Hallo,
wir haben bei netzpolitik.org ein vierwöchiges Experiment gestartet: Ein Vorschaltbanner. Man kennt es vielleicht von zahlreichen anderen Seiten, die sich über Spenden finanzieren oder auf ihre sonstigen Finanzierungswege hinweisen: Bevor man auf einen Artikel kommt, gibt es einen kurzen Hinweis, dass dieser Beitrag durch Spenden finanziert wurde und man die Arbeit auch unterstützen kann. Das ist manchmal nervig, kostet aber auch nur einen kurzen Moment mit Klick und man wurde wieder daran erinnert, wodurch der Artikel mit entstanden ist.
Um Geld bitten, um die Arbeit machen zu können, ist häufig schwierig, man fühlt sich teilweise nicht gut dabei. Das geht unserer Redaktion auch so. Die einen sehen es als notwendiges Übel, die anderen würden am Liebsten ganz drauf verzichten.
Aber es ist nun mal der Finanzierungsweg, für den wir uns mangels Lottogewinn entschieden haben. Und zwar, weil wir unabhängig von Werbung sein wollen und die Werbe-Ökosysteme mit ihrem intransparenten Tracking und riesiger Datensammelei ablehnen. Wir wollen gleichzeitig auch keine Paywall, bei der nur zahlende Leser:innen Zugriff auf unsere Inhalte haben, obwohl das ein ehrlicher Deal im Journalismus sein kann: Bezahlung gegen Inhalt. Wir wollen aber möglichst viele Menschen erreichen und allen unsere journalistischen Inhalte zugänglich machen. Produkte wollen wir auch nicht vermarkten.
Wir haben einfach eine Mission: Wir wollen über netzpolitische Themen berichten, Einordnen, Recherchieren, Aufklären und uns für mehr digitale Grundrechte mit den Mitteln des Journalismus einsetzen.
Ich habe viel Kontakt zu unseren Leser:innen, außerhalb von Corona-Zeiten mehr als derzeit, weil das gerade nur virtuell stattfindet. Mich überrascht immer wieder, wie häufig die Frage gestellt wird, wie wir uns finanzieren.
Aus Sicht unserer Redaktion ist das sehr einfach: Wir kommunizieren unsere Einnahmen und Ausgaben ausführlich in einem monatlichen Transparenzbericht und weisen am Ende eines Artikels in einem farblich abgehobenen Kasten auf die Finanzierung durch Spenden hin. Den Transparenzbericht liest aber nur ein Teil unserer Leserschaft, weil er vielleicht nur einen oder wenige Tage sichtbar ist. Und dann muss man auch noch über die Startseite gehen. Dort gibt es auch Spendenhinweise, aber da klicken nicht viele drauf.
Nutzungsgewohnheiten haben sich seit den ersten Artikeln im Blog massiv verändert. Viele kommen nur noch über Empfehlungen in sozialen Medien auf redaktionelle Inhalte und dann liest man einen Artikel, klickt sich aber nicht unbedingt über die Startseite weiter. Den Spenden-Hinweis am Ende des Artikels nehmen viele nicht wahr, weil sie (bei längeren Artikeln) vielleicht zwischendurch abspringen oder bei vielen das Gehirn schon so trainiert ist, alles, was nach Werbe-Bannern aussehen könnte, automatisiert auszublenden, quasi der eigene Adblocker im Kopf.
Wir probieren jetzt mal diesen Monat eine Vorschaltseite aus, auch wenn ein paar Leser:innen angekündigt haben, deswegen ihre Spenden an uns zu kündigen. Vielleicht sehen wir am Ende, dass es keine Auswirkungen auf unsere Spenden hat. Vielleicht sehen wir aber auch einen Anstieg. Vielleicht entstehen in dem Monat durch Dialog mit unserer Leserschaft bessere Ideen, wie wir die Herausforderungen mit anderen Mitteln besser angehen können. Wir werden es sehen, das ist das Schöne an Experimenten. Bis dahin freuen wir uns über Feedback in den Kommentaren unter dem Artikel: Wir testen im September ein Vorschaltbanner. Wie findet ihr das?
Neues auf netzpolitik.org:
Alexander Fanta über „So überwacht Amazon seine Beschäftigten in den USA“:
Jeder Hangriff wird aufgezeichnet, Austausch zwischen Kolleg:innen sofort unterbunden – ein neuer Bericht über die Arbeitsbedingungen bei Amazon liefert Gründe, nicht mehr dort einzukaufen.
Chris Köver erklärt neue Exportregeln aus China: China zieht Barrieren für den Verkauf von TikTok hoch.
Während in den USA das Rennen um das US-Geschäft von TikTok in die Schlussrunde geht, führt China kurzfristig neue Hürden ein. Eine Änderung der Exportregeln könnte den Verkauf der chinesischen App von einer Genehmigung abhängig machen.
Benjamin Bergemann schreibt in einem Gastbeitrag zum zehnten Geburtstag der „Digitalen Gesellschaft“: Der Kampf für digitale Grundrechte geht weiter.
Vor zehn Jahren wurde der Verein Digitale Gesellschaft gegründet. In seinem Gastbeitrag wirft DigiGes-Vorstand Benjamin Bergemann einen Blick zurück auf dieses Stück netzpolitischer Geschichte und denkt über das Engagement für Freiheit und Demokratie im digitalen Zeitalter nach.
Kurze Pausenmusik:
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Feedback und sachdienliche Hinweise bitte an markus@netzpolitik.org schicken.
Was sonst noch passierte:
Der Spiegel erklärt das langjährige Politik- und Marktversagen beim Glasfaserausbau: Das Glasfaser-Debakel und seine Gründe.
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Google bietet jetzt auch die explizite Suche nach Creative-Commons-lizenzierte Inhalte an: Learn how to find image licensing information on Google Images. Bisher bot nur Yahoo eine solche Möglichkeit an, aber ich kenne niemanden, der heute noch die Suchmaschine nutzt. Unser redaktionelle Alltag besteht auch daraus, dass wir auf einzelnen Plattformen wie Unsplash oder Flickr Bilder suchen, die für eine solche Nutzung lizenziert sind. Mit der Funktion von Google gibt es mehr Inhalte zu finden.
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Die Broschüre „Kulturelles Erbe digital – Eine kleine Rechtsfibel“ von iRights.law erklärt für die Zielgruppe Archive und Bibliotheken, wie man mit juristischen Fragen rund um das Urheberrecht und Persönlichkeitsrechten umgehen kann.
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Algorithmwatch und die Bertelsmann-Stiftung haben einen gemeinsamen Report vorgestellt, wie algorithmische Entscheidungssysteme in der Coronakrise in unterschiedlichen europäischen Staaten neu eingeführt wurden: ADM System in die the COVID-1ß pandemix: A european perspective.
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Auf der Anti-Corona-Demo am Wochenende ist es nach Angaben von ver.di zu Angriffen auf sieben Kamerateams und 15 weitere Reporter gekommen. Diese seien „bedrängt, beleidigt, bespuckt und geschlagen“ worden: Verdi: – Zahlreiche Journalisten angegriffen.
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Im Bundestag hat sich die Opposition entschlossen, einen neuen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der die Rolle der Bundesregierung und nachfolgenden Behörden beim Wirecard-Finanzskandal untersuchen soll: Opposition will Untersuchungsausschuss im Fall Wirecard einsetzen.
Aktuell gibt es bereits drei Untersuchungsausschüsse in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Dort werden der Terroranschlag zum Breitscheidplatz, das Maut-Debakel und zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium behandelt. Die Große Koalition bietet mehr Potential für weitere Untersuchungsausschüsse. Aus Sicht einer Oppositionsfraktion ist das aber immer auch eine strategische Frage, wofür man zusätzliche Ressourcen bereitstellen kann. Daher wird immer genau abgewogen, für welchen Skandal man das machen möchte und kann. Das ist jetzt bei Wirecard der Fall, zumal hier sowohl das Bundeskanzleramt, das Wirtschaftsministerium als auch das Finanzministerium in der Kritik stehen und damit sowohl SPD als auch CDU/CSU.
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Dazu passt auch die folgende Meldung: Mitarbeiter:innen der der obersten deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin haben im vergangenen Jahr fleißig mit Wirecard-Aktien gehandelt. Mir war bis heute nicht bewusst, dass die das dürfen und instinktiv hätte ich gedacht, dass es dafür klare Regeln geben müsste. Gab es aber bisher nicht: Bundesregierung will Aktiengeschäfte von Bafin-Mitarbeitern einschränken.
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Die Große Koalition hat in Folge der Amthor-Affäre ein Lobbyregister versprochen. Das soll jetzt aber nicht für das Kanzleramt und die Bundesministerien gelten. Hans-Martin Tillack kommentiert das im Stern-Blog und findet das Agieren grotesk: Angela Merkel blockiert ein Lobbyregister für die Bundesregierung, mit peinlichen Ausreden.
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Das ZDF hat eine Scroll-Dokumentation zu fünf Jahren „Wir schaffen das“ mit einem Faktencheck veröffentlicht. Das Ergebnis ist, dass es ganz gut geklappt hat.
Videos des Tages: Kenosha mit Meryl Streep
„The Late Night Show“ mit John Oliver hat sich jetzt auch mit dem Republikaner-Parteitag und den Shootings in Kenosha beschäftigt.
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Meryl Streep ist eine der besten und erfolgreichsten noch aktiven Schauspielerinnen. Ich hab sie gerade noch in der zweiten Staffel von „Little Big Lies“ (Ganz große Serie, was für ein Cast!) für ihre Rolle bewundert. In der Arte-Mediathek gibt es eine Dokumentation über ihr Leben: Die unverstellte Göttin.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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