Hallo,
einmal im Jahr erstellt die AfD-Bundestagsfraktion ein Ranking der Organisationen, deren Arbeit der rechtsextremen Partei am meisten ein Dorn im Auge ist. Das Ranking in Form einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung fordert diese auf, offen zu legen, wem sie davon Geld gibt.
Die Liste wächst immer ein wenig und ist, wie eigentlich die gesamte Oppositionsarbeit von denen äußerst konfus, wenig strukturiert und von Hass getrieben. Aber es gibt einen guten Überblick, wer gerade gute Arbeit leistet. netzpolitik.org ist zum wiederholten Male auf der Liste und auch in diesem Jahr wird die Antwort der Bundesregierung wieder sein, dass es kein Geld für netzpolitik.org gab. Das bedeutet aber auch, dass wir diese Unabhängigkeit nur durchziehen können, weil uns viele Spender:innen freiwillig unterstützen.
Ich bin auch etwas stolz, denn in diesem Jahr sind gleich vier Organisationen dabei, die ich mitgegründet und mit aufgebaut habe (bei einer fünften hab ich nicht mehr getan als bei der Gründungsversammlung meine Unterschrift zu leisten). Und zahlreiche weitere, wo ich entweder Mitglied bin oder mit denen ich einfach nur gerne zusammenarbeite.
Neues auf netzpolitik.org:
Der für die Bekämpfung der Hasskriminalität zuständige Polizist beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) erzählt im Interview mit Marie Bröckling, was aus seiner Perspektive schief läuft bei der Beurteilung von rassistischer und antisemitischer Gewalt: „Wir werden nie 100 Prozent der rechtsextremen Straftaten erfassen“.
Wir haben nicht nur eine Coronakrise, sondern auch eine Vertrauenskrise. Das hat der Autor, Aktivist und Journalist Cory Doctorow auf der virtuellen re:publica erklärt und fordert: Wir brauchen mehr Pluralismus, damit unsere Welt so bleibt, wie wir sie kennen. Julia Barthel fasst den Vortrag zusammen: Es gibt noch eine andere Pandemie und es ist eine ideologische. Der Journalist Kai Schaechtele hat auch über den Vortrag in seinem Blog geschrieben: In den Gärten der eigenen Erkenntnis.
Wissenswertes zur Coronakrise
Der Tagesspiegel beschreibt in einer Scroll-Dokumentation, „Wie das Coronavirus den Körper befällt„. Das ist schöner Wissenschaftsjournalismus anschaulich umgesetzt.
Wo gibt es nach aktuellem Stand der Forschung die größten Infektionsrisiken? Zeit-Online fasst den Stand zusammen: Welche Orte sind besonders gefährlich? Das sind vor allem geschlossene Räume und wenn sich Menschen zu nah kommen. Im Sommer können wir also etwas durchatmen (und durchlüften), im Herbst und Winter haben wir wieder ein Problem.
In einem Interview mit der Taz erklärt die Sozialpsychologen Pia Lamberty, warum auf den sogenannten „Hygiene-Demos“ Anhänger unterschiedlichster Verschwörungsmythen zusammenkommen: „Gegen Kritik immunisieren“.
Was sonst noch so passierte
Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich einen Baum. Bis heute wusste ich nicht genau, welche Art es ist, ich war auch etwas faul und hätte das mit einer passenden App (z.B. Seek) herausfinden können. Dafür weiß ich jetzt, dass der Baum ein Weißdorn ist und vor 35 Jahren gepflanzt wurde. Er hat etwas Wasserbedarf und in den vergangenen Tagen hat es 41,9 Liter pro qm2 geregnet. Herausgefunden hab ich es mit der Plattform giessdenkiez.de die zumindest für Berlin sämtliche „offiziellen“ Bäume in einer Karte mit Zusatzinformationen anzeigt. Ein schönes Projekte des Citylabs Berlin.
Die Echtzeit-Strategiereihe Command & Conquer ist eines der besten Computerspiel-Konzepte, die ich bisher entdecken konnte. Die Blütezeit des Genres waren die 90er und frühen 2000er. De Publisher Electronic Arts hat jetzt angekündigt, die Sourcecodes der beiden Spiele Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt und Command & Conquer: Alarmstufe Rot unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen. Das ist tatsächlich etwas revolutionär. Denn in der Regel behalten Unternehmen alle Rechte an Spielen und das erschwert beispielsweise die Archivierung in Bibliotheken. Und schon gar nicht können Fans die Spiele dann weiterentwickeln und sich neue Ideen ausdenken. Das geht jetzt durch die freie Lizenzierung aber vollkommen legal. Auch wenn die Spiele von der Grafik her ein wenig aus der Zeit gefallen aussehen freue ich mich schon darauf, sie nochmal mit neuen Funktionen und neuen Levels spielen zu können.
Gideon Botsch erforscht am Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum Antisemitismus und Rechtsextremismus. Im Tagesspiegel beschreibt er in einem Gastbeitrag die Rolle des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, der immer so konservativ tut, aber dafür verantwortlich ist, dass sich die Rechtsextremen in der Partei durchgesetzt haben: Die Affäre Kalbitz ist eine Affäre Gauland.
Etwas Einblick in Eliten-Netzwerke bietet das Manager-Magazin, das die Baden-Badener-Unternehmergespräche portraitiert: Das geheime Bootcamp der Bosse.
Kreative Protestform: In der Türkei haben Menschen in Izmir das Soundsystem der Minarette gehackt und damit überall in der Stadt das Widerstandslied „Bella Ciao“ im öffentlichen Raum abgespielt. Hier gibt es eine Videoaufnahme (mit schlechtem Sound).
Patreon ist wahrscheinlich die größte Crowdfunding-Plattform im Netz. Der Europa-Chef Ronny Krieger gibt in einem Interview interessante Einblicke in die Arbeit von Crowdfunding-Plattformen und dem aktuellen Stand der Musikwirtschaft in der digitalen Welt: Das nächste große Ding?
An amerikanischen Highschools sind Schüler durch eine Prüfung gefallen, weil das Format ihrer iPhone-Fotos nicht erkannt wurde. Das wurde nämlich als HEIC abgespeichert, was noch platzsparender ist als JPEG. Die Plattform, auf denen sie die Fotos ihrer handgeschriebenen Prüfungen hochladen sollten, hat das aber nicht erkannt – und die Tests als nicht bestanden bewertet. Jetzt soll es auch die Möglichkeit geben, Antworten per Mail zu schicken.
Barton Gellman ist einer der Journalisten, der Informationen von Edward Snowden bekommen hat. In seinem neuen Buch „Dark Mirror: Edward Snowden and the American Surveillance State“ schreibt er über seine Erlebnisse, ein Ausschnitt daraus ist schon jetzt auf The Atlantic zu lesen: Since I Met Edward Snowden, I’ve Never Stopped Watching My Back.
Als „Over-the-top“ oder kurz „OTT“ bezeichnet die Bundesnetzagentur Kommunikationsdienste, die über das offene Internet funktionieren und daher nicht auf einen bestimmten Festnetz- oder Mobilfunkanschlussanbieter angewiesen sind. Darunter fallen Messenger oder Internettelefonie wie Skype, WhatsApp oder Threema. In einem 53-seitigen Bericht analysiert sie jetzt, wer diese „neuen Möglichkeiten, sich auszudrücken und anderen mitzuteilen“ nutzt. Dabei hat WhatsApp mit 96 Prozent mit Abstand die meisten Nutzer:innen. Etwa die Hälfte der befragten Nutzer:innen verwendet höchstens zwei Anwendungen, um digital zu kommunizieren.
Audio-Tipp des Tages: Oury Jalloh
Ein Asylbewerber aus Afrika verbrennt 2005 im Polizeigewahrsam. Der an Händen und Füßen Gefesselte habe sich selbst angezündet, behaupten die Beamte. 15 Jahre lang scheitert die Justiz trotz mehrfacher Anläufe daran, den Fall aufzuklären – und macht ihn damit zum Politikum. WDR5 hat eine Podcast-Serie in 5 Teilen zum ungeklärten Fall Oury Jalloh.
Video-Tipp des Tages: Der Reichstag
„Der Reichstag“ ist eine Dokumentation in der ARTE-Mediathek, die zwischen Experteninterviews und filmischen Nachstellungen hin und herwechselt und dabei die Geschichte des historischen Gebäudes durch die verschiedenen Epochen der vergangenen 120 Jahre erzählt.
Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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