Hallo,
das Bundeskartellamt hat SmartTVs auf Datenschutz und Datensicherheit getestet. Die Ergebnisse sind nicht erfreulich, bestätigen aber meine Erfahrungen.
Es ist leider kaum noch möglich, einen großen aktuellen und „dummen“ Fernseher zu kaufen, auf dem keine Software läuft. Auf der einen Seite wollen Verbraucher:innen Fernseher mit vielen Funktionalitäten haben, die möglichst einfach zu bedienen sind.
Aber dann möchte ich auch den Geräten in meinem Heim-Netzwerk Vertrauen können. Und das geht vor allem bei den SmartTVs leider recht selten, weil man nicht sicher sein kann, ob das verwendete Betriebssystem auch noch nach drei Jahren funktioniert bzw. Sicherheitslücken auch gefixt werden. Und dann sind die Datenschutzeinstellungen häufig so gut versteckt, dass man sie finden und alles so einstellen muss, damit das eigene Konsumverhalten nicht ständig nach Hause gefunkt und analysiert wird. Wenn man überhaupt richtig und umfassend informiert wird, was häufig nicht der Fall ist, worauf das Bundeskartellamt hinweist.
Ich bin gespannt, ob es zukünftig für mich und andere als Zielgruppe große Fernseher gibt, bei denen der Datenschutz von Anfang an eingebaut ist, die nicht mit Mikrofonen oder Kameras geliefert werden und im Idealfall einfach nur große „dumme“ Fernseher sind, die kein unsicheres Betriebssystem eingebaut haben. Ich hätte gerne einen Fernseher, bei dem ich sicher sein kann, dass er nicht gerade im Hintergrund an einer DDos-Attacke beteiligt ist, weil ein Bot ihn aufgrund einer Sicherheitslücke übernommen hat. Und ich das nicht einmal mitbekomme.
Julia Barthel hat die Untersuchung des Bundeskartellamts zusammengefasst: Spionierende Smart-TVs in jedem Wohnzimmer.
Neues auf netzpolitik.org:
Amtsträger:innen und Behörden nutzen zuweilen häufig die Möglichkeiten, andere Accounts zu blockieren. Was angesichts vieler Trolle und Hasskommentator:innen menschlich verständlich ist (in der Regel müssen Social-Media-Beauftragte das alles lesen und nicht die politisch Verantwortlichen) wirft zahlreiche rechtliche und ethische Fragen auf. Constanze Kurz hat sich mit der Juristin Jacqueline Neumann darüber unterhalten: Die Willkür muss ein Ende haben.
Das Sperrverhalten bei amtlichen Accounts ist oft schwer vorhersagbar: Manche richten sich nach einer selbst erfundenen Behörden-Netiquette, manche haben keine Kriterien für Sperrungen. Darunter leidet die Meinungsfreiheit. Jacqueline Neumann erklärt, was sie für die amtliche Nutzung von Kommunikationskanälen auf Facebook und Twitter fordert. Sie kann sich auch eine Antwortpflicht vorstellen.
Markus Reuter berichtet über neue Erkenntnisse, wie die Uiguren in China überwacht werden: Überwachungsapps gegen uigurische Minderheit entdeckt.
Die uigurische Bevölkerung in China wird seit Jahren überwacht und verfolgt. Sicherheitsforscher:innen habe eine ganze Familie von Überwachungstools entdeckt, die auf die muslimische Minderheit zugeschnitten ist und über alternative App-Stores verbreitet wird.
Ingo Dachwitz hat die Datenschützerin Kirsten Bock zum Thema Datenschutz-Folgeabschätzung im Rahmen der Corona-Warn-App-Debatte interviewt: „Risiken und Maßnahmen nicht ausreichend dargelegt“.
Vieles ist gut gelaufen bei der Entwicklung der Corona-Warn-App, doch aus Sicht des Datenschutzes gibt es noch Luft nach oben, findet Kirsten Bock. Im Interview kritisiert sie die Datenschutz-Folgenabschätzung der Anwendung und fordert eine gesetzliche Grundlage, um möglichen Missbrauch zu verhindern.
Constanze Kurz berichtet über Gesichtserkennung in einer spanischen Supermarkt-Kette:
In Spanien wird ein Gesichtserkennungssystem getestet, das in betroffenen Filialen alle Kunden der Mercadona-Supermarktkette erfasst und mit Personen abgleicht, die gerichtlich festgestellt ein Zutrittsverbot zu den Läden haben. Das israelische Unternehmen AnyVision liefert die Technik, die angeblich Diebstähle eindämmen soll. Kritiker halten solche anlasslose Überwachung für unverhältnismäßig.
Was sonst noch passierte:
Julia Reda fasst in ihrer Heise-Kolumne den nationalen Umsetzungsvorschlag des Justizministeriums für Artikel 17 der EU-Urheberrechtsreform zusammen. Sie sieht zumindest ein Bemühen auf Seiten des Justizministeriums, mit der Umsetzung Schadensbegrenzung zu versuchen: Artikel 17 im EU-Urheberrecht – Umsetzung nicht ohne Uploadfilter.
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Bei tagesschau.de gibt es ein Portrait über den scheidenden Verfassungsrichter Johannes Masing, der in den vergangenen Jahren als Berichterstatter alle Urteile zu Überwachungsmaßnahmen, Meinungsfreiheit und Datenschutz vorbereitet hat: Im Maschinenraum der Demokratie.
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Über 500.000 Devices wurden aus Deutschland dem Robert-Koch-Institut im Rahmen einer „Datenspende“ gemeldet. Die Devices, zu denen Fitnessarmbänder und Smartwatches gehören, melden seitdem Daten wie Herzfrequenz und Temperatur an das RKI und damit soll auch ein Corona-Frühwarnsystem unterstützt werden, um über steigende Körpertemperaturen auf lokale Ausbreitungen aufmerksam zu werden. Ob diese Wette eingelöst werden kann, ist bisher noch nicht bewiesen. Aber dafür kann man die Daten auch verwenden, um zu untersuchen, ob es regionale Unterschiede beim Ruhepuls in Deutschland gibt. Das ZDF hat jetzt exklusive Einblicke in die Daten bekommen und eine Scroll-Dokumentation gemacht: Warum im Osten die Herzen schneller schlagen.
Die Daten ergeben, dass Menschen in diversen südlichen Regionen einen besonders niedrigen Ruhepuls haben. Wahrscheinlich kommt das dadurch, dass dort überdurchschnittlich viele reiche Menschen wohnen, die einfach häufig ein stressfreieres Leben haben.
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Adrienne Fichter beschreibt in der republik, wie das DP3T-Forschernetzwerk die Entwicklung von Corona-Warn-Apps mit geprägt hat, indem sie eine dezentrale und datenschutzfreundliche Technnologie entwickelt haben, die jetzt auch als Basis für die deutsche App eingesetzt wird: Die pragmatischen Puristen.
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Zu den vielen Schattenseiten der Digitalisierung gehört leider auch, dass die vielen Infrastrukturen auch Strom bekommen müssen. Und auch, wenn der traditionell aus der Steckdose kommt, so muss er irgendwo erzeugt werden. Und das ist noch nicht so nachhaltig, wie es sein müsste. Vor allem Amazon nutzt immer noch billigen Kohlestrom, um seine Cloud-Infrastrukturen. Le Monde diplomatique beschreibt, wie sich die Digitalwirtschaft zu Unrecht nachhaltig und umweltfreundlich gibt: Saurer Regen aus der Cloud.
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Der Jurist und Menschenrechtsaktivist Ulf Buermeyer wurde für die SWR2-Sendung Tandem ausführlich interviewt: Immer aufmerksam bleiben. Ulf hat u.a. die Gesellschaft für Freiheitsrechte (mit-)gegründet und betreibt mit Philip Banse den erfolgreichen Politik-Podcast Lage der Nation. Manchmal schafft er es auch noch, Beiträge für netzpolitik.org zu schreiben.
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In Bautzen sammeln sich jeden Sonntag viele Nazis und verwandte Wutbürger, um mit (Reichs-)Fahnen an einer Bundesstraße zu stehen. Für den Tagesspiegel war Sebastian Leber vor Ort und beschreibt den Protest. Etwas irritierend ist, wenn der SPD-Oberbürgermeister darunter keine Rechtsradikale sehen will. Hier könnte Grundlagen in Fahnenlehre helfen und ich würde ja sofort ein passendes Buch nach Bautzen bestellen, aber mir scheint es nicht so, als ob der Oberbürgermeister das genauer wissen will: „Das wüsste ich doch, wenn hier Rechtsradikale wären“.
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Fliegen soll trotz Corona ungefährlich sein. Dass diese Aussage möglicherweise eher ein Spin der Luftfahrtindustrie ist, berichtet 3sat Nano und hat dafür mit Wissenschaftler:innen gesprochen, die das so nicht bestätigen können. Guten Flug!
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Das Interaktiv-Lab des Tagesspiegel hat zusammen mit FixmyCity für einen „Straßencheck“ 21.000 Menschen aus Berlin befragt, welchen baulichen Maßnahmen sinnvoll wären, damit sich mehr Radfahrer:innen auf der Straße sicher fühlen. Die Ergebnisse sind nicht unerwartet, aber die Realität auf unseren Straßen ist leider immer noch auf Autos zugeschnitten.
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Andreas Fischer-Lescano und Andreas Gutmann argumentieren im Verfassungsblog, warum auch Adbusting (also das kreative Verändern von Werbung, um darüber Protest zu kommunizieren) auch von der Meinungsfreiheit geschützt ist. Den Beitrag muss man in dem Kontext sehen, dass vor allem Sicherheitsbehörden bei Adbusting unverhältnismäßig überreagieren: Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt.
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Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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