[bits] Mit einem blauen Auge aus der Terrorpropaganda

Hallo,

eines der gefährlichsten Vorhaben der Europäischen Union ist gestern mit den finalen Trilog-Verhandlungen zu einer Einigung geführt worden, die zumindest nur ein blaues Auge für Grundrechte bedeutet. Die „Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ war die letzten Jahre intensiv diskutiert worden, auch weil es mit den Attentaten von Christchurch und Halle Fälle gab, in denen Livestreams eine Rolle spielten. Das kam zu den Enthauptungsvideos des IS dazu, die davor die Debatte dominierten.

Das Ziel der Verordnung war und ist, Regeln zu schaffen, wie diese Inhalte schnell aus dem Netz und von Plattformen entfernt werden können. Dabei waren viele Ideen Teil der Verhandlungen, die massive negative Auswirkungen mit sich gebracht hätten. Ganz so schlimm ist es dann nicht gekommen.

Gut ist, dass in der letzten Verhandlungsrunde kleine und nichtkommerzielle Plattformen aus der Verpflichtung genommen wurden, innerhalb kurzer Zeit reagieren zu müssen. Auf diesen kritischen Punkt haben wir lange hingewiesen, das hätte sonst auch uns mit unserer Kommentarspalte treffen können.

Gut ist auch, dass verpflichtende Uploadfilter aus der finalen Version rausverhandelt wurden. Allerdings setzen die großen Plattformen solche Technologien auch aus anderen Gründen wie der Urheberrechtsdurchsetzung schon ein und in diesen Fällen wird das dann weiterhin freiwillig passieren.

(Große) Plattformen sollen innerhalb einer Stunde Löschanordnungen bearbeiten müssen. Die Hoffnung ist, dass diese dafür mehr Personal bereitstellen. Die Realität wird wahrscheinlich so aussehen, dass mehr Personal nur als Brückentechnologie gesehen wird, bis automatisierte Lösungen so gut trainiert sind, um das kostensparender zu machen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung soll nach Angaben der Verhandler nicht eingeschränkt werden dürfen und es soll Ausnahmen für journalistische oder künstlerische Inhalte sowie für polemische oder satirische Meinungsäußerungen geben. Wie das in der Praxis funktionieren soll, wenn man möglicherweise gar nicht darüber diskutieren kann, was gesperrt wurde, weil ein Upload gar nicht möglich ist, wird sich noch zeigen.

Bei „systematischen oder anhaltenden“ Verstößen“ kann es Strafen mit bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes geben. Das ist eine bewährte „bis zu“-Regelung, die man auch schon aus der Datenschutzgrundverordnung kennt.

Weiterhin ungeklärt: Was ist Terrorpropaganda?

Einer der nach wie vor bestehenden Probleme ist die einer fehlerhaften Definition, was ein „terroristischer Inhalt“ sei. Das ist leider eine politische Frage und die wird unterschiedlich interpretiert. Für Erdogan in der Türkei waren die investigativen Artikel von Deniz Yücel Terrorpropaganda. Für Viktor Orban in Ungarn sind es häufig regierungskritische Äußerungen von Menschenrechtlern, das kann auch LGBTQI-Aktivist:innen in Polen passieren. Und für RWE und Teile der NRW-Landesregierung waren die Proteste von Ende Gelände im Hambacher Wald mit zivilem Ungehorsam in dieser Liga.

Es ist gut, dass das EU-Parlament in den letzten Verhandlungen Verbesserungen durchsetzen konnte. Wir gingen bei dieser Verordnung schon vom Worst-Case aus, auch weil die Verbindung von „Irgendwas mit Terror“, „EU“ und einer kaum vorhandenen kritischen Öffentlichkeit in Form von medialer Berichterstattung das Potential dafür hatte. Aber eine engagierte digitale Zivilgesellschaft ist am Thema dran geblieben und hat in den vergangenen Monaten immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die drohenden Grundrechtseinschränkungen hingewiesen. Zumindest das EU-Parlament hatte das gehört.

Das Ergebnis ist besser als gedacht, aber letztendlich wird sich in der Realität zeigen müssen, ob wir nur mit einem blauen Auge davon gekommen sind oder die Befürchtungen des Missbrauchspotentials nicht auftreten. Wir bleiben wie immer wachsam bei den Auswirkungen.

Tomas Rudl hat sich die Verhandlungsergebnisse genauer angeschaut: EU einigt sich auf Gesetz gegen terroristische Inhalte im Netz.

Kurze Pausenmusik:

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VeraCrypt ist eine beliebte Software zur Datenverschlüsselung, wenn man Festplatten, USB-Sticks und dergleichen verschlüsseln möchte. Die freie Software wurde jetzt im Auftrag des BSI vom Fraunhofer Institut für sichere Informationstechnologien auditiert. Grobe Sicherheitslücken wurden dabei nicht gefunden, es fanden sich aber Hinweise zur Verbesserung des Sourcecodes: Security Evaluation of VeraCrypt.

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Der Hintergrund beim Deutschlandfunk thematisiert die Digitalsteuer für Tech-Giganten und gibt einen aktuellen Überblick auf den Stand der stockenden Verhandlungen: Nationale Alleingänge oder vereinter Gegenschlag?

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Ohne offene Standards wie WebRTC gäbe es aktuelle Videokonferenzsysteme nicht, auf die wir spätestens in der aktuellen Pandemie dringend angewiesen sind. Die IETF erklärt in ihrem Blog einige Hintergründe: WebRTC technologies prove to be essential during pandemic.

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In der Arte-Mediathek gibt es eine Dokumentation über das Leben und Werk von Bryan Ferry zu sehen: Don’t Stop the Music. Jetzt renne ich wahrscheinlich die nächsten Tage wieder mit der Melodie von „Don’t stop the dance“ herum, allerdings im Todd Terje Remix.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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