[bits] Demoscene wird für Kulturerbe nominiert

Hallo,

Menschen, die in den 80er und 90er-Jahren mit Computerspielen sozialisiert wurden, kennen wahrscheinlich alle das eine oder andere Demo. Bei vielen Kopien gab es am Anfang ein kurzes visuelles Intro, das von der jeweiligen Warezgruppe vor ein Spiel gesetzt wurde und auch eine Art Gütesiegel war. Daraus hat sich die Demoscene in ein digitalkulturelles Genre weiterentwickelt, wo sich Menschen mit unterschiedlichen Skills zusammensetzten, um gemeinsam spacige Animationen zu machen. Und dabei Hard- und Software an ihre Grenzen zu führen.

Auch heute gibt es noch eine Demoscene, die auf Events in verschiedenen Hardware-Kategorien gegeneinander antritt, wie z.B. die, in 64KB eine Animation mit Visualisierung und Musik zu bauen. Klingt jetzt nicht so kompliziert, das sind aber nur 64.000 Zeichen Code! Die Ergebnisse sind teilweise atemberaubend. Der Elektrische Reporter hat vor einigen Jahren mal in zehn Minuten die Demoscene in Videoform portraitiert.

Diese visuelle Kunst hat mich früher sehr geprägt und ich freue mich, dass Nordrhein-Westfalen die Demoscene jetzt als immaterielles Kulturerbe anerkennt und sie für das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes nominiert hat.

„Die Demoscene vereint technisches und künstlerisches Knowhow zur Produktion von digitalen audiovisuellen Werken, sogenannten Demos, die auf ‚Demopartys‘ präsentiert, miteinander verglichen und beurteilt werden. Neben der technischen Exzellenz gehört ein stark international ausgerichtetes Gemeinschaftsgefühl zu den Identifikationsfaktoren der Szene“, heißt es.

Jetzt steht die Demoscene endlich in einer Reihe mit anderen traditionellen deutschen Kulturgütern wie dem Brieftaubenwesen und dem Buchbinderhandwerk. Vollkommen verdient!

Interview: Offene Videokonferenz-Infrastruktur in Ulm

Vorgestern hatte ich dazu aufgerufen, uns Beispiele zu schicken, wie auf Kommunaler oder Landesebene offene Videokonferenzsysteme im Bildungsbereich genutzt werden. Unser Ziel ist, einige Leuchttürme als Best-Practice-Beispiele vorzustellen und andere motivieren, von den Erfahrungen zu lernen und eigene Infrastrukturen aufzubauen.

Ein schönes Beispiel ist die Stadt Ulm, wo gerade auf Basis der Open-Source-Software BigBlueButton eine Videokonferenz-Infrastruktur für die lokalen Schulen entwickelt wird. Ich hab mich mit Stefan Kaufmann von der Geschäftsstelle „Digitale Agenda“ der Stadt Ulm am Telefon unterhalten und er hat mir Einblicke gegeben, wie sie das Projekt vor Ort umsetzen.

Das Gespräch gibt es morgen in Schriftform auf netzpolitik.org und heute hier schon exklusiv in Audio-Form:

Neues bei netzpolitik.org

Der Chaos Computer Club hat die Datenspende-Corona-App des Robert-Koch-Institut untersucht. Über diese hatten wir auf netzpolitik.org u.a. durch ein Interview mit dem zuständigen Projektleiter berichtet. Anna Biselli hat mit Martin Tschirsich, einem Co-Autor der CCC-Analyse darüber gesprochen: Die Datenspende-App braucht mehr Transparenz.

Jede Woche eine neue Corona-App?! Mit einer weiteren App sollen Gesundheitsämter dabei unterstützt werden, die Einhaltung der häuslichen Quarantäne zu kontrollieren. Das kündigte Jens Spahn diese Woche an. Dominic Lammar hat zusammengefasst, was sich die Bundesregierung davon verspricht und was Kritiker:innen dazu sagen: Gesundheitsministerium will Quarantäne digital überwachen.

Wissenswertes zur Coronakrise

Die grüne EU-Abgeordnete Alexandra Geese hat gestern ein zweites Webinar zum Thema Contact-Tracing-Apps gemacht. Diesmal hatte sie Carmela Troncoso vom DP-3T-Projekt, Katarzyna Szymielewicz von der polnischen Digital Rights NGO Panoptykon und den europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski eingeladen. Von der Debatte gibt es ein Video.

Eine dubiose Firma bot im Netz mit guter Suchmaschinenoptimierung überteuerte Tests für zuhause an und und warb dabei mit einem Playmate. Damit schaffte man es auch in die Bild-Zeitung, wo journalistische Sorgfaltspflicht gewöhnlicherweise nicht zum Geschäftsmodell gehört. Spiegel-Online berichtet jetzt von mehreren Hausdurchsuchungen bei den beteiligten Personen: Razzien wegen Corona-Selbsttests aus dem Internet.

Das Social Media Watchblog bietet einen regelmäßigen Newsletter mit „Briefing“ an und hat in der aktuellen Ausgabe einen Übebrlick über vershciedene Konzete der Corona-App-Debatte geschrieben: Streit um die ‚richtige‘ Anti-Corona-App. By the way: Das Social Media Watchblog wurde heute für den Grimme Online Award in der Kategorie Information nominiert. Herzlichen Glückwunsch!

Aus einer Antwort des Österreichischen Roten Kreuzes auf Fragen von digital-zivilgesellschaftlicher Organisationen geht hervor, dass die führende Tracing-App der Alpenrepublik („Stopp Corona“) auf den dezentralen DP3T-Ansatz setzt und diesen implementieren will, sobald er einsatzbereit ist.

Was sonst noch passierte:

Klassischer Fall von Krisengewinner sind derzeit Online-Versandapotheken. Kunden bestellen nicht nur Masken und Desinfektionsmittel, auch die Nachfrage nach Vitaminpräparaten sei hoch. Im März betrug der Umsatzanstieg im Vergleich zum Vorjahr wohl 88,2 Prozent. Ob die Vitamintabletten helfen? Das Zuhausebleiben tut’s bestimmt.

Normalerweise lässt Facebook sich ja nicht so gern was von Regierungen sagen. Im Fall Vietnam hat es aber gewirkt. Das Land nahm lokale Server der Plattform offline, die Geschwindigkeit der Seite war so stark reduziert. Nun habe Facebook sich den Zensurwünschen der Regierung gebeugt und die Drosselung sei beendet, berichtet Reuters und beruft sich dabei auf Quellen aus dem Unternehmen.

„Fridays for future“ ist gerade etwas aus der öffentlichen Debatte verschwunden, aber im New Yorker gibt es ein lesenswertes Portrait über Greta Thunberg: How Greta Thunberg Transformed Existential Dread Into a Movement.

Video des Tages: Die Silicon Valley-Revolution

In der ARTE-Mediathek gibt es die 90 Minuten lange Dokumentation „Die Silicon Valley-Revolution – Wie ein paar Freaks die Welt veränderten„. Darin wird mit vielen Zeitzeugen-Interviews die Geschichte der Gegen- und Nerdkultur in Kalifornien in den 60er und 70er Jahren erzählt, die unsere Digitalkultur und das Netz geprägt haben. Wer tiefer einsteigen will: Das gibt es auch alles in dem spannenden Buch „From Counterculture to Cyberculture“ von Fred Turner zu lesen.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freu mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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