Hallo,
Bund und Länder haben sich auf eine gemeinsame Strategie zur Benachrichtigung von Corona-Kontakten mittels App geeinigt. Die Beschlussempfehlung für das Corona-Kabinett und die Beratung mit den Ministerpräsident:innen empfiehlt den Ansatz des PEPP-PP-Konsortiums zur Identifikation und Nachvollziehbarkeit von möglichen Infektionsketten.
Der Ansatz sieht vor, dass Kontaktinformationen in anonymisierter Form mittels Bluetooth-Technologie und für drei Wochen auf den Geräten der Benutzenden ohne die Erfassung des Bewegungsprofils gespeichert werden. Wenn ein Kontakt positiv getestet wurde, sollen alle in der Kette darüber informiert werden, ohne dass man wissen muss, wer genau welcher Kontaktpunkt war. Die Verwendung der Technologie soll auf freiwilliger Basis geschehen.
Alle unabhängigen Tracing-App-Entwickler:innen werden „eindringlich“ gebeten, „das zugrundeliegende Architekturkonzept“ zu nutzen, damit alle Angebote kompatibel seien. „Ein Flickenteppich von nicht zusammenwirkenden Systemen würde den Erfolg der Maßnahme zunichte machen“.
Der Launch der PEPP-PP-Technologie war für diese Woche angekündigt. Sie wurde aber jetzt auf Ende April verschoben. Die Technologie soll Quelloffen sein und offene Schnittstellen zur Verfügung stellen. Wie genau ein möglicher offener Governance-Prozess für eine Mitarbeit zur Weiterentwicklung aussehen wird, ist bisher noch nicht bekannt.
Mit dem Beschluss kommt erst mal Klarheit in die Debatte. In den vergangenen Wochen wurden verschiedenste Szenarien und Anwendungsfälle rund um eine mögliche „Corona-App“ durcheinander geworfen. Am Montag hatten Forschende der Leopoldina in ihren Empfehlungen an die Bundesregierung den Einsatz einer solchen Tracing-App in Verbindung mit GPS-Daten empfohlen. Eine Verbindung beider Technologien würde den anonymen Einsatz zunichtemachen. Es ist gut, dass Bund und Ländern diesen Empfehlungen nicht folgen.
Neues von netzpolitik.org
Die Landesanstalt für Medien NRW will Jugendlichen in Deutschland den Zugang zu Pornos im Internet erheblich erschweren. Wer zukünftig Pornos im Internet gucken möchte, soll einen Ausweis vorlegen müssen. Gedroht wird mit Internetsperrungen. Die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming kritisiert das als Zensur und fordert stattdessen mehr Aufklärung. Marie Bröckling hat sich die Debatte angeschaut: Ohne Perso kein Porno
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Cyber-Krimi: Tödlicher Crash
Die Wiener Netz-Journalistin Barbara Wimmer hat mit „Tödlicher Crash“ ihren ersten Krimi veröffentlicht. Der „Cyber-Wien-Krimi“ thematisiert viele netzpolitische Fragestellungen in einer Geschichte, die auch neue Zielgruppen dafür erreichen soll. Ich hab mit Barbara Wimmer heute telefoniert und sie hat mir mehr über die Story und Hintergründe erzählt, bei der ein Politiker in einem der ersten selbstfahrenden Autos zu Tode kommt. Wir haben auch darüber geredet, wie sich die Coronakrise auf Autor:innen auswirkt, die wie im Fall von Barbara jetzt mit veröffentlichtem Buch im Homeoffice und nicht in Lesungen sitzt. Sie empfiehlt: #buecherhamstern. (MP3)
Wissenswertes zum Coronavirus
Eine spannende und lange Reportage über den Virologen Hendrik Streeck hat das genossenschaftlich organisierte Portal Riffreporter veröffentlicht. Streeck nutzt seine wissenschaftliche Stellung für eine eher entspannte Haltung gegenüber Corona. Vor zwei Monaten sah er die Gefahren durch das Virus noch als Grippe-ähnlich. Auch heute plädiert er für mehr Herdenimmunität und ein schnelles Ende des Lockdowns. Interessant an der Geschichte sind nicht nur seine vielen öffentliche Ratschläge, die sich oft im Nachhinein wie ins Blaue geschossene Zukunftsaussagen von Matthias Horx erwiesen haben. Also irgendwas vorausgesagt, was dann ganz anders passierte. Streeck wird von der PR-Agentur von Kai Diekmann unterstützt und dabei könnte mehr Spin-Doctoring für eine bestimmte öffentliche Perspektive dabei sein, als es scheint: Streeck, Laschet, StoryMachine: Schnelle Daten, pünktlich geliefert.
Vergangenen Freitag haben Apple und Google angekündigt, dass sie gemeinsam an einer Technologie arbeiten, um Covid-19-Infektionen nachzuverfolgen ohne die Privatsphäre der Nutzer:innen zu opfern. Seither rätseln Öffentlichkeit und Fachleute darüber, wie diese bislang lediglich skizzierte Lösung – angekündigt für den Mai – aussehen wird und welche Risiken sie birgt. Schließlich demonstrieren hier zwei der dominantesten Tech-Konzerne der Welt mal eben so, dass sie in dieser Krise möglicherweise mehr Handlungsmacht haben als WHO, UNO oder die Europäische Union. Das US-amerikanische Investigativ-Portal The Markup hat jetzt eine ausführliche Übersicht aller Vor- und Nachteile zusammengestellt – basierend auf dem wenigen, was man bisher weiß und was Expert:innen dazu schätzen.
Weil bisher noch keine Datenschutz-Folgenabschätzung nach DSGVO für eine Corona-Tracing-App veröffentlicht wurde, hat das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) selbst eine solche Risikoanalyse geschrieben. Darin führen die Expert:innen insgesamt elf Angriffsszenarien und 32 mögliche Schutzmaßnahmen auf. Vor allem machen sie aber deutlich, dass nicht nur die technische Infrastruktur wie Apps und Server betrachtet werden müssen, sondern auch technische und soziale Nebenwirkungen. Dazu müsse beispielsweise noch geklärt werden, wie die Freiwilligkeit der Nutzung sichergestellt werden kann und wie etwa falsche, aber folgenreiche Infektionsmeldungen zurückgerufen werden können. Außerdem vermissen sie die technische Umsetzung der Trennung von Personenbezug einerseits und verarbeiteten Daten andererseits.
Was sonst noch passierte:
Mit den sogenannten „Santa Clara Principles“ will die digitale US-NGO Electronic Frontier Foundation (EFF) vor allem große Plattformbetreiber dazu bringen, transparenter mit ihrer Inhaltemoderation umzugehen. Herunterbrechen lassen sich die Prinzipien auf bessere Transparenzreports der Anbieter, eine bessere Kommunikation, wenn sie Inhalte löschen sowie Einspruchsmöglichkeiten für Nutzer, die sich von der jeweiligen Plattform unfair behandelt fühlen. Vor rund zwei Jahren vorgestellt und von Plattformen wie Reddit umgesetzt, will die EFF die Regeln nun erweitern und verbessern. Input der Zivilgesellschaft ist ausdrücklich erbeten und bis Ende Juni möglich.
Kein einziger der deutschen Mobilfunkanbieter hat die Versorgungsauflagen erfüllt, gab gestern die Bundesnetzagentur bekannt. Am besten schneidet noch die Telekom ab, weit abgehängt ist die Telefónica-Tochter o2, welche die Auflagen in allen 13 Flächenbundesländern und für die Hauptverkehrswege mit nur circa 80 Prozent nicht erfüllt hat. Die Erfüllung der Auflagen wäre Anfang 2020 fällig gewesen. Nun geben die Regulierer der Branche bis zum Jahresende Zeit, die aus der LTE-Versteigerung stammenden Vorgaben zu erfüllen, sonst drohen Geldbußen. Die dann im Falle des Falles bitte nicht über drei Ecken über die geplante Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes bezahlt werden. Das wäre schön.
Video des Tages: Die Getriebenen
Der Film „Die Getriebenen“ nach Motiven des gleichnamigen Sachbuches von Robin Alexander rekonstruiert so detailgetreu wie möglich die 63 Tage im Sommer 2015, bevor Angela Merkel ihre Schlüsselentscheidung in der Flüchtlingskrise fällt.
Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
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