Hallo,
die EU-Datenschutzgrundverordnung feiert heute den zweiten Geburtstag ihrer Umsetzung. Die Gesetzgebung bringt uns zwar mehr Rechte, aber an der Durchsetzung mangelt es immer noch. Ein Nadelöhr ist die Zuständigkeit der irischen Datenschutzbehörden für die großen Datenkonzerne Facebook, Twitter, Google und Microsoft.
Die hatten sich alle in Irland angesiedelt, weil man dort englisch spricht, die Steuern niedrig waren und man auf dem europäischen Binnenmarkt agieren konnte, ohne zu viel Stress mit Datenschutzbehörden zu bekommen. Denn Irland hatte an einer effektiven Durchsetzung weniger Interesse als an der Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist schön für die großen US-Unternehmen und für den irischen Staat, aber schlecht für unsere Grundrechte.
In der Praxis bedeutet das aber heute, dass man durch die DSGVO auf dem Papier mehr Rechte gegen Facebook, Google und Co hat. In der Praxis kann man sich bei seinen nationalen Behörden beschweren, denen sind aber noch die Finger gebunden und sie können die Beschwerden nur nach Irland weiterschicken, wo sie dann eher versanden. Oder man zieht direkt in Irland vor Gericht, das fällt den meisten Betroffenen aber auch schwer und nur die wenigsten verfügen über die dafür notwendigen finanziellen, zeitlichen, juristischen und sprachlichen Ressourcen. Der österreichische Aktivist und Jurist Max Schrems hat das schon erfolgreich gemacht. Den zweiten Jahrestag der DSGVO nutzt er, um in einem offenen Brief auf diese Probleme hinzuweisen und Vorwürfe gegen die irische Datenschutzaufsicht zu erheben, wie Alexander Fanta zusammenfasst: Kritik an „geheimen Absprachen“ Facebooks mit Aufsicht.
Dazu passt auch eine andere Geschichte vom Ende der vergangenen Woche. Thomas le Bonniec arbeitete im vergangenen zwei Monate lang für einen Subdienstleister von Apple in Irland und war dafür zuständig, die Qualität der Apple-Sprachsteuerung Siri zu verbessern. Diese Art von Qualitätsmanagement muss man sich als eine Art Call-Center vorstellen, wo man die Sprachbefehle von Nutzer:innen hört und analysiert, ob sich die „Künstliche Intelligenz“ hinter Siri passend verhalten hat oder nach gesteuert werden muss. So weit so gut. Etwas unglücklich, um das mal diplomatisch auszudrücken, war sicherlich, dass die Konzerne ganz vergessen hatten, darauf hinzuweisen, dass sie aus Gründen des Qualitätsmanagements das, was wir in vielen privaten Situationen unseren Sprachassistenten erzählen, speichern und häufig von menschlichem Personal abhören lassen. Hatte man ganz vergessen, als man „Vertraut uns“ in die Werbebroschüren der Sprachassistenten schrieb und alle Konzerne haben das erst einzeln zugegeben, als sie durch Whistleblower und journalistische Recherchen damit konfrontiert wurden.
Thomas le Bonniec berichtet von mitgehörten Drogendeals und Gesprächen mit sexuellen Inhalten und wirft Apple jetzt als Whistleblower vor, auch weiterhin massenhaft entsprechende Daten zu sammeln und damit Datenschutzregeln zu umgehen. Und er fordert die europäischen Datenschutzbehörden auf, besser dagegen vorzugehen. Daniel Laufer hat die Details: Siri – Die freundliche Spionin.
Ich persönlich hab mich mein langes Computerleben darauf gefreut und darauf gewartet, irgendwann mal endlich die Brückentechnologien Maus und Tastatur hinter mich zu lassen. Und jetzt, wo es Sprachassistenten gibt, hab ich keine Lust darauf, diese zu nutzen. Einfach weil ich den Herstellern dahinter nicht vertrauen kann und wir noch keine datenschutzfreundlichen und offenen Alternativen haben. Solange tippe und klicke ich weiterhin vor mich hin.
Wissenswertes zur Coronakrise:
Bisher ging man davon aus, dass man als Pollen-Allergiker nach Regen sofort lüften sollte. Neuere Forschung geht davon aus, dass das leider nicht stimmt. Denn Regen lässt Pollenkörner zerplatzen und die kleineren Einzelteile bleiben anschließend länger in der Luft und können heftigere Beschwerden auslösen als ohne Regen: Warum Regen für Allergiker gefährlich sein kann. Das ist natürlich gerade eine große Herausforderung: Wegen Corona lüften oder wegen Heuschnupfen Fenster geschlossen halten?
Das Land Berlin hat eine interessante Corona-Ampel als Warnsystem vorgelegt, die mit den drei Variablen Reproduktionszahl, Neuinfektionen und Intensivbetten arbeitet. Bei der Reproduktionszahl gibt es jetzt schon rot, weil diese aktuell bei 1,37 steht. Worum es genau bei der Ampel geht, beschreibt der Tagesspiegel.
Verschiedene Staaten haben verschiedene Corona-Apps mit unterschiedlichen Technologien. Das macht es schwer, diese untereinander zu vergleichen. Wir haben früh gesagt, dass bestimmte Technologien wie Funkzellenauswertung einfach nicht funktionieren werden und viele negative Nebenwirkungen haben werden. Für die am ehesten geeignete Bluetooth-Technologie gibt es erst seit dieser Woche eine gute Unterstützung in den Betriebssystemen von Apple und Google. Alle bisherigen Versuche waren Bastellösungen.
Zugleich ist aber auch klar, dass der Sinn und Zweck einer solchen App zur Verfolgung von möglichen Infektionsketten erst noch bewiesen werden muss. In Australien hat man jetzt mitgeteilt, dass man mit der dortigen App und trotz guter Verbreitung eine infizierte Person identifiziert habe: How did the Covidsafe app go from being vital to almost irrelevant? Es sieht nach einem Mix aus Akzeptanzschwierigkeiten, Problemen mit den Bluetooth-Verbindungen und übersteigerten Erwartungen aus.
Die Logo-Kindernachrichten haben das Thema Verschwörungsmythen anschaulich und in einfacher Sprache erklärt: Bedrohen dunkle Mächte die Welt?
Drei Blogger aus Wuhan sind verschwunden. Sie berichteten über den Corona-Ausbruch, teils mit erschütternden Videoaufnahmen. Einen von ihnen nahm die Polizei fest, seitdem fehlt jede Spur von ihm. Zwei andere seien in Quarantäne geschickt worden. Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen kritisieren die mangelnde Transparenz der chinesischen Regierung im Umgang mit Informationen zum Coronavirus.
Was sonst noch passierte:
Das große netzpolitische Thema vor elf Jahren waren die damaligen Pläne der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, Stoppschilder im Netz aufzubauen, um den Zugang zu bestimmten Webseiten zu behindern. Das war aus technischer Sicht dasselbe, was auch repressive Staaten einsetzen, um den Zugang zu anderen bestimmten Webseiten zu behindern, nämlich eine Zensurinfrastruktur.
Die schwarz-gelbe Koalition hat das Zugangserschwerungsgesetz nach massiven Protesten als eine der ersten Amtshandlungen 2010 wieder abgeschafft und seitdem waren Netzsperren zum Glück politisch tot. Das ändert sich jetzt wieder durch die Landesmedienanstalt NRW, die den netzpolitischen Zombie wieder herausholt, um gegen Porno-Seiten vorgehen zu können. Torsten Kleinz fasst in der c’t die Debatte zusammen: Die Wiederkehr der Websperren.
Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht verkündet, dass das BND-Gesetz in Teilen verfassungswidrig ist. Daniel Moßbrucker hat für Reporter ohne Grenzen die Klage mit vorbereitet und beschreibt ausführlich in seiner Analyse die möglichen Auswirkungen auf die Pressefreiheit: Was heißt Quellenschutz im Zeitalter digitaler Massenüberwachung?
Das US-Radio NPR hat den Journalisten Barton Gellman 43 Minuten lang zu seinem neuen Buch interviewt, in dem er aus seiner Sicht auf die Snowden-Enthüllungen zurückblickt, die er damals für die Washington Post begleitet hat: Journalist Who Helped Break Snowden’s Story Reflects On His High-Stakes Reporting
Es gibt verschiedene Personen des öffentlichen Lebens, die mir etwas Angst vor dem älter werden machen. Roland Tichy und Peter Hahne gehören dazu. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich in deren Alter nie so selbstgerecht und gehässig über gesellschaftlichen Fortschritt reden werde, wie die beiden in einem Gespräch über geschlechtergerechte Sprache, das im Netz zu finden ist.
In den USA steigt die Angst, dass Donald Trump zwar die kommenden Präsidentschaftswahlen verlieren, aber die Macht nicht abgeben könnte. Über die Sorgen, die leider nicht ganz unberechtigt sind, und die Debatte darum, berichtet die New York Times: Trump Sows Doubt on Voting. It Keeps Some People Up at Night.
Die New York Times wiederum hat ihre Wochenendausgabe dazu genutzt, viele der Corona-Toten in den USA mit einem Kurzportrait auf ihrer Titelseite zu würdigen. Im Netz ist das auch schön und angemessen umgesetzt worden, auch wenn das Thema sehr traurig ist: An Incalculable Loss.
Im Oktober 1989 wurde der KC compact der Öffentlichkeit vorgestellt, dann fiel die Mauer. Der letzte Heimrechner made in GDR war nach der Markteinführung 1990 nicht gerade ein Verkaufsschlager, da half auch der dreistimmige Soundchip nicht. Heute ist er ein Sammlerstück.
Viele Künstler:innen leiden beruflich besonders unter der Coronapandemie. Schließlich hat sich deren Haupt-Einnahmequelle – Live-Auftritte vor vielen Menschen, oft in geschlossenen Räumen – bis auf weiteres in Luft aufgelöst. Einige weichen deshalb auf Internet-Plattformen aus, um zumindest den Kontakt zum Publikum nicht zu verlieren. Doch selbst das will nicht so recht gelingen: Musiker:innen, die Stücke längst verstorbener Komponisten wie Mozart, Bach et al streamen wollen, scheitern regelmäßig an automatisierten Uploadfiltern. Oder daran, dass Plattformen wie Youtube oder Facebook Urheberrechtsansprüche großer Labels durchwinken, ohne sie zu überprüfen.
Spiel des Tages: Hitchhiker’s Guide to the Galaxy
Als ich klein war und viel Zeit für Computerspiele hatte, übten die Infocom-Textadventures eine große Faszination auf mich aus. Das Problem war nur, dass ich zu wenig von den Geschichten dahinter verstand und vor allem nur rudimentär englisch konnte. Ich scheiterte also immer daran, weit zu kommen. Eigentlich kam ich überhaupt nirgends hin, aber ich versuchte es immer wieder. Das größte und bekannteste Infocom-Adventure war „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“.
Heute ist Towel-Day und viele Nerds rennen an diesem Tag mit einem Handtuch über die Schulter herum, um an die Geschichte zu gedenken, die in eben diesem Textadventure spielbar war. Und die ich erst später verstand, als ich das erste Mal die Bücher von Douglas Adams las. Das Textadventure konnte ich später mal etwas weiter spielen, als die BBC zum 30. Geburtstag des Spieles eine Browser-Version präsentierte, die immer noch im Netz steht. Jetzt kann ich besser englisch, ich kenne auch die Geschichte, mir fehlt nur die Zeit und Muse, es mal endlich zu Ende zu spielen.
Video des Tages: Pet Sounds
Wenn man an die Beach Boys denkt, hat man ihre gut gelaunten Strandhymnen aus den 60ern im Kopf. Was viele nicht auf dem Schirm haben, ist, dass die Beach Boys mit „Pet Sounds“ 1966 einen Meilenstein der Musikkultur veröffentlichten, wo halt einfach nur keine Radiotauglichen Songs drauf waren, die sich ins Gedächtnis brannten. Die Arte-Dokumentation „The Beach Boys Pet Sounds – Classic Album“ erinnert an das Album und seinen großen Einfluss auf zahlreiche folgende Musiker:innen.
Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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