[bits] Domains machen Politik

Hallo,

am Ende ist es doch noch gut ausgegangen: Die Verwaltung hinter der Top-Level-Domain (TLD) .org wird nicht an eine intransparente und neu gegründete Firma mit Hedgefond-Charakter verkauft. Vor einem halben Jahr reagierten viele Beobachter:innen der Internet Governance – Debatte irritiert bis geschockt, als die Internet Society die Pläne verkündete, ihre Verantwortung zum Betrieb der .org TLD abzugeben und alles zu verkaufen.

Eine Registry verwaltet die Domains mit einer gemeinsamen Endung, einer TLD. In Deutschland verwaltet die DENIC beispielsweise die .de – Domains.

Die .org – TLD wurde einmal für den gemeinwohlorientierten Teil des Netzes geschaffen und eine Kommerzialisierung war dafür nie vorgesehen. Das war auch einer der Hauptgründe, warum ich mich vor vielen Jahren für netzpolitik.org entschieden habe. Eine Befürchtung der Kritiker:innen war, dass durch einen Verkauf an einen Hedge-Fond sich viele gemeinwohlorientierte Webseiten, vor allem ärmere im globalen Süden, nicht mehr die laufenden Domainkosten leisten könnten. Die dann garantiert teurer geworden wäre. Außerdem wurde befürchtet, dass nach einer Kommerzialisierung Investitionen in Sicherheit und Betrieb aus Spar- und Effizienzsteigerungsgründen verringert würden.

Vergangenen Donnerstag kam dann zur Erleichterung vieler Beteiligter die Nachricht, dass der ICANN-Vorstand einen Verkauf nicht mehr unterstützt: ICANN Board Withholds Consent for a Change of Control of the Public Interest Registry (PIR).

Weitere Details bietet die immer gut informierte Monika Ermert bei Heise-Online: Gescheiterter .org-Registry-Verkauf: Fallout eines Debakels.

Neues auf netzpolitik.org

Tomas Rudl über neue Erkenntnisse über den Bundestagshack: Haftbefehl gegen mutmaßlichen russischen Geheimdienst-Hacker.

Die dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeschriebene Gruppe APT28 soll für den Angriff auf die IT-Infrastruktur des Bundestags im Frühling 2015 verantwortlich sein. Laut Medienberichten hat nun der Generalbundesanwalt einen konkreten Tatverdächtigen ermittelt und einen Haftbefehl erwirkt.

Anna Biselli über eine Klage gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Geflüchtete klagen gegen das Auslesen ihrer Handys.

Wer in Deutschland Asyl sucht und keinen Pass vorlegen kann, muss damit rechnen, dass sein Smartphone ausgelesen wird. Gegen diesen Eingriff ziehen nun Geflüchtete vor Gericht. Die Praxis betrifft Tausende Geflüchtete pro Jahr.

Wissenswertes zur Coronakrise

Keine Krise ohne eigene Parteigründung? Im Umfeld von Verschwörungs-Fans, Impfgegnern und Identitären hat sich die Gruppierung „Widerstand 2020“ als Sammelbecken von gebildet. Christian Schiffer hat für den Bayrischen Rundfunk eine lesenswerte Analyse geschrieben, wer da mit wem zusammenkommt: Was will „Widerstand 2020“?

Der Soziologe Armin Nassehi schriebt bei Zeit-Online in einem Essay über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen: Das Virus ändert alles, aber es ändert sich nichts.

Über eine Informationsfreiheitsanfrage ist nun das Konzeptpapier öffentlich geworden, dass die Datenanalyse-Firma Palantir ans Bundesgesundheitsministerium verschickte. Darin beschreibt Palantir seinen Plan zur datengestützten Corona-Verbreitungsanalyse mit seinem System „Foundry“. Ins Geschäft kamen das Ministerium und Palantir dann aber offenbar nicht.

Was sonst noch passierte:

Clubkultur findet derzeit nur virtuell in Live-Streams statt, wirtschaftlich und vor allem kulturell ist das eine Katastrophe. Tobi Müller schreibt auf republik.ch über diese Krise und wie sich elektronische Tanzmusik dadurch verändern wird: Dance is dead – oder: Die Musik von morgen.

Apropos elektronische Tanzmusik: Die ARD-Kultursendung Titel, Thesen und Temperamente stellte in der vergangenen Folge Pantha du Prince und Dominik Eulberg vor, die beide Naturklänge mit Techno-Klängen kombinieren. Wobei mir persönlich die neuen Sachen von Pantha du Prince zu sehr neue Musik sind und ich seinen alten Sound besser fand: Techno, Tanz und Tiergeräusche.

Auf europäischer Ebene wird über Haftungsfragen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz diskutiert, beispielsweise darüber, wer denn dafür haftet, wenn eine Drohne abstürzt: Neues Recht für neue Technik.

Letztes Jahr im Rahmen der Proteste um die EU-Urheberrechtsreform bekam sie plötzlich ziemlich viele Fans im Teenager-Alter, ziemlich ungewöhnlich für eine EU-Parlamentarierin. Mittlerweile sitzt Julia Reda nicht mehr im Parlament. Henrik Oerding hat nachgefragt, was sie eigentlich heute tut: „Sie hat nach neuen Mitteln gesucht für die Themen, bei denen sie innerhalb der parlamentarischen Demokratie nicht weiterkam. Und sie gefunden“, schreibt der Autor auf Zeit-Online: Im Namen des Urheberrechts.

Audio des Tages: Anarchismus für Einsteiger:innen

Deutschlandfunk Kultur hat in einer „Langen Nacht über Anarchismus“ die Ideengeschichte und Konzepte hinter dem Schlagwort erklärt: Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland. Die rund drei Stunden lange Sendung gibt es zum Nachhören. Ich empfehle übrigens gerne die DLF Audiothek als App, da kann man sich fast alle Sendungen auch bequem herunterladen und später hören.

Video des Tages: Corona-App mit Constanze

Constanze Kurz ist Autorin bei netzpolitik.org und Sprecherin des Chaos Computer Club. Mit Tilo Jung hat sie für seine Sendung Jung&Naiv über die Corona-Tracing-App und die Debatte dahinter gesprochen. Das gibt es als Video und auch als Podcast.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freu mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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