[bits] Irgendwas mit Zerstörung und Presse

Hallo,

vor zwei Wochen jährte sich zum ersten Mal die Veröffentlichung von „Die Zerstörung der CDU“ auf Youtube, die den bis dahin vielen unbekannten Künstler Rezo in die politisch-mediale Sphäre katapultierte. Über das Video und die Auswirkungen habe ich bereits in einer Laudatio zur Verleihung des UmweltMedienPreises reflektiert.

Vorgestern präsentierte Rezo mit „Die Zerstörung der Presse“ ein neues einstündiges Video, in dem er ein Plädoyer für guten Journalismus und mehr Medienkompetenzvermittlung ablieferte. Markus Reuter hat das gut zusammengefasst.

Rezo ist im vergangenen Jahr in eine mediale Rolle gerutscht, in der er häufig auch als Projektionsfläche dient. Zuletzt bekam er den Henri-Nannen-Preis als bestes Web-Projekt für sein CDU-Video verliehen. Anschließend folgte wieder die klassische Debatte, ob Rezo überhaupt ein Journalist sei und für sein Schaffen solche Preise bekommen dürfe.

Die Debatte kam mir bekannt vor. Für dieses Blog wurden mir früher auch schon journalistische Preise verliehen – noch bevor mir bewusst war, dass ich Journalismus machen will und mich als Journalist sehe. Medienöffentlichkeiten verändern sich eben und wir werden noch viel mehr Hybridformen sehen.

Schon lange vor dem Nannen-Preis hatte ich die Idee, mit Rezo auf der re:publica über sein Selbstverständnis und seine Rolle zu sprechen, ein Jahr nach seinem Video. Die re:publica fiel bekanntlich ins analoge Corona-Nirvana, dafür gab es die re:publica im virtuellen Exil. In deren Rahmen haben wir dann das geplante Gespräch geführt. Darin geht es auch um seine Arbeitsweise und sein Geschäftsmodell als Künstler, der intensiv soziale Medien nutzt.

Da wir die Aufzeichnung für die re:publica in einem kleinen Greenscreen-Studio gemacht haben und wir beide noch mehr Zeit hatten, haben wir gleich noch eine „Extended Version“ aufgenommen. In diesen neuen rund 40 Minuten reden wir mehr über (netz-)politische Fragestellungen.

Es geht aber auch um seine eigene Politisierung und eine Reflektion seiner Rolle als öffentliche Person. Wir reden darüber, ob er sich seiner Verantwortung bewusst ist und wie er damit umgeht, eine Projektionsfläche für alles mögliche zu sein.

Wir reden über das Urheberrecht, warum er als Künstler eine andere Urheberrechtsreform wollte und warum so viele junge Menschen im vergangenen Jahr deswegen auf die Straße gegangen sind.

Mich interessierte auch, wie er reflektiert, dass sein Schaffen hauptsächlich auf Plattformen von Unternehmen stattfindet, die einseitig Regeln schaffen, verändern und durchsetzen. Und wie es sich anfühlt, wenn auf Youtube nur einen Klick weiter Verschwörungsideologien beworben werden. Und dann reden wir über Influencer:innen, die Produkte vermarkten und darüber, was daran neu sein könnte – oder ob es das in unserer Medienwelt schon immer gab.

Die beiden Gespräche kann man hintereinander oder auch getrennt voneinander anschauen.

Neues auf netzpolitik.org:

Nicht nur Donald Trump sägt in den USA an den Grundpfeilern des Netzes. Parallel versuchen US-Senatoren beider Lager, Plattformen zu zwingen, ihre Verschlüsselung zu versclechtern. Tomas Rudl hat das zusammengefasst: „Ein Internet, das man sich verdienen müsste“.

Während US-Präsident Trump die Haftungsprivilegien sozialer Netzwerke abschwächen möchte, sägen US-Senatoren ebenfalls am rechtlichen Rahmen des Internets. Mit einem Gesetzesvorschlag könnten sie Online-Dienste dazu zwingen, auf Verschlüsselung zu verzichten und das Internet für alle unsicherer zu machen.

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Markus Reuter über die „Proteste bei Facebook gegen Haltung zu Trump“.

Seitdem die Facebook-Führung die gewaltverherrlichenden Aussagen von US-Präsident Trump stehen lassen will, rumort es im Unternehmen. Angestellte stellen sich in der Öffentlichkeit gegen Mark Zuckerberg und haben am Montag sogar eine Demo veranstaltet.

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Heute wurde der Grundrechte-Report präsentiert. Wir haben als Auszug einen Gastbeitrag von Michael Lippa zum Thema „Polizeiliche Falschnachrichten auf Social Media“:

Wie darf die Polizei in sozialen Medien kommunizieren? Von Falschmeldungen, Dienstvorschriften und Gerichtsurteilen. Ein Beitrag aus dem Grundrechte-Report, dem echten Verfassungsschutzbericht.

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Julia Barthel hat ein schönes Beispiel dokumentiert, wie eine Schule Freie Software einsetzt: Mit Linux-Rechnern zur digitalen Nachhaltigkeit.

Was der Einsatz von gebrauchten Geräten, freier Software sowie Solarstrom und Bienenstöcken mit der Vermittlung von Werten zu tun hat, hat uns Felix Schoppe vom Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze bei Hannover erklärt.

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In den USA gibt es massive Proteste gegen Polizeigewalt und immer häufiger geraten Journalist:innen in die Schußlinie. Markus Reuter zählte am Sonntag 50 unterschiedliche Fälle. Die Zahl geht jetzt bereits in die Hunderte: Polizei greift in mehr als 50 Fällen Journalist:innen bei ihrer Arbeit an.

Seit Tagen gibt es in vielen Städten der USA Proteste gegen rassistische Polizeigewalt. Die Polizei antwortet auf die Proteste mit rücksichtsloser Härte. Auffällig ist dabei, dass die Polizei Journalist:innen gezielt attackiert. Mehr als 50 Fälle von Übergriffen sind bislang dokumentiert – und es werden immer mehr.

Wissenswertes zur Coronakrise:

Am Wochenende war es soweit: Die Entwickler:innen von SAP haben wie angekündigt den Quellcode der geplanten Corona-Warn-App veröffentlicht, geplant für Mitte Juni. Seitdem haben sich so einige Menschen den Code kritisch angeschaut, etwa der Datenschützer Alvar Freude hier auf Twitter. Die Spanne der Kritik reicht von „Hier fehlt noch ein Knopf“ bis „Eure Datenbanken bieten zu viel Zugriff“.

Tldr: Es gibt noch einiges nachzubessern. Bedeutet das, die App ist Mist? Eher zeigt sich hier die Stärke von Open-Source-Projekten: Mehr Augen sehen mehr. Dass die Entwicklung der Corona-Warn-App nun also vor den Augen der Öffentlichkeit passiert, statt wie beim Vorgänger-Projekt hinter den geschlossenen Türen von diversen Fraunhofer-Instituten, sollte man eher als Gewinn sehen. Bugs happen. Entscheidend ist, wie SAP jetzt mit den kritischen Anmerkungen umgeht.

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Für viele Eltern besteht der Alltag seit zwei Monaten auch daraus, aus diversen Mails von Lehrer:innen unterschiedlichste Dokumenten(-formate) zu öffnen, auszudrucken, neue Tintenpatronen oder Papier zu kaufen, den Überblick über alles ausgedruckte nicht zu verlieren, die eigenen Kinder zu unterrichten und parallel nochmal kurz zu schauen, was es sich mit diesen Begriffen der deutschen Grammatik auf sich hat, um dann zum Schluss alles einzuscannen und den Lehrer:innen zurück zu schicken, die sich dann wiederum nicht melden, weil sie selbst ihre Kinder unterrichten müssen. Über diesen Zustand berichtet ndr.de: Schlechte Noten für digitalen Unterricht.

Was sonst noch passierte:

Die US-Regierung versucht schon länger, gegen das chinesische Technologieunternehmen Huawei vorzugehen. Im Mai haben die USA eine Exportbeschränkung für Halbleiter verhängt. Das könnte Huawei wirklich treffen, analysiert Katharin Tai. Und sie erklärt, warum auch ein Unternehmen aus Taiwan betroffen ist.

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In der Schweiz sollen Asylsuchende wie in Deutschland dazu verpflichtet werden können, ihre digitalen Geräte auszuhändigen. Auf diesen soll dann nach Indizien für ihre Herkunft und Identität gesucht werden. Die schweizerische Flüchtlingshilfe äußert sich in ihrer Stellungnahme kritisch. Auch aufgrund der Erfahrungen aus Deutschland.

Audio des Tages: Chaosradio zu Verschwörungserzählungen

Für die aktuelle Folge Chaosradio 260 hat Marcus Richter mit den beiden Autor:innen Katharina Nocun (Fake Facts) und Karolin Schwarz (Hasskrieger) gesprochen, die beide in lesenswerten Büchern aktuelle Entwicklungen rund um Verschwörungserzählungen skizzieren.

Video des Tages: Tödlicher Hass

Vor einem Jahr wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von Rechtsextremisten ermordet. Daran erinnert die ARD-Dokumentation „Tödlicher Hass – Der Mordfall Walter Lübcke“, die am 8.6. ausgestrahlt wird, aber vorab schon in der Mediathek zu finden ist. Wäre auch eine Schau-Empfehlung für all die Jungen Unionler, die sich gerade wieder rhetorisch auf allen Kanälen von allem zu distanzieren versuchen, was irgendwie mit Antifaschismus zu tun hat.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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