Hallo,
die elektronische Patientenakte (ePA) soll Anfang kommenden Jahres endlich starten. Das Bundesgesundheitsministerium macht Druck und eigentlich hätte man so was auch schon vor mindestens zehn Jahren haben wollen. Es gibt nur ein Problem: In der aktuell geplanten Form dürfte die (ePA) nicht datenschutzkonform und damit nicht rechtsmäßig sein. Und das ist nicht ein Problem des Datenschutzes, sondern der Politik.
Heute traten dazu der Bundesdatenschutzbeauftragte und seine Kolleg:innen aus drei Bundesländern vor die Bundespressekonferenz und schilderten die Problematik.
Auf der einen Seite schützt die sogenannte Telematikinfrastruktur zumindest in der Anfangsphase nicht ausreichend, wer welche Daten wo einsehen kann. Das ist länger bekannt, hat aber die Bundesregierung nicht davon abgehalten, hier Druck zu machen, damit die ePA nach vielen Jahren endlich kommt. Und dann hat die Große Koalition gegen die Warnung des Bundesdatenschutzbeauftragten Änderungen beim Patientendaten-Schutz-Gesetz gemacht, die einfach nicht kompatibel zur europäischen Datenschutzgrundverordnung sind und damit gegen EU-Recht verstoßen.
Zumindest das zweite Problem könnte der Bundesrat noch beheben, der im Herbst über das Patientendaten-Schutz-Gesetz abstimmen wird.
Jana Ballweber hat die Pressekonferenz verfolgt und berichtet über die Kritik aus Datenschutz-Sicht: Datenschützer:innen halten Patientendaten-Schutz-Gesetz für rechtswidrig
Sollte das Patientendaten-Schutz-Gesetz Anfang 2021 in Kraft treten, müssen sich Krankenkassen entscheiden, ob sie gegen das neue Gesetz oder die Datenschutzgrundverordnung verstoßen. Um dieses Dilemma aufzulösen, kündigt der Bundesdatenschutzbeauftragte Sanktionen gegen die Kassen an und erhöht so den Druck auf den Gesetzgeber.
Neues auf netzpolitik.org:
Welche grundrechtsfreundlichen Ansätze gibt es, um die Probleme durch Rassismus und Polizeigewalt zu lösen? Markus Reuter hat dazu ein Forderungspapier gelesen, das ihm gefallen hat: Grüne Jugend will Polizei umfassend reformieren
Für ihr Positionspapier zu einer Neuausrichtung der Polizei wurde die Jugendorganisation vielfach kritisiert – selbst aus der eigenen Partei. Dabei bringt das Papier die wichtigsten Probleme der Polizei auf den Punkt und zeigt Wege auf, wie diese gelöst werden können.
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In einem Kommentar dazu fordert Markus Reuter: Weg mit dem Heiligenschein der Polizei.
Polizeigewerkschaften haben zusammen mit Innenpolitikern und medialen Scharfmachern eine Atmosphäre geschaffen, in der die Polizei geradezu religiös verehrt wird. Wer die Polizei kritisiert oder gar reformieren will, gilt als Häretiker. Dabei sind dringend Lösungen gefragt. Ein Kommentar.
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Die Öffentlichkeitsabteilungen der Polizei-Dienststellen experimentieren weiter fleißig in sozialen Medien mit herum. Marie Bröckling schreibt über eine neue Herangehensweise, die wieder viele Fragen aufwirft, ob das überhaupt so rechtens ist: Hamburger Polizei auf Twitter: Keine Nachfragen zugelassen
Die Polizei Hamburg kündigt auf Twitter an, ein Video zu prüfen, das Schläge durch ihre Beamte gegen einen Jugendlichen zeigt. Doch Fragen dazu schließt sie schon im Vorhinein aus.
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Charlotte Pekel schreibt über eine Verhaftungswelle in Ägypten: Aktivist:innen kämpfen um Freilassung von TikTok-Influencerinnen
Gegen die Inhaftierung von mindestens neun jungen Frauen, die auf TikTok aktiv waren, regt sich heftiger Widerstand in Ägypten und weltweit. Auch in Berlin demonstrierten Aktivist:innen am vergangenen Freitag für die Freilassung der Verhafteten. Der Kampf um Frauenrechte findet aber vor allem im Internet statt.
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Es gibt Eckpunkte zum Berliner Transparenzgesetz, die uns nicht vom Hocker hauen. Da wäre mehr möglich, wenn man motivierter wäre: Berliner Senat bleibt auf halber Strecke stehen
Ein paar Schritte vor, ein paar zurück: Der Berliner Senat hat sich auf Eckpunkte für ein Transparenzgesetz geeinigt. Die Landesregierung will auf einige Forderungen des Volksentscheides Transparenz eingehen – aber gleichzeitig auch bestehende Auskunftspflichten rückgängig machen.
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Wie gehts nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof zum „Privacy Shield“ weiter? Charlotte Pekel schreibt, was die Aktivist:innen von noyb planen: Max Schrems geht gegen 101 europäische Firmen vor
Max Schrems und seine NGO reichen Beschwerde gegen 101 europäische Unternehmen ein, die weiterhin fleißig Nutzer:innendaten per Google Analytics und Facebook Connect in die USA weitergeben – obwohl der Europäische Gerichtshof das im Juli verboten hatte. Die Datenaktivist:innen wollen den Druck erhöhen.
Kurze Pausenmusik:
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Was sonst noch passierte:
Was macht eigentlich die Cyberwehr? Vor fünf Jahren haben wir die damals geheimen Pläne für die „Strategische Leitlinie Cyber-Verteidigung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung“ veröffentlicht. Das Kommando Cyber- und Informationsraum (Kdo CIR) wurde dann als Abteilung der Bundeswehr vor drei Jahren offiziell geschaffen. Aber so klar ist die Mission immer noch nicht und eine Debatte über die Wege und Ziele weiterhin dringend notwendig. Das sieht auch die SZ so: Mission: unklar.
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US-Geheimdienste dürfen eigentlich nicht die Location-Daten von US-Bürger:innen ohne Gerichtsbeschluss überwachen. Aber es gibt eine Lösung für das Problem: Aufgrund mangelnder Datenschutzrechte gibt es in den USA zahlreiche Datenbroker, die sehr viele Daten über US-Bürger:innen legal sammeln. Und Sicherheitsbehörden können diese Dienstleistungen wiederum legal mit Steuergeldern, und ohne Gerichtsbeschluss einkaufen: Secret Service Paid to Get Americans‘ Location Data Without a Warrant, Documents Show.
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Das funktioniert übrigens auch in die andere Richtung: Das kalifornische Kraftfahrzeugamt verkauft Führerschein-Daten an private Ermittler:innen und Schuldeneintreiber:innen: California DMV Is Selling Drivers‘ Data to Private Investigators.
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In den vergangenen Tagen gab es wieder diverse Videos von mutmaßlicher rechtswidriger Polizeigewalt. Dass es diese Videos überhaupt gibt, liegt auch an der gesteigerten Sensibilität für das Thema und der großen Verbreitung von Smartphones. Aber darf man solche Vorfälle überhaupt filmen, wenn man zufällig anwesend ist? Der Journalist Marcus Engert hat sich mit den rechtlichen Fragen in einem Twitter-Thread beschäftigt.
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Apfelsorten kann man mittlerweile patentieren und wenn man eine Wiese voller Apfelbäume kauft, kann es sein, dass man die dann abholzen muss. Nicht, weil sie kaputt sind, sondern weil man keine Lizenzen für Nutzungsrechte mitgekauft hat. Klingt absurd, ist aber passiert, wie Zeit-Online berichtet und das System dahinter nebenbei beschreibt: Diese Äpfel werden überwacht.
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Viele Spieler:innen haben irgendwann in den vergangenen Jahrzehnten mal den Microsoft Flight Simulator gespielt. Bei mir war es irgendwann in den 90ern und da sah es noch nicht so gut aus. Spätestens mit 2001 wurde das Spiel auch einem größeren Massenpublikum kurz bekannt, weil die Attentäter von 9/11 damit ihre Flugzeugabstürze trainiert haben sollen. Der Deutschlandfunk bespricht in der Sendung Corso die neue Version: Über den Wolken.
Netzpolitik-Jobs
Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.
Den Digitale Gesellschaft e.V. (digiges) habe ich mal vor zehn Jahren mitgegründet. Aktuell sucht der Verein eine neue Leitung der Geschäftsstelle in Berlin.
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Wer sich für Netzpolitik in Österreich interessiert, kommt an epicenter.works nicht vorbei. Die kleine NGO sucht jetzt eine/n Communications- und Campaigner:in mit Arbeitssitz in Wien.
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Der European Artificial Intelligence Fund ist ein Zusammenschluss verschiedener Stiftungen, die eine gemeinwohlorientierte Debatte um „Künstliche Intelligenz“ und algorithmische Entscheidungssysteme fördern wollen. Für die Verteilung von derzeit zwei Millionen Dollar im Jahr wird ein:e Programm-Manager:in (am liebsten in Brüssel) gesucht.
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Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sucht eine:n Junior Referent:in für Öffentlichkeitsarbeit (in Berlin). Erfahrungen und Spaß in der Kommunikation sollte man vor allem in Richtung sozialer Medien haben.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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