen, der wiederum vor Jahren an den japanischen Konzern Softbank verkauft wurde. Damit würde die USA den Hardware-Markt für Chips noch mehr kontrollieren. Das Handelsblatt hat einen guten Überblick dazu: Nvidia wird zur neuen Macht in der Chipindustrie.

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Es gibt neue Argumente für einen Glasfaserausbau, der in Deutschland lange blockiert verschlafen wurde: Das Umweltbundesamt weist daraufhin, dass Video-Streaming am wenigsten CO² verbraucht, wenn die Daten über einen Glasfaser-Anschluss kommen: Art der Datenübertragung entscheidend für Klimabilanz. Bei UMTS sieht es 45x schlimmer aus. Etwas Hoffnung macht 5G, aber auch hier ist Glasfaser im Vorteil.

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Das Auswärtige Amt beobachtet den Assange-Prozess detaillierter als gedacht, zumindest wenn man sich die offiziellen Statements der Bundesregierung anschaut. FragdenStaat hat mit Unterstützung von Wikimedia Deutschland jetzt mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes Dokumente bekommen und veröffentlicht. Darin wird auch klar, „dass das Auswärtige Amt sehr genau über Menschenrechtsverletzungen im Fall Assange Bescheid weiß – und dazu schweigt.“

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Corona-Warn-Apps können als eine von vielen Maßnahmen dazu beitragen, das Infektionsgeschehen zu verringern und Menschenleben zu retten. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Studie der Oxford-University in Kooperation mit Google. Selbst wenn nur 15 Prozent der Bevölkerung eine Warn-App zur Nachvollziehbarkeit von möglichen Infektionsketten nutzen würden, könnte das 11,8 Prozent weniger Todesfälle und 15 Prozent weniger Infektionen bedeuten: Lebensretter oder nicht? In Deutschland dürften wir schon mehr Nutzer:innen haben, aber die Zahlen stagnieren.

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Facebook hat lange Desinformationskampagnen auf der eigenen Plattform ignoriert und geduldet. Das ist keine neue Erkenntnis, wird aber nochmal durch ein umfangreiches Memo eines Daten-Scientists bei Facebook belegt, dass Buzzfeednews erhalten hat: “I Have Blood on My Hands”: A Whistleblower Says Facebook Ignored Global Political Manipulation.

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Auch 40 Jahre nach dem rechtsextremen Oktoberfest-Attentat in München möchte die Bundesregierung nicht darüber informieren, ob es damals V-Leute im Umfeld des Täters gab. Der Spiegel berichtet darüber mit Verweis auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion: Bundesregierung schweigt zu V-Leuten.

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Tech-Podcasts werden in der Regel von Männern gemacht. Mit „She Likes Tech – der Podcast über Technologie“ geht der NDR neue Wege und lässt Frauen zu Wort kommen. Die beiden Tech-Journalistinnen Eva Köhler und Svea Eckert wollen jetzt jede Woche mit Frauen als Gäste aus über digitale Themen sprechen. In den ersten beiden Folgen geht es um „Chips im Kopf – können Computer Gedanken lesen?“ und „Der Instagram Hack„.

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Der Generator-Podcast von Bayern2 untersucht das Phänomen Cancel Culture und kommt zu anderen Schlüssen als es die öffentliche erregte Debatte vermuten lässt: Cancel Culture funktioniert – aber sie trifft die Falschen.

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Recherchen mit Sinn: Drei Zeit-Journalist:innen sind für eine Reportage in Berlin durch die Nacht gezogen und haben getestet, wie sich die Corona-Maßnahmen auf die Clubkultur praktisch auswirken: Alles für ein paar Stunden Exzess. Dazu passt auch ein Bericht der Berliner Zeitung über Türsteher in der Krise: Hier kommt keiner durch.

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Bei Arte gibt es ein Konzert von Rage against the machine von 2010 aus dem Londoner Finsbury Park zu sehen. RATM spielten damals ein kostenloses Konzert als Dankeschön dafür, dass die in der Weihnachtszeit mit Unterstützung ihrer Fans mit ihrem alten Song „Killing in the name of“ auf Platz 1 der britischen Charts gelandet sind, um ein Zeichen gegen „X-Faktor“ zu setzen (das ist sowas wie DSDS).

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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