[bits] Google-Förderung ist eine Frage der Unabhängigkeit

Hallo,

seit Jahren verteilt Google im Rahmen seiner Google News Initiative Millionen Euro an Förderung an journalistische Medien. Wir hatten uns das schon vor zwei Jahren umfangreich in einer ersten Recherche angeschaut. Unsere Redakteure Ingo Dachwitz und Alexander Fanta haben sich die Initiative die letzten Monate für eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung und des DGBs nochmal genauer angeschaut.

Heute ist die Studie „Medienmäzen Google“ offiziell erschienen und steht kostenlos zum Download bereit. In einem ersten Beitrag auf netzpolitik.org gibt es einen Überblick: Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt. Weitere Beiträge werden im Laufe der nächsten Tage erscheinen.

Die Google News Initiative wirft Fragen nach einer unabhängigen Berichterstattung auf. Wie neutral können noch Redaktionen über Google berichten, wenn das eigene Medium über diese medial-politische Landschaftspflege mit dem Konzern verbunden ist?

Die gute Nachricht ist, dass es keine Belege für Interventionen von Google in die direkte Berichterstattung gibt. Allerdings, und hier kommen wir zu der schlechten Nachricht, äußerten mehrere befragte Journalist:innen die Sorge, dass diese Förderungen zu „Beißhemmungen“ und „Selbstzensur“ führen könnten.

Und vor allem fehlt eine genaue Transparenz darüber, wer wie viel Geld erhalten hat. Google selbst nennt nur finanzielle Korridore. Genaue Zahlen könnten die Verlage nennen, wollen sie aber nicht. Das führt leider zu einer intransparenten Transparenz.

Wir haben uns als Medium bewusst dagegen entschieden, dort ebenfalls Gelder zu beantragen, weil wir in unserer Meinung und Berichterstattung unabhängig bleiben wollen. Das ist natürlich für uns ein Nachteil, wenn eine Vielzahl an Medien sich den Vorteil holen, wichtige Infrastruktur-Investitionen eben über diese Förderung zu finanzieren. Und wir uns diese Investitionen nicht leisten können.

Aber dafür verfügen wir über zahlreiche Leser:innen, die uns freiwillig mit einer Spende oder einem Dauerauftrag finanzieren. Was uns sehr freut und eben diese Unabhängigkeit von großen Konzernen ermöglicht.

Neues auf netzpolitik.org

Andre Meister hat einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums analysiert, der automatisierte Kennzeichenlesesysteme regeln soll: Justizministerin Lambrecht will Auto-Rasterfahndung ausweiten.

Polizei und Ermittlungsbehörden sollen künftig in ganz Deutschland Kfz-Kennzeichen scannen und mit Fahndungslisten abgleichen dürfen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums hervor. Dafür könnten auch bereits existierende Anlagen, die ursprünglich für Tempolimits oder Diesel-Fahrverbote aufgestellt wurden, genutzt werden.

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Leonhard Dobusch berichtet über Pläne des größten Wissenschaftsverlag der Welt, Elsevier, mit Spyware gegen sogenannte Schattenbibliotheken vorgehen zu wollen: Kein Open-Access-Deal, dafür mit Spyware gegen Schattenbibliotheken?

Knapp 200 Hochschulen und Forschungsinstitute in Deutschland haben derzeit keinen Zugang zu Zeitschriften des größten Wissenschaftsverlags Elsevier. Statt über einen Umstieg auf Open Access zu verhandeln, bekämpft Elsevier jedoch lieber Schattenbibliotheken, die Forschenden den vertragslosen Zustand erträglicher machen.

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In einem Gastbeitrag erklären Klemens Witte und Nils Hungerland, warum „Künstliche Intelligenz“ nicht per se die Klimakrise lösen kann: Künstliche Intelligenz allein reicht nicht.

Künstliche Intelligenz bietet neue Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen, doch Technologie ist kein Selbstzweck. Was wir damit erreichen, haben wir selbst in der Hand.

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In einem anderen Gastbeitrag beschreiben Elisabeth Giesemann und Nikolas Becker, was uns nach einem Präsidentenwechsel in den USA erwarten könnte: Biden-Harris – Worauf darf die Netzpolitik hoffen?

Wie in Europa hat sich in den USA die netzpolitische Debatte in den letzten Jahren deutlich verändert. Doch was würde ein möglicher US-Präsident Joe Biden für die Meinungsfreiheit im Internet, für Datenschutz und Netzneutralität bedeuten? Eine Analyse.

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Die vergangene Woche gab es keinen bits-Newsletter. Das waren die relevantesten Texte auf netzpolitik.org:

Tomas Rudl ordnete das US-Kartellverfahren gegen Google ein: Warum das Google-Problem nicht leicht zu lösen ist.

Die Kartellklage des US-Justizministeriums gegen Google erregt weltweites Aufsehen. Erfahrungen aus Europa zeigen jedoch, dass es mehr braucht als Geldstrafen, um die Dominanz großer Tech-Unternehmen einzuschränken.

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Alle Geheimdienste sollen Staatstrojaner erhalten. Diese Nachricht kam parallel zu einer Pressekonferenz, auf der Innenminister Horst Seehofer den aktuellen Stand zur IT-Sicherheit in Deutschland vorstellte. Staatstrojaner funktionieren nur mit Sicherheitslücken – wenn diese ausgenutzt werden, bleiben alle Systeme unsicher. Ein Bärendienst für die IT-Sicherheit. Andre Meister hat Details: Bundesregierung beschließt Staatstrojaner für alle Geheimdienste.

Alle 19 Geheimdienste von Bund und Ländern dürfen demnächst heimlich Geräte hacken. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Lange hatte die SPD Bauchschmerzen, jetzt ist sie umgekippt. Auch die Vorsitzende Saskia Esken war dagegen, jetzt trägt sie den Kompromiss mit.

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Einige Landesmedienanstalten wollen mit Netzsperren gegen unkooperative Pornoseiten-Betreiber vorgehen. Marie Bröckling hat sich die Pläne und grundrechtsfreundlichere Alternativen angeschaut: Was besser wäre, als Pornoseiten zu sperren.

Drei der beliebtesten Porno-Portale in Deutschland stehen kurz vor einer Netzsperre. Wer in Zukunft noch Pornos im Internet gucken will, muss sich wohl erst mit dem Ausweis registrieren. Doch Medienpädagoginnen zweifeln am Sinn solcher staatlicher Kontrollen und schlagen Alternativen vor.

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Vor drei Jahren erschütterte der Cambridge Analytica-Skandal Facebook und die digitale Welt. Jetzt gibt es einen Abschlussbericht der UK-Datenschutzbehörde, der von vielen Medien genutzt wird, den Skandal runterzuspielen. Ingo Dachwitz hat ihn zusammengefasst und kommt zu einem anderen Urteil: Nein, der Cambridge-Analytica-Skandal fällt nicht in sich zusammen.

Die britische Datenschutzbehörde ICO hat ihre Ermittlungen im Fall Cambridge Analytica abgeschlossen. Einige Medien erklären den Skandal nun für aufgeblasen und beendet. Auch wenn die Kritik einen wahren Kern hat: Der Fall bleibt eine der wichtigsten Enthüllungsgeschichten des Jahrzehnts. Eine Bilanz.

Kurze Pausenmusik:

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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Thomas Rudl unterstützt.

Was sonst noch passierte:

Die Diskussion um eine EU-Verordnung gegen Terrorpropaganda geht in die entscheidenen letzten Verhandlungen. Anna Mazgal von Wikimedia Deutschland beschreibt die damit verbundenen gefährlichen Auswirkungen auf die digitale Welt: Terrorist clicks? EU officials continue to push for drastic measures to moderate online communications under the anti-terrorist banner.

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Unsere Ex-Praktikantin Julia Barthel engagiert sich im Rahmen der Code for Germany Initiative der Open Knowledge Foundation Deutschland (OKF). Die Plattform „Jung, digital, engagiert“ hat sie zu ihrem Engagement interviewt: Engagiert für Code for Germany – Im Gespräch mit Julia.

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Unter Corona-Skeptiker:innen wird derzeit gerne auf die “Great Barrington declaration” verwiesen, die sich einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben versucht – und sich für Herden-Immunität ausspricht. In zahlreichen Kommentaren und Leserbriefen wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass „die Medien“ darüber nicht berichten würden. Ein kurzer Blick in die Suchmaschine der Wahl zeigt, das das nicht stimmt, aber das passt dann nicht in das jeweilige kleine Weltbild. Der Guardian hat sich die Initiative, die Macher:innen und die Finanziers mal genauer angeschaut: The pursuit of herd immunity is a folly – so who’s funding this bad science? Die Antwort kann man neben den üblichen Klimakrisen-Leugner:innen einsortieren.

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In der FAZ gab es ein lesenswertes Interview mit der ehemaligen CTO von Barcelona, Francesca Bria, über kommunale Strategien der digitalen Souveränität: Holt Euch Eure Daten zurück!

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Das WDR-Politikmagazin Monitor berichtete über die Pläne der Bundesregierung, mit der Reform des BND-Gesetzes die Massenüberwachung weiter auszubauen und mit der am wenigsten sinnvollen demokratischen Kontrolle auszustatten: Neues BND-Gesetz: Freibrief zur Überwachung?

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Für Vice-Motherboard hat Joseph Cox über einen langen Zeitraum der kanadischen Firma Phantom Secure hinterher recherchiert, die mit verschlüsselten Smartphones zahlreiche Kriminelle ausgestattet hat: The Network: How a Secretive Phone Company Helped the Crime World Go Dark.

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Wer sind die Top-Spender der digitalen Tech-Konzerne im US-Wahlkampf und welchen Kandidaten unterstützen sie? Protocol hat das recherchiert und fand heraus, dass fast alle Joe Biden unter die Arme greifen. Das ist keine Überraschung, aber jetzt dokumentiert: Here are the top political donors from Amazon, Apple, Facebook, Google and Microsoft. Only one is backing Trump.

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Wir stehen in Deutschland wegen der massiv steigenden Corona-Infektionszahlen vor den nächsten Ausgangsbeschränkungen. Viele Eltern haben panisch noch die letzten langen Schulausfälle vor Augen. Seitdem ist leider wenig passiert, unsere Schulen und die Eltern auf die zweite Welle vorzubereiten, die eben schon durch die Tür getreten ist. Bei den Riff-Reportern schreibt Jan-Martin Wiarda über „Sechs Dinge, die die Kultusminister jetzt für Schulen beschließen müssten“.

Audio des Tages: „Pink Resistance“

Der Zündfunk Generator auf Bayern2 blickt auf die Ära von Donald Trump zurück und wie dieser den Mainstream Pop politisierte.

Video des Tages: Gemeinnütziger Journalismus

Im Rahmen des kürzlich stattgefundenen #rpcampus habe ich mit Stefanie Reuter von der Augstein-Stiftung und Christian Schwägerl von den Riffreportern über „Gemeinnützigkeit als Chance – Perspektiven für den Journalismus in Deutschland“ diskutiert und Einblicke in die Arbeit von Non-Profits gegeben. Davon gibt es eine Aufzeichnung auf Youtube.

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Ein Kurzvideo von Tactical Tech beschreibt das System von Microtargeting im politischen Campaigning und die damit verbundenen Gefahren: Your Data, Our Democracy.

Netzpolitik-Jobs

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg sucht eine/n Referent (m/w/d) Medienregulierung. Das ist eine spannende Stelle, weil diese zukünftig dafür zuständig ist, den kommenden Medienstaatsvertrag umzusetzen, wozu auch Plattformregulierung gehört.

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Das Wissenschaftszentrum Berlin sucht für den Schwerpunktbereich „Digitalisierung und gesellschaftlicher Wandel“ eine/n Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (m/w/d) (Postdoc).

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Die von Max Schrems gegründete Organisation Noyb sucht in Wien eine/n Full Stack Web Developer/in mit einem Fokus auf Legal-Tech.

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Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Fraktion Die Linke) sucht eine:n wissenschaftliche:n Mitarbeiter:in für den Bereich Netzpolitik.

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Investigate Europe ist eine transnationale Medienplattform für investigativen Journalismus mit Sitz in Berlin. Aktuell wird ein/e Community Engagement Coordinator/in gesucht. Das ist wohl zwischen Social Media-, Community-Management und Audience Development angesiedelt.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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