[bits] Innenministerium plant universelle Personenkennziffer

Hallo,

vor 13 Jahren führte die Bundesregierung die Steuer-Identifikationsnummer ein. Das geschah vor dem Hintergrund, dass zurecht bei solchen Entwicklungen vor dem „gläsernen Bürger“ gewarnt wurde. Die Bundesregierung versprach damals, dass die Steuer-ID keine universelle Personenkennziffer wird. Genau das hat jetzt aber das Bundesinnenministerium vor: Innenministerium will trotz besserer Alternative zentrale Personenkennziffer einführen.

Wir haben den Gesetzentwurf zur Registermodernisierungsgesetzes veröffentlicht, in dem das nachzulesen ist. Das Vorhaben dürfte verfassungswidrig sein, was bekanntermaßen die Große Koalition selten abhält, solche Pläne trotzdem durchzuziehen, auch wenn der Bundesverfassungsgericht in einigen Jahren ein Urteil gegen das Gesetz fällen könnte.

Man macht jetzt Nägel mit Köpfen, auch um das Bundesverfassungsgericht dann vor vollendete Tatsachen zu stellen und zu hoffen, dass es bereits getätigte Investitionen berücksichtigt. Begründet wird das damit, dass man jetzt Geld und Zeit sparen möchte. Ingo Dachwitz ordnet das in einem Kommentar ein und hat Alternativvorschläge: Das Grundgesetz darf keine Kostenfrage sein.

Mit etwas mehr Zeit und Geld könnte die Bundesregierung eine datenschutzfreundlichere Alternative umsetzen – ohne dass das Gesetz gleich wieder in Karlsruhe zur Überprüfung landen muss. Die Einhaltung von Datenschutz und Grundgesetz sollte nun wirklich nicht am Geld scheitern.

Ein weiteres schönes Beispiel für die goldene Regel der Überwachungsdebatte: Wenn Datenbanken erstmal geschaffen werden, diskutieren wir nur noch über die Ausweitung und Zusammenführung.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Am Wochenende mobilisieren alle neurechten Netzwerke, rechtsradikale Parteien und sonstige Corona-Leugner:innen zu einer Demonstration gegen Masken, fantasierte „Zwangsimpfungen“ und teilweise auch Chemtrails nach Berlin. Der Hintergrund im Deutschlandfunk ordnet die Anti-Corona-Proteste ein: Warum Verschwörungsideologien die Demokratie gefährden.

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Nach der Affäre um Philipp Amthor versprach die Große Koalition ein lange gefordertes Lobbyregister. Davon gibt es jetzt einen Entwurf bei FragdenStaat zu lesen. Zu mehr Transparenz wird dieser Entwurf leider nicht führen: Wir veröffentlichen den ersten Entwurf dazu – er zeigt erhebliche Schwächen.

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Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny wurde vergiftet und wird gerade in der Berliner Charité behandelt. Gwendolyn Sasse, Wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und Internationale Studien in Berlin, erklärt im Interview mit Tagesschau.de das Programm und Wirken von Nawalny: Schlüsselfigur ohne Festlegungen.

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Gratulation ans Handelsblatt für die beste Überschrift des Tages: Vom Influencer zum Insolvenzler – Finanzämter nehmen Social-Media-Stars in den Fokus. Sogenannte Influencer:innen bekommen häufig geldwerte Vorteile, nicht alle geben das bei der Steuer an.

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Bei Deutschlandfunk Kultur wurde der Molekularbiologe und Biohacker Rüdiger Trojok zu der aktuellen Netflix-Serie Biohacker über die Thematik interviewt. Er sieht die Serie eher als Zukunftsszenario, aktuell würden dort dargestellte Möglichkeiten nicht real angewendet werden können: Die eigene Küche ist kein Genlabor.

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Das Lincoln-Projekt besteht aus republikanischen Trump-Gegnern und wird gerade häufig in Medien für ihren Anti-Wahlkampf thematisiert. Annika Brockschmidt hat bei Übermedien eine gute Einordnung geschrieben: Wahlkampf gegen Trump.

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Es ist Gamescom-Woche im virtuellen Exil und deshalb gibt es viele Beiträge zum Thema Computerspiele. Die SWR2-Sendung Geld, Markt, Meinung hat dazu einen Schwerpunkt mit interessanten Interviews und Einordnungen: Spielend durch die Krise: Die Games-Branche als Corona-Gewinner?

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Bei WDR5 wird der Einfluss von Games auf das Militär thematisiert: Das ist kein Spiel – Wie Games die militärische Ausbildung prägen. Früher prägten militärische Inhalte und Entwicklungen die Games-Industrie. Heute übernehmen Militärs Design, Mechanik und Psychologie von Games für die Ausbildung.

Video des Tages: Wildes Herz

Die Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ aus Mecklenburg-Vorpommern hat eine klar antifaschistische Haltung. Und wird durch ihren Erfolg, aber auch ihre Wirkung und ihr Engagement gegen Rechte massiv von rechter Seite angefeindet. Der Dokumentarfilm „Wildes Herz“ des Schauspielers Charly Hübner ist eine kleine Liebeserklärung an die Band, die eine großartige Live-Band ist. Jetzt in der ARD-Mediathek.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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