[bits] Kekse für Trump

Hallo,

gestern hatte ich es schon mal angesprochen: Zwischen Twitter und dem Viel-Twitterer Donald Trump ist ein medialer Streit entbrannt. Hintergrund ist, dass Twitter (wahrscheinlich in Vorbereitung auf die kommende US-Wahl) Warnhinweise für mögliche Desinformation unter zwei Tweets von ihm gepackt hat. Und Donald Trump ist für ein Ausrollen dieses neuen Features natürlich prima geeignet, denn die Marke Trump steht bekanntlich für Lügen und Desinformation.

In diesem Fall ging es darum, dass Trump Briefwahlen für nicht vertrauenswürdig erklärt und Misstrauen gegenüber diesen demokratischen Prozessen geschürt hat. Dass Briefwahl anfällig für einzelne Manipulationen ist, möchte ich nicht ganz ausschließen. Aber wir reden hier über die USA und dort werden überall, vor allem da, wo republikanische Kandidaten häufig gewinnen, sehr unsichere Wahlcomputer eingesetzt, die nicht ausreichend kontrolliert werden. Und die sehr anfällig für heimliche Manipulationen sind. Dagegen ist die Briefwahl eine hoch vertrauenswürdige Sache. Aber das ist ein anderes netzpolitisches Thema.

Trump bringt sich jetzt mal wieder in die Opferrolle und droht Twitter mit einer präsidialen Durchführungsverordnung, die Twitter und andere Soziale Netzwerke, die ihn schlecht behandeln, regulieren soll. Das ist natürlich großes Theater. Trump lenkt damit medial geschickt von den vielen Toten der von ihm mitverursachten Coronakrise in den USA ab. Und er stellt sich schützend vor sein Unterstützer-Heer von rechts-konservativen und rechtsextremen Hasspredigern, die alle kein Interesse daran haben, dass unter ihren Tweets Warnhinweise auftauchen, dass die Inhalte möglicherweise falsch sind. Das könnte die eigenen Anhänger:innen eher verunsichern.

Mark Zuckerberg gefällt das irgendwie, was aber auch keine Überraschung ist, wenn man sich anschaut, wie Facebook seit Jahren das rechts-konservative Lager in den USA umgarnt und sein Lobbying auf diese Zielgruppen ausgerichtet hat.

Tomas Rudl hat einen lesenswerten Überblick dazu geschrieben: Der mächtigste Mann der Welt, das ewige Opfer.

Neues bei netzpolitik.org:

Der Bundesgerichtshof hat heute etwas entschieden, was wir schon sehr lange sagen: Werbetreibende dürfen Nutzer:innen keine Tracking-Cookies unterjubeln. Kennt man sicher von den vielen Webseiten, die einem beim Aufrufen so ein klickbares Fenster anbieten, wo eine Möglichkeit schon vorausgefüllt sind, und auf die man in der Regel nur draufdrückt, um sich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen. Und wo man alle Datenschutzrechte an der Eingangspforte irgendwie verschenkt, um irgendwas zu bekommen.

Das ist aber illegal. Und der Gesetzgeber weiß das schon lange und die seit langem regierende Große Koalition hat es bisher nicht für notwendig befunden, das zu korrigieren. Jetzt wächst der Druck auf eine Reform. Ingo Dachwitz hat das Urteil und die Debatte zusammengefasst.

Der BGH nimmt manipulatives Design in den Blick: Cookie-Einwilligungen dürfen nicht vorausgefüllt werden, stellte das Gericht heute unter anderem klar. Notwendig geworden war die Entscheidung, weil Bundesregierung und Große Koalition seit Jahren eine Gesetzesaktualisierung verschleppen.

Johannes Filter ist freiberuflicher Softwareentwickler und hat für ein Projekt 13 Millionen Online-Kommentaren daraufhin analysiert, wie sich Sprache in Kommentarspalten verändert hat. In einem Gastbeitrag schreibt er über seine Ergebnisse: Warum automatisierte Filter rassistisch sind.

Mark Zuckerberg will mit sogenannter Künstlicher Intelligenz Hass aus dem Netz filtern. Aktuelle Verfahren reproduzieren jedoch rassistische Muster. Es ist schwer, diese Fehler zu überwinden.

Wissenswertes zur Coronakrise:

Das Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Coronainfektion bei uns davon abhing, wie weit man von Tirol entfernt wohnte: Ischgl war der „Ground Zero“ für Deutschland. Danke Tirol, super Standortmarketing!

Laut britischen Forscher:innen gibt es vier Toprisikofaktoren, um statistisch gesehen eher auf einer Intensivstation zu landen oder sogar an Covid-19 zu sterben: Alter, männliches Geschlecht, Fettleibigkeit und Vorerkrankungen. Ich geh mal gleich Sport machen und will nicht mehr älter werden: Forscher weisen höheres Sterblichkeitsrisiko durch Fettleibigkeit nach.

Wie kommt es, dass wir wieder mehr Kontakte, aber weniger Infektionen haben, obwohl wir gerade immer noch eine Pandemie haben? In der Taz hat Malte Kreuzfeldt zusammengefasst, was der aktuelle Stand der Erkenntnisse ist. Gefährlich sind vor allem Innenräume (wegen Aerosole und Tröpfen in der Luft) und sogenannte „Superspreader“. Letztere sind Personen, die aus bisher unbekannten Gründen viel infektiöser sind als die meisten anderen. Und diese sind vor allem in Kombination mit Innenräumen und vielen Menschen auf einem Haufen gefährlich. Ich bin mal gespannt, was wir noch alles erfahren, bis es nach dem Sommer wieder in Innenräume geht. Ich fürchte, zumindest für Bars und Clubs sieht es dann immer noch schlecht aus.

In Großbritannien ist die BBC-Moderatorin Emily Maitlis von ihren Aufgaben entbunden worden. Sie hatte in der Sendung Newsnight auf BB2 die Regierung kritisiert, die den Top-Berater Dominic Cummings schützt. Der hatte sich während der Corona-Ausgangssperre aus London raus bewegt. Cummings verteidigt sich derzeit damit, dass er wegen einer Corona-Erkrankung sein Kind zu seinen Eltern haben bringen wollen. Gegen diese Version spricht, dass er beim Besuch eines touristischen Ortes gesehen wurde. Und sonst auch schon als notorischer Lügner und Faktenverdreher aufgefallen ist.

Maitlis kritisierte sehr auf den Punkt und eindrucksvoll die Entscheidung, nichts zu tun. Ihren Kommentar kann man hier anschauen. Journalistische Unabhängigkeit ist in der BBC gerade wohl aus der Mode gekommen.

Katar führte Mitte Mai eine verpflichtende Tracing-App für alle Bürger:innen und Anwohner:innen des Golfstaates ein. Nur drei Tage später wies Amnesty International die katarische Regierung auf eine kritische Sicherheitslücke in der App hin, die die Daten von mehr als einer Millionen Nutzer:innen gefährdet habe. Die EHTERAZ genannte App nutze Geo- und Bluetoothdaten und speichere diese zentral, so Amnesty. Die Regierung könne die App auch nutzen, um die Bewegungen von Nutzer:innen in Echtzeit zu orten. Das Sicherheitsproblem sei innerhalb eines Tages behoben worden.

Was sonst noch passierte:

Der Pestizidproduzent Monsanto (von Bayer aufgekauft), hat viel mehr Geld für Lobbying zur Wiederzulassung von Glyphosat ausgegeben, als es bisher bekannt war. Das ist eine massive Umgehung der Transparenzpflichten für Lobbying in der europäischen Union gewesen: Die heimlichen Glyphosat-Gelder.

Bei der Durchsuchung von 25 Wohnungen von Reichsbürgern hat man nicht nur viele selbsterstellte Urkunden und Yps-artige Pässe gefunden. Sondern eine Person verfügte sogar über „200 Messer mit feststehender Klinge, 190 Äxte sowie 520 Klapp- und Einhandmesser“. Was man halt zuhause hat: LKA stellt Hunderte Waffen bei Razzia in Reichsbürgerszene sicher. Dazu gab es eine Gras-Plantage.

Kleine Schritte in Richtung Informationsfreiheit setzen in Österreich dieser Tage die Gerichte: Ein „richtungsweisendes Urteil“ soll die Stadt Wien endlich dazu zwingen, dem Journalisten Markus Hametner und der NGO Forum Informationsfreiheit den Zugang zu Informationen über Verbesserungsvorschläge ihrer eigenen Beschäftigten zu gewähren. Über den Fall hatte bereits das österreichische Verfassungsgericht geurteilt, die Stadt weigerte sich aber dennoch. Die Aktivistinnen hoffen nun, dass das von der neuen schwarz-grünen Regierung in Österreich angekündigte Transparenzgesetz endlich Klarheit und echten, amtlich garantierten Zugang zu Informationen schafft.

Video des Tages: Upload

Die letzten Tage hab ich „Upload“ auf Amazon Prime gesehen. Das war eine überraschend gut gemachte Science-Fiction-Serie mit Comedy-Elementen, eine Kombination, die bisher selten funktioniert hat. Oder eher unfreiwillig. In diesem Fall aber schon. Sonst ist viele Science Fiction eher düster und dystopisch, wie zum Beispiel bei Black Mirror. Wobei eine Folge davon ganz anders war, nämlich Folge vier in Staffel drei (S03E04), die ich immer noch für eine der besten Folgen halte vielleicht weil sie mit dem dystopischen Konzept brach.

Und hier gibt es eine Verbindung mit „Upload“, denn beides dreht sich um eine ähnliche Erzählung: Das Gehirn von bald toten Menschen wird in eine Cloud hochgeladen, wo die Personen dann virtuell weiterleben können. Dabei gibt es immer noch Außenkommunikation mit der „normalen Welt“. Spannend und interessant an der Serie sind neben der gut gemachten Geschichte die vielen Anspielungen auf gängige Mechanismen der digitalen Welt, wenn die Upload-Bewohner:innen In-Game-Kaufoptionen haben oder ihr Datenvolumen zur Mitte des Monats leider aufgebraucht ist. Gute Unterhaltung.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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