[bits] Happy birthday ARD

Hallo,

die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, kurz ARD genannt, feiert heute ihren 70. Geburtstag.

Ich bin froh, dass wir uns in Deutschland ein solches System leisten, auch wenn es viele Dinge zu reformieren gibt. Aber nicht an allem sind immer die Sender Schuld, viele Missstände kamen durch die Politik, die leider immer noch zu viel Einfluss auf die Sender hat, als es sinnvoll wäre.

Ich hätte gerne einen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, der selbstverständlich soviel wie möglich aus den eigenen Archiven ins Netz stellen kann und der nicht durch Depublizierungspflichten künstlich daran gehindert wird. Ich hätte gerne Sender, die selbstverständlich überall dort, wo es geht, ihre Inhalte auch mit freien Lizenzen veröffentlichen, damit wir die von uns mitbezahlten Beiträge auch selbst nutzen und teilen können. In der Wikipedia und überall sonst.

Ich würde mich auch über mehr Experimente freuen und wünsche dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk mehr Freiheit und Geld, diese Experimente auch mit den vielen klugen und experimentierfreudigen jungen Menschen im eigenen System und vor allem im Netz auszuprobieren. Die verantwortlichen Politiker:innen sollten auch endlich mal das absurd-anachronistische Verbot „presseähnlicher Angebote“ im Netz abschaffen, das unnötige künstliche und vor allem total absurde Fesseln mit sich bringt.

Häufig habe ich das Gefühl, dass es viele junge und innovative Menschen in dem System gibt, diese oft noch an Vorgesetzten und Strukturen scheitern, die mit Radio und Fernsehen sozialisiert worden sind – und denen auch häufig der Mut zu Experimenten fehlt, vielleicht weil es auch noch mehr Fehlerkultur in diesem System braucht.

Insofern: Happy birthday ARD! Ich hoffe, dass wir diesen Geburtstag noch lange feiern können. Ein Blick in die Staaten, die kein Öffentlich-Rechtliches System (mehr) haben, zeigt, welch großen Luxus wir uns leisten und dass wir trotz aller Fehler im System darauf Stolz sein können.

Die Tagesschau erklärt in 90 Sekunden, wie es zur Gründung kam und wie das aussah: Als Fernsehen zum Massenmedium wurde.

Neues auf netzpolitik.org:

Auf netzpolitik.org haben wir bereits vor Jahren einen monatlichen Transparenzbericht gestartet, auch weil uns als Spenden-finanziertes Medium bewusst war, das größtmögliche Transparenz bei den Einnahmen und Ausgaben das Vertrauen in unseren Journalismus stärken kann. Damit waren wir Pioniere, aber noch immer praktizieren viel zu wenig Spenden-finanzierte Medien eine solche Transparenz, was ich persönlich schade finde.

Normalerweise hab ich den immer geschrieben, seitdem ich wochentäglich diesen Newsletter kuratiere und schreibe, komme ich nicht immer zu anderen Sachen. Aber unsere Stefanie Talaska hat zum Glück die Aufgabe übernommen, erst mal die Transparenzberichte weiter zu schreiben. Und in der März-Ausgabe schildert sie auch etwas, wie unsere Redaktion ins Home-Office gerutscht ist: Unsere Einnahmen, Ausgaben und eine Pandemie im März 2020.

Die letzten 90 Tage waren anders. Welke Pflanzen, kein Tippen von nebenan, kein Lachen, kein „Wie läufts bei dir?“ an der Kaffeemaschine. Aber auf euch können wir uns verlassen!

Bisher war unklar, ob Zivilcourage im Netz im Sinne einer Gegenrede so wirksam ist, wie viele hoff(t)en. Daniel Laufer hat jetzt gute Nachrichten: „Neue Studie zeigt Wirksamkeit von Gegenrede im Netz“.

Forschende haben an einem Institut in den USA erstmals in großem Umfang untersucht, wie sich Gegenrede im Netz auf Hassrede auswirkt. Dazu trainierten sie zuerst anhand von Reconquista Germanica und Reconquista Internet einen Algorithmus – und erforschten mit diesem, wie Gegenrede den Diskurs verändert.

Vor drei Jahren hat das Innenministerium die Plattform linksunten.indymedia.org verboten. Das kann als Präzidenzfall Einfluss auf die Meinungs- und Informationsfreiheit bei uns haben. Markus Reuter berichtet jetzt, dass „Verfassungsbeschwerde gegen Verbot von Linksunten Indymedia“ eingelegt wurde. Viel Erfolg.

Im Wahlkampf 2017 hatte das Bundesinnenministerium die linke Plattform linksunten.indymedia.org mittels des Vereinsrechts verboten. Dagegen klagten die Betroffenen vor dem Bundesverwaltungsgericht – und scheiterten. Jetzt ziehen sie vor das Bundesverfassungsgericht.

Eine repräsentative Befragung zur Corona-App bestätigt unsere Argumente, wie Constanze Kurz zusammenfasst: Nutzer wollen Kontrolle und Freiwilligkeit.

Findet die Corona-App zur Kontaktverfolgung so viel Akzeptanz, dass Millionen Smartphone-Nutzer sie herunterladen werden? Eine Auswertung einer repräsentativen Befragung zeigt, unter welchen Bedingungen Smartphone-Besitzer dazu bereit wären.

Was sonst noch passierte:

Die Webseite corona-tracing.cryptool.org zeigt anschaulich mit schönen Animationen, wie datenschutzfreundliche Tracing-Apps funktionieren (können). Also zumindest technisch. Ob das Experiment auch sozial funktioniert, wissen wir noch nicht. Ich bin gespannt.

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Eine Studie zu einfachen Mund-Nasen-Masken legt nahe, dass sie tatsächlich eine Schutzwirkung gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben. Dazu wurden Menschen in Jena untersucht, der Stadt, wo zuerst eine Masken-Pflicht eingeführt wurde. Und wo es signifikant weniger Ansteckungen gab als in vergleichbaren Städten: Studie bestätigt Schutzwirkung von Masken.

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Inden USA hat IBM jetzt angekündigt, keine Dienstleistungen mehr rund um automatisierte Gesichtserkennung anzubieten, die für Massenüberwachung und racial profiling genutzt werden können. Das ist eine gute Sache, nicht nur weil IBM einer der größten IT-Dienstleister ist, sondern auch weil es hoffentlich ein Zeichen setzt. IBM ist historisch etwas vorbelastet. Die Nazis konnten mit Hilfe der Hollerith-Systeme den Holocaust optimieren. In einem Brief an den US-Senat beschreibt der IBM-Chef die eigenen Beweggründe: IBM CEO’s Letter to Congress on Racial Justice Reform.

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Für eine Tagesspiegel-Reportage ist Sebastian Leber nach Guben gefahren, wo 1999 ein Asylbewerber auf der Flucht vor Rechten verprügelt wurde. Das Nazi-Problem existiert dort leider immer noch: „Sie können sich da frei bewegen. Sie sind doch weiß, oder?“

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Spiegel-Online hat ein Interview mit Stefan Münz gemacht, der vor 25 Jahren die SelfHTML-Community gründete, die viele Menschen im deutschsprachigen Raum mit dem notwendigen Handwerkswissen vertraut gemacht hat, wie man Webseiten baut(e): „Eine Grundidee des Internets ist verloren gegangen“.

Audios des Tages: Preprints und Snowden

Das Weizenbaum-Institut behandelt in einem Podcast die Frage „Wie verändert die Corona-Pandemie das wissenschaftliche Publizieren?“. Mit dabei sind der Organisationsforscher Maximilian Heimstädt und der Radiologe Sönke Bartling.

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Die Tech-Journalistin Kara Swisher hat den Journalisten Bart Gellman zu seinem Buch über die Snowden-Enthüllungen interviewt und die beiden reden darüber, was von den Enthüllungen geblieben ist: What is Edward Snowden’s legacy? Das ist mehr als man denkt, auch das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Netzüberwachung des BND ist eine direkte Folge aus den Enthüllungen, weil die Praktiken unseren Auslandsgeheimdienstes erst richtig durch den NSA-Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag ans Licht kamen.

Video des Tages: John Oliver zu Polizeigewalt und Telegram

Die Late Night Show mit John Oliver hat fulminant in knapp einer halben Stunde die Debatte um Polizeigewalt in den USA zusammengefasst und kommentiert. Sehenswert.

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Der Funk-Kanal Walulis erklärt in zehn Minuten, was alles auf Telegram zu finden ist, dem „Darknet des kleinen Mannnes“: Die schlimmste App der Welt. Wer mal raus finden möchte, was Xavier Naidoo und andere dort machen, findet hier eine gute Zusammenfassung in zehn Minuten. Einziger Minuspunkt: Ich finde die Stimme des Moderators etwas anstrengend, das kann aber auch an meinem Alter liegen.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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