[bits] Einfach mal mehr Open-Source fördern

Hallo,

Mozilla hat Geldprobleme und entlässt weltweit erneut zahlreiche Mitarbeiter:innen. Das ist ein Problem für uns alle, denn Mozilla hat es in den vergangenen 18 Jahren geschafft, mit dem Firefox-Browser und dem Thunderbird-Mailclient zwei sehr relevante Open-Source-Projekte zu betreiben und mehr (Firefox) oder weniger (Thunderbird) engagiert weiter zu entwickeln.

Mozilla finanziert sich vor allem durch die Vermietung der Firefox-Browser-Suchleiste für die Meistbietenden. Das war bei uns in Deutschland immer Google, die damit auch ihre Marktführerschaft erkauft hatten und in der Zwischenzeit hatte sich mal Yahoo für den US-Markt die Suchleiste gesichert.

Diese Abhängigkeit war immer eine Herausforderung, aber führte letztendlich zu den Ressourcen, die es braucht, um mit Firefox eine gemeinwohlorientierte Browser-Alternative anzubieten, die lange in vielen Staaten eine Marktführerschaft hatte.

Google hat diese aber mit dem eigenen Chrome-Browser erobert. Chrome ist vom Kern her auch Open-Source und die Basis wird von zahlreichen freien Alternativen wie Brave oder Chromium verwendet, die auch eine Nutzung ohne Google-Dienste und der damit verbundenen Überwachung anbieten. Aber trotzdem ist die Entwicklung überall abhängig von Google und seinen Entscheidungen. Und wenn überall dieselbe technologische Basis verwendet wird, haben wir kein Ökosystem mehr, sondern eine Monokultur, wo eine Sicherheitslücke für alle eine Gefahr sein könnte.

Mozilla spart jetzt unter anderem an entscheidenden Stellen, wie Felix von Leitner bei Heise-Online argumentiert: Digitale Souveränität zum Schnäppchenpreis – von Europa und Mozilla.

Einer der wegweisenden Initiativen von Mozilla in den letzten Jahren war die Entwicklung von Rust, einer Programmiersprache, die mehr Wert auf IT-Sicherheit legt und die Basis für sichere Browser in der Zukunft sein könnte, denn „Der Webbrowser ist die Plattform der IT der Zukunft“, wie Leitner sagt.

Er fordert, dass Deutschland oder die EU jetzt einspringen sollten und Mozilla oder eine Stiftung für die Weiterentwicklung von Rust und weiteren relevanten technischen Bestandteile finanziell unterstützen sollten. Mehr Investitionen in IT-Sicherheit gäbe es gerade kaum zum Schnäppchenpreis zu haben. Und er hat Recht.

Deutschland und die EU müssen diese Krise als Chance nutzen und sich durch die Förderung von Open-Source-Infrastrukturen unabhängiger machen. Sonst kontrolliert Google demnächst auch noch den kompletten Browser-Markt.

Neues auf netzpolitik.org:

Die Corona-Warn-App geht doch in Bussen und Bahnen? Marie Bröckling hat nachgefragt: Gesundheitsministerium verteidigt Corona-Warn-App.

Die Corona-Warn-App sei für die Nutzung im öffentlichen Nahverkehr geeignet, sagt das Bundesgesundheitsministerium. Es widerspricht einer Studie aus Irland, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der App streut.

Österreich wird Arbeitssuchende doch nicht mit einem Algorithmus beurteilen: Datenschutzbehörde stoppt Jobcenter-Algorithmus

Ein automatisiertes System sollte in Österreich über Ausbildungschancen von Arbeitssuchenden urteilen. Doch die Datenschutzbehörde stoppte das Projekt und fordert eine gesetzliche Grundlage.

Das Online-Theater rund um eine kleine Kunst-Ausstellung in Chemnitz geht weiter. Markus Reuter schreibt: Ebay löscht Kunst-Auktion und sperrt Peng-Kollektiv ohne Angabe von Gründen.

Provokation gelungen oder Cancel Culture von rechts? Der Online-Marktplatz Ebay löscht eine Kunstaktion und sperrt den Account der Aktionskünstler:innen. Die berufen sich auf die Kunstfreiheit – und erhalten Unterstützung vom Museum.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Torsten Kleinz beschreibt bei Übermedien „Tricksen, täuschen oder umdenken: Geht Online-Werbung ohne Datentauschrausch?

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Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung hat ihr aktuelles Selbstverständnis in einem Zehn-Punkte-Papier formuliert und möchte den Text auch als Kompass für die digitale Transformation haben: Unser Wert, unsere Werte.

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Bayern und Baden-Würtemberg wollen ihre selbstverschuldete fehlende digitale Bildungsinfrastruktur nun mit Microsoft-Produkten fixen. Das freut das Unternehmen, dass schon lange eine Monopolisierung der Schul-Infrastrukturen als Ziel hat, auch um zukünftige Arbeitnehmer:innen schon in der Schulzeit an die eigenen Produkte zu gewöhnen und sie daran zu trainieren. Das wirft viele Fragen und Kritik auf, wie Stefan Krempl bei Heise-Online zusammenfasst: Schule digital: (K)ein Platz für Microsoft.

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Indien ist einer der größten (Zukunfts-)Märkte und wir wissen noch zu wenig darüber, wie dort die Digialisierung gestaltet wird. Einen interessanten Longread zum Thema Gesundheitsdaten hat Gayathri Vaidyanathan für ie9 geschrieben: Verkaufte Daten, digitale Fließbandarbeit und Regierungstreue: Die Welt der indischen Gesundheits-Apps.

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In der Berliner SPD gibt es gerade ausnahmsweise einen spannenden Vorwahlkampf, weil der amtierende Bürgermeister Michael Müller wegen schlechter Beliebtheitswerte irgendwohin abgeschoben werden muss, um Platz für Familienministerin Franziska Giffey zu schaffen. Der Bundestag soll das nächste Ziel seiner Karriere werden. Das einzige Problem ist: Da wollen auch andere hin, die für eine neuere SPD stehen. Müller kommt aus Tempfelhof-Schönberg, aber da kandidiert schon Kevin Kühnert. Also dachte Müller, er kandidiert in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo einige seiner Mitarbeiter in verantwortlichen Posten im SPD-Kreisverband sitzen. Aber dort will auch seine Staatssekretärin Sawsan Chebli kandidieren, die dort wohnt, aktiv ist und das schon frühzeitig angekündigt hat.

Das Duell ist interessant von außen anzuschauen. Zuerst schien das Medien-Framing in die traditionelle Richtung zu laufen, dass es doch nicht fair von Chebli wäre, gegen ihren aktuellen und verdienten Chef anzutreten. Das dreht sich mittlerweile. Der Spiegel hat sich mit Chebli dazu getroffen und auch der Tagesspiegel thematisiert, dass die bisherige Medienberichterstattung und die politische Praxis der Hinterzimmer und Versorgungsposten der SPD doch in die Mottenkiste gehören sollte: „Bei einem Mann würde man sagen: Wow, hat der Mumm“.

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Eine Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) findet heraus: Airbnb lässt Mieten steigen. Für Berliner:innen ist das keine Überraschung, aber gut, dass das mal wissenschaftlich belegt wird. Die Studie selbst ist auf englisch, in der taz gibt es eine Zusammenfassung: Höhere Mieten durch Airbnb

Videos des Tages: Elvis auf der Wiese

In der ARD-Mediathek gibt es heute noch das musikalische Road-Movie „The King – Elvis und der amerikanische Traum“ zu sehen.

Und als Kontrast dazu bietet Arte mit der Dokumentation „Die Wiese – Ein Paradies nebenan“ Einblicke in das nächstliegende Ökosystem, das wir viel zu wenig wahrnehmen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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