[bits] Ganz in schwarz

Hallo,

in den USA gibt es immer mehr Proteste gegen rassistische Übergriffe und auch damit verbundene Polizeigewalt. Aufgestachelt von einem US-Präsidenten, der das Land weiter spaltet und seine rassistischen Anhänger:innen weiter anfeuert, gibt es leider auch immer mehr dokumentierte Übergriffe von Polizei-Beamt:innen gegenüber Journalist:innen.

Viele Menschen leiden unter der eskalierenden Gewalt, die sich friedlichen Protesten anschließen. Und vor allem werden bei den Protesten massiv unterschiedlichste Überwachungstechnologien eingesetzt. Markus Reuter hat dazu einen Überblick geschrieben: Wie US-Behörden Protestierende digital überwachen. Glück im Unglück: Um sich und andere vor Corona zu schützen, kann man aktuell wenigstens Masken tragen und damit biometrischen Überwachungssystemen die Arbeit erschweren.

Vice Motherboard hat auch noch Hinweise, wie man das Risiko digitaler Überwachung bei Protesten etwas minimieren kann: How to Protest Without Sacrificing Your Digital Privacy. Die Klassiker sind, dass man sich bewusst sein sollte, dass alle vernetzten Geräte Spuren hinterlassen. Und auch die Apps darauf, die ständig „nach Hause telefonieren“, um zu schauen, ob neue Nachrichten da sind. Alleine für jedes „nach Hause telefonieren“ wird bei den Telekommunikationsanbietern mindestens die Funkzelle und Nummer gespeichert.

Mit einer behördlichen Abfrage, auch Funkzellenabfrage genannt, wer wann in einer Funkzelle war, kann man weite Teile einer Demonstration identifizieren. So steht man immer im Zwiespalt zwischen „ohne Smartphone aus dem Haus gehen mit allen Nachteilen“ vs „Mit Smartphone identifiziert werden, aber dabei auch Senden und Kommunizieren können“.

Gestern fand auf der Foto-Plattform Instagram eine Online-Demonstration statt. Das ist eigentlich nichts berichtenswertes, das versuchen viele und vor Wochen bemühte sich vor allem die „Fridays for future“-Bewegung im Lockdown, zumindest mit Schilder-Selfies weiter zu protestieren. Aber der #BlackoutTuesday war eine andere Liga.

Ab Mittags (unsere Zeit) konnte man immer mehr schwarze Bilder sehen, die häufig mit dem Hashtag #BlackoutTuesday unterzeichnet waren. Das Instrument, etwas aus Protest oder Solidarität zu schwärzen, ist nicht neu und wurde im Netzkontext bereits in den 90er Jahren erstmals eingesetzt. Wir haben es in den nuller Jahren ab und an für Kampagnen wie die gegen Softwarepatente oder gegen die Vorratsdatenspeicherung genutzt. Aber irgendwann war diese Protestform im offenen Netz vorbei, auch weil immer weniger Menschen eine eigene Webseite zum schwärzen hatten. Vor allem nutzen sich viele Aktionsformen auch ab, wenn man sie ständig verwendet.

Gestern führte aber die große Solidarität mit den Betroffenen und der Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt dazu, dass über weite Teile die Timeline vieler Nutzer:innen schwarz wurde. Das war dann doch eine ganz andere Liga als frühere Proteste auf Instagram.

Neues bei netzpolitik.org:

Google ist in den USA mit einer Sammelklage konfrontiert. Darin werfen drei Nutzer dem Konzern vor, Daten gesammelt zu haben, obwohl sie in ihrem Browser den Inkognito-Modus zum vermeintlich privaten Surfen genutzt haben. Das geschehe beispielsweise über Google Analytics, Plugins oder Apps. Das Klagevolumen könnte in die Milliardenhöhe gehen. Anna Biselli hat sich das angeschaut: Sammelklage gegen Google in den USA.

Wissenswertes zur Coronakrise:

Wie funktioniert das nochmal mit den Aerosolen? Der NDR hat dazu vor zwei Wochen im Fernsehen aufgeklärt und das ist recht anschaulich geworden: Schützen Abstand und Masken?

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Warum gibt es trotz Lockerungen so wenig Neuinfektionen in Deutschland? Spiegel-Online hat am Wochenende den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammengefasst: Das Rätsel um die niedrigen Fallzahlen. Hint: Draußen sein hilft.

Was sonst noch passierte:

Die Soziologin Zeynep Tufekci vermutet bei The Atlantic, dass der eskalierende Streit zwischen Trump und Twitter über die Tweets des US-Präsidenten genau eine Zielgruppe hätten: Mark Zuckerberg. Das scheint ja auch prima zu funktionieren, wie das Verhalten von Facebook zeigt: Trump Is Doing All of This for Zuckerberg.

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Die New York Times wiederum hat die vergangenen Monate bei Twitter recherchiert, die dazu führten, dass das Unternehmen jetzt endlich mal aktiv wird: Twitter Had Been Drawing a Line for Months When Trump Crossed It.

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STRG_F-Reporterin Nadia Kailouli hat als Chat-Schreiberin angeheuert und undercover ins Fake-Chat-Geschäft geschaut. Mit bezahlten Chatpartnern wecken so etwa Dating-Plattformen die Hoffnung auf die große Liebe: Undercover als Chatschreiberin: Falsche Flirts auf Dating-Plattformen.

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Sebastian Meineck und Paul Schwenn haben in der Zoom-Bombing-Szene recherchiert. Sie haben mit zwei minderjährigen Jungs gesprochen, die Meetings crashen, und mit Betroffenen, deren Videokonferenzen mit Missbrauchsdarstellungen gesprengt wurden. Auf Discord-Servern werden Links zu Konferenzen verteilt, die Szene ist groß: So attackieren Zoom-Bomber private Videokonferenzen mit Kinderpornografie.

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Böswillige Hacker mit schwarzen Kapuzenpullis im Monitorlicht. In der Ecke liegen Pizza-Kartons, Nerf-Guns verschaffen Entspannung. Diese romantisiert-nerdige Klischee-Sicht auf Kyber-Kriminelle hat wenig mit der Realität zu tun, schreiben Wissenschaftler in einem Paper. Der Großteil der Jobs in der Kriminellen-Szene ist auch nicht spannender als ein durchschnittlicher Büro-Arbeitsplatz. Inklusive nervigem Support und bürokratisierter Langeweile: Cybercrime is (often) boring: maintaining the infrastructure of cybercrime economies.

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Auf journalist.de plädiert die Funk-Programmgeschäftsführerin Sophie Burkhard dafür, die Leser:innen mehr in den Blick zu nehmen und Misstrauen abzubauen: „Vertraut eurem Publikum!“

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Mit Airbnb ist das so eine Sache: In anderen Ländern sucht man damit gerne Unterkünfte, weil diese in der Regel günstiger als Hotels sind und die Plattform vor allem ein global standardisiertes Interface hat und überall gleich ist. Immer noch besser als booking.com mit seinen intransparenten Preissystemen. Zuhause möchte man aber kein Airbnb in der Nachbarschaft haben, weil die Innenstädte dadurch kaputt gehen und sich die Wohnungspreise in guten Lagen massiv verteuern. Aber auch die Coronakrise geht nicht spurlos an dem Unternehmen vorüber, wie die c’t berichtet: Ausgangsbeschränkungen setzen Airbnb unter Druck.

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China nutzt die Coronakrise und das damit verbundene globale Chaos, um sich weiter Hongkong einzuverleiben. Das von China kontrollierte Scheinparlament hat am Donnerstag ein neues Sicherheitsgesetz verabschiedet, um die Protestbewegung zu unterdrücken. Zeit-Online hat dazu ein Interview mit dem Demokratie-Aktivisten Joshua Wong gemacht: „Am Ende sitzt man in Peking im Gefängnis“.

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Der Deutschlandfunk hat sich in der Sendung „Wissenschaft im Brennpunkt“ mit den Auswirkungen von biometrischen Systemen auf die Demokratie beschäftigt. Das ist recht ausführlich geworden und kann als Transcript gelesen oder auch gehört werden. Dazu passt auch die Kampagnenseite gesichtserkennung-stoppen.de.

Video des Tages: Jeffrey Epstein: Stinkreich

Netflix kann auch immer häufiger gute Dokumentation produzieren. Die vierteilige Mini-Serie „Jeffrey Epstein: Stinkreich“ geht der Frage nach, warum der Missbrauchs-Skandal so lange nicht aufgedeckt wurde, obwohl es so viele Opfer gab. Das ist teilweise heftig anzuschauen, wenn vor allem in der ersten Folge viele Opfer berichten, wie sie von ihm und seinen Freunden missbraucht worden sind.

Aber das braucht es auch, um den Opfern eine Stimme zu geben und das kaltblütige System zu beschreiben. Die weiteren Folgen beschäftigen sich dann eher mit dem Umgang der Justiz mit Epstein, der sich unbesiegbar fühlen konnte und dank guter Beziehungen quasi nicht bestraft wurde. Und dann geht es um die späteren Ermittlungen, die dann zu seiner Festnahme und einem Selbstmord im Gefängnis führte, der immer noch aufgrund vieler Indizien angezweifelt wird. Eine gute Dokumentation über einen wichtigen Justiz-Skandal, aber aufgrund der vielen Opfer-Schilderungen auch nicht zur Unterhaltung geeignet.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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