[bits] Die Ethik der Immunitätsbescheinigung

Hallo,

der Ethikrat hat heute in Berlin eine lesenswerte Stellungnahme zur Diskussion um mögliche Immunitätsbescheinigungen vorgestellt. Die Diskussion geht schon so lange wie die um Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie. Was ist mit Personen, die eine Infektion überstanden haben oder einen Impfstoff bekommen?

Dürfen die sich dann auch im Rahmen von Ausgangsbeschränkungen freier bewegen? Wie ist das mit globalen Reisebeschränkungen mit Quarantäne-Regeln, kommt man mit einem solchen Ausweis daran vorbei? Was ist, wenn Menschen sich bewusst infizieren wollen, um berufliche Vorteile zu bekommen oder wieder reisen zu können? Gilt die Maskenpflicht auch für Menschen, die bereits infiziert waren und welche Außenwirkung hätte das für die Durchsetzung der Regeln, wenn das nicht so wäre?

Diese und viele andere Fragestellungen thematisiert der Ethikrat in seiner Stellungnahme und kommt zu dem Ergebnis, dass der Ethikrat nach aktuellem naturwissenschaftlich-medizinischen Sachverstand nach Auffassung aller Ratsmitglieder dagegen ist, die Einführung einer Immunitätsbescheinigung zu empfehlen.

Allerdings könne sich auch der naturwissenschaftlich-medizinische Sachverstand ändern und dann gibt es zwei Lager im Ethikrat. Eine Gruppe vertritt die Auffassung, dass „Entscheidungen auch unter Unsicherheitsbedingungen getroffen und Ausführungen und Unterlassungen von Handlungen nach risikoethischen Maßgaben beurteilt werden müssen.“

Für die andere Gruppe „führen praktische, ethische und rechtliche Gründe zu einer Ablehnung des Einsatzes von staatlich kontrollierten Immunitätsbescheinigungen selbst dann, wenn Unsicherheiten mit Blick auf den Sachstand in Zukunft nicht länger bestünden“.

Eine spannende Debatte und ein sehr lesenswerter Text dazu.

Neues auf netzpolitik.org

Tomas Rudl hat sich einen neuen Report angeschaut: Amnesty International fordert scharfe Kontrolle von Überwachungstechnologien.

Europäische Unternehmen profitieren vom Überwachungsstaat in China. Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigt, warum die EU den Export von Überwachungstechnik stark reglementieren muss.

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Chris Köver berichtet über automatisierte Diskriminierung: Twitter prüft Rassismus in der Bildervorschau.

Die automatische Bilder-Vorschau von Twitter scheint die Gesichter weißer Menschen zu bevorzugen und Schwarze Menschen systematisch auszublenden. Das Unternehmen beteuert, die Technologie sei auf solche Verzerrungen getestet worden und will das Modell nun erneut überprüfen.

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Über unsere Einnahmen und Ausgaben im Juli berichtet Stefanie Talaska in unserem aktuellen Transparenzbericht. Dazu gibt es noch weitere Einblicke in frühere Klausurtagungen und das aktuelle Redaktionsleben in dieser Pandemie: Unsere Einnahmen und Ausgaben im Juli und keine Nacht am See.

Unbeachsichtigt ist dieser Transparenzbericht zu einer Art Pandemie-Tagebuch geworden. Jeder Monat zeigt eine neue Facette des digitalen Arbeitens. Die Menschen, die netzpolitik.org ermöglichen (können), werden sogar mehr. Eine große Spende ist dabei eine Überraschung von tausenden.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Planet-Interview hat mit David Schraven, dem Gründer von Correctiv.org gesprochen. Correctiv macht seit einiger Zeit Fact-Checking für zahlreiche Meldungen in sozialen Medien. Das Gespräch geht viel um Fact-Checking in Zeiten von Verschwörungsideologien, aber auch um Fehlerkultur in Medien, faire Berichterstattung für Rechtsextreme und die Bild-Zeitung: Wenn man nichts unternimmt, verfestigt sich dieser Unfug.

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Der britische Chip-Hersteller ARM soll von seinem japanischen Mutterkonzern an das US-Unternehmen NVidia verkauft werden. T-Online hat mit dem ARM-Mitgründer Hermann Hauser gesprochen: „Trump bedroht die technologische Souveränität Europas“. Er warnt vor dem Verkauf und appelliert an die EU, dem Deal nicht zuzustimmen und die Corona-Krise als Chance zu nutzen, um einen Fonds für strategische Investitionen zu schaffen. „Die EU würde schließlich auch niemals zulassen, dass sie in der Wasser- oder Stromversorgung von den USA abhängig wird“. Bei Unternehmen wie ARM ist es dasselbe. Sie sind kritische Infrastruktur.“

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Die Zeit fasst den Streit zwischen Apple und Epic Games (u.a. Fortnite) über die Macht, Kontrolle und das Provisionsmodell von App-Stores gut zusammen: Revolte im App-Store. Epic Games möchte nicht die 30 Prozent Provision für Apple akzeptieren, Apple begründet die wiederum mit Bereitsstellung und Überprüfung auf Sicherheit. Aber konkret geht es darum, dass mit Google (Play-Store) und Apple (-Store) zwei Unternehmen fast 100 Prozent des Marktes für Apps kontrollieren.

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Der Deutschlandfunk stellt die gemeinnützige Medien-Plattform Medwatch vor. Die Medizinjournalist:innen sind gerade aktuell in Zeiten von viel Esoterik und fragwürdigen Therapieversprechen gefragt und kooperieren zunehmend mit Tageszeitungen: Experten unterstützen Lokalzeitungen.

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TV kills the internet: Altes TV störte 18 Monate Internetzugang eines ganzen Dorfes. In einem walisischen Dorf gab es viele Monate lang ein ungeklärtes Problem mit schlechtem Internet, zumindest zu Primetime-Zeiten. Nachdem alle Kabel nochmal gewechselt wurden und das Problem immer noch bestand, fand man irgendwann die Lösung: Ein alter Fernseher verursachte Impulsrauschen mit hohem Pegel störte damit die Internetverbindungen im gesamten Dorf.

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Heute Abend diskutiere ich um 18:50 Uhr im Rahmen des re:publica campus zusammen mit Stephanie Reuter von der Rudolf Augstein Stiftung und Christian Schwägerl von den RiffReportern über die Chancen des Non-Profit-Journalismus in Deutschland. Das gibt es im Livestream zu sehen und live auch vor Ort in Neukölln unter Berücksichtigung von Hygienestandards. Dazu kann man sich auch kostenlos eine sehenswerte Ausstellung über Digitalthemen anschauen.

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Vor wenigen Tagen war der 50. Todestag von Jimi Hendrix. Der Zündfunk auf Bayern2 fragt, warum nach und trotz Hendrix, Rock eine Musikfarbe für weiße Menschen und Musiker:innen wurde: Wie Rock zum Genre der Weißen wurde.

Video des Tages: Schulen bei Amazon

In der ZDF-Mediathek gibt es derzeit die Dokumentation „Datenkrake Amazon – Die dunkle Seite des Online-Riesen“ zu sehen.

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Bei Arte gibt es eine zweiteilige Dokumentation über „Die Schule von morgen“. In der ersten Episode geht es um „Schule und Hirn“ über aktuelle Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns und wie die sich auf Lernmethoden übertragen lassen. Teil zwei dreht sich um „Schule und Innovation„, also all die Sachen, die in der Regel nicht im deutschen Bildungssystem stattfinden.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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