[bits] Dieses TikTok ist in Deinem App-Store nicht verfügbar

Hallo,

die TikTok-Soap ist doch noch nicht vorbei. Der letzte Stand in dieser Woche war, dass für den US-Markt ein neues Unternehmen als Joint-Venture gegründet werden soll, das mehrheitlich von dem chinesischen TikTok-Betreiber Bytedance kontrolliert wird und seinen Sitz in den USA hat. Damit gab sich Donald Trump mit der Begründung „Nationale Sicherheit“ nicht zufrieden. Der neue Stand von heute ist, dass Walmart und Oracle zusammen eine Mehrheit bekommen sollen und Bytedance als Minderheitspartner dabei ist. Was das konkret für die Technik dahinter bedeutet und wer die dann wie kontrolliert, ist noch unklar.

Aber fertig ist der Deal noch nicht: Bis zum 12.11. soll alles final ausgehandelt sein. Um das Drohpotential zu erhöhen, soll ab Sonntag die TikTok-App in den US-Appstores nicht mehr verfügbar sein. Bereits heruntergeladene Apps sollen aber weiter funktionieren. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang.

Wer sich jetzt fragt: Was haben Walmart und Oracle mit Social Media zu tun und welches Interesse könnten sie an TikTok haben? Der Einzelhandelskonzern Walmart hat ein Interesse daran, seine Produkte und Marken zu vertreiben und dafür zu werben. Das funktioniert auch über Influencer:innen. Und Oracle ist zwar eine Technologiefirma, aber nebenbei auch der zweitgrößte Daten-Broker der Welt.

Was gerne übersehen wird: Social-Media-Plattformen sind im Hintergrund vor allem Werbe-Plattformen, da passt das schon prima zusammen, wenn man die Daten von sehr vielen TikTok-Nutzer:innen sammeln, verwerten und kapitalisieren kann.

Demnächst dann mehr zu diesem Theater.

Neues auf netzpolitik.org

In drei deutschen Thalia-Buchläden gibt es jetzt Propaganda-Regale aus China. Charlotte Pekel hat sich eins davon angeschaut: Das Regime im Regal – Einmal den Xi Jinping, bitte!

In drei deutschen Thalia-Buchläden gibt es eine China-Ecke, in dem von einem regimetreuen chinesischen Verlag ausgesuchte Bücher verkauft werden. Das sorgt für irritierte Reaktionen.

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Über einen Wandel der Firmenkulturen bei den großen Tech-Plattformen berichtet Alexander Fanta: Facebook und Google beschneiden interne Debatten.

Die Konzerne des Silicon Valley rühmten sich lange einer offenen Debattenkultur. Doch die Kontroverse um Black Lives Matter dient als Anlass, interne politische Diskussionen in Nischen zu verbannen.

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Wir haben es vorausgesagt, jetzt gibt es verschiedene Gutachten zur verabschiedeten Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, die bestätigen: Gesetz gegen Hasskriminalität ist verfassungswidrig.

Die schon beschlossene Erweiterung und Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hängt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken beim Bundespräsidenten fest. Ein neues Gutachten hält große Teile des Gesetzes für verfassungswidrig.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Der Tagesspiegel hat Unterlagen des Bundesinnenministerium zu der angedrohten Strafanzeige von Horst Seehofer gegenüber einer taz-Kolumnistin vor dem Berliner Verwaltungsgericht rausgeklagt. Es gab keinerlei rechtliche Prüfungen im Vorfeld, die Äußerungen Seehofers bezüglich einer möglichen Strafbareit der Kolumne könnten damit sogar justiziabel sein. Spannend: Horst Seehofer warf „taz“-Autorin Straftat vor – ohne rechtliche Untersuchung.

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Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes hat als Personenschützer ein Mitglied von Uniter gehabt. Das Uniter-Netzwerk wurde durch Journalist:innen der taz aufgedeckt und im Sommer wegen rechtsextremer Tendenzen vom Verfassungsschutz zu einem Verdachtsfall erklärt. Ungeklärt ist jetzt, wie der Mann Sicherheitsüberprüfungen überstanden hat.

Das spannende an der Meldung ist aber, dass diese im Focus erschienen ist und die Infos von einem „Beamten des Bundesinnenministeriums“ dorthin gesteckt wurde. Der Focus ist bekannt dafür, dass Sicherheitsbehörden gerne Sachen dorthin mit bestimmten Spins stecken, auch weil der Focus dann die gewünschte Richtung bringt und keine kritischen Nachfragen stellt. Hier geht es dann auch immer um tolerierten Verrat von Dienstgeheimnissen, weswegen an anderen Stellen Whistleblower verfolgt werden.

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Wie gehen Medien mit unterschiedlichen Realitäten um? Bei Spektrum gibt es ein Interview mit dem Dokumentarfilmer und Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens (Terra-X im ZDF): »Die Wahrheit liegt allein in der Wahrheit«. Er vertritt die Auffassung, dass man nicht jeden Spinner zu Wort kommen lassen müsste, um das ganze Spektrum abzubilden:

„Es kommt nur Unsinn dabei heraus, wenn man die Mitte sucht zwischen einer kugelförmigen und einer scheibenförmigen Erde. Zu glauben, man müsse auch abseitigen Ansichten eine Plattform bieten, ist ein journalistischer Kernfehler. Das schafft den Eindruck, dass der Unsinn eine Berechtigung hat.“ Recht hat er.

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Die Corona-Maßnahmen haben einen Vorteil: Die Grippewelle 2020 könnte ausfallen. Abstandhalten und Maske tragen sind hier ein großer Vorteil. Aber auch Hände waschen sollte nicht wieder aus der Mode kommen, auch wenn das gegen Corona nicht so entscheidend ist: Wenn aktuell viele über Erkältungen klagen, dann hat das mit Schmierinfektionen durch Rhinoviren zu tun.

Einen guten Überblick über mittlerweile bekannte und erforschte Corona-Übertragungswege gibt es bei Medium zu lesen: The Most Likely Way You’ll Get Infected With Covid-19.

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Maske tragen ist ein Politikum geworden und gerade reichweitenstarke Medien nutzen die Debatte für ihre Berichterstattung (und fördern damit möglicherweise eine weitere Polarisierung). Lena Puttfarken kommentiert die Titelbilder auf Übermedien: Die Maskenpflicht als Drama bei Spiegel und Zeit.

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Es gibt mittlerweile auch digitale Geographie und ich finde das Feld spannend. Ein aktuelles Papier aus dem Wissenschaftsfeld hat sich Edit-Wars auf Wikipedia am Beispiel von Artikeln über Berlin angeschaut und untersucht. Faszinierend: Edit Wars in a Contested Digital City: Mapping Wikipedia’s Uneven Augmentations of Berlin.

Video des Tages: Brot

Ich gehöre ja leider zu den Menschen, die während der Ausgangsbeschränkungen nicht dazu gekommen sind, Brot selbst zu backen (was anscheinend kurzzeitig eine Art Volkssport war). Die Arte-Dokumentation „Schönes neues Brot“ untersucht den Wandel in der Brot-Herstellung. Möglicherweise wird das traditionelle Bäcker-Handwerk gegenüber industrieller Fertigung dabei etwas verklärt, aber man lernt viel über die Hintergründe und Veränderungen in Produktion, Geschmack und Zutaten.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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