Hallo,
ursprünglich wollte ich über die Recherche von Sebastian Meineck und Daniel Laufer schreiben, die sich mit dem Amazon-Empfehlalgorithmus beschäftigt haben. Viele Verschwörungsideologen profitieren davon, dass ihre Bücher bei der Suche nach bestimmten Themen spätestens nach ein bis zwei Klicks als weitere Kauf-Empfehlungen angeboten werden – und Menschen in den Kaninchenbau einziehen.
Dass die Amazon-Empfehlalgorithmen politisch und bespielbar sind, haben Gruppen schon früh festgestellt. Bereits in den Nuller-Jahren sahen wir, dass vernetzte Evangelikale dezentral Bücher über LGBTQ-Themen als anstößig meldeten, um diese „abzuschießen“. Das funktionierte erschreckend gut, auch weil zu wenig Personal eingesetzt wurde, um menschliche Bewertungen zu überprüfen und die algorithmischen Entscheidungssysteme nur feststellten, dass viele Menschen etwas meldeten und darauf handelten. Wenn jetzt Bücher über Verschwörungsmythen prominent vertreten sind, heißt das, dass Amazon es egal ist, was auf ihrer Plattform verkauft wird, Hauptsache sie verdienen damit Geld.
Hier geht es zu unserer Recherche: So penetrant empfiehlt Amazon den Kauf von Verschwörungsliteratur.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Ein US-Gericht hat die NSA-Vorratsdatenspeicherung für illegal erklärt. Dass dieses Urteil überhaupt zustande kam, ist Edward Snowden zu verdanken. Er hatte als Whistleblower die notwendigen Beweise geliefert, damit Journalist:innen über die geheimen Überwachungspraktiken berichten konnten. Erst das ermöglichte die Debatte und dann später eine Klage der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU, die zu diesem Ergebnis führte.
Edward Snowden hat ermöglicht, dass über viele unterschiedliche geheime Überwachungsprojekte diskutiert werden kann und Gerichte sich damit beschäftigen. Das ist nicht die erste erfolgreiche Klage in Folge der Enthüllungen, aber die NSA-Vorratsdatenspeicherung ist ein zentrales Element des Überwachungssystems. Weitere Urteile werden folgen.
Ich finde es gut, dass durch mehr Gerichtsentscheidungen klar wird, was Edward Snowden zu verdanken ist und dass er im Recht war. Denn ohne ihn würde das System der Massenüberwachung auf Steroiden ungehindert weiter laufen. Er brachte Sand ins Getriebe, auch in dem er auch jetzt als öffentliche Stimme immer wieder darauf hinweist, dass hier Grundrechte und die Verfassung verletzt werden.
So schön es auch ist: Leider sind wir in der Regel von den US-Gerichtsentscheidungen nicht betroffen, weil wir als Nicht-US-Bürger:innen nicht unter dem Schutz der Verfassung stehen und deshalb auch weiterhin in diesem System „vogelfrei“ sind.
Ungeklärt ist weiterhin: Wie lange muss Edward Snowden eigentlich noch im Asyl in Russland darauf warten, dass er sich wieder frei bewegen kann? Wann erhält er seine Rehabilitierung und wann werden die Verantwortlichen für ihre illegalen Überwachungsaktivitäten zur Rechenschaft gezogen?
Neues auf netzpolitik.org:
Nach Monaten der Ankündigung hat die österreichische Bundesregierung jetzt den Entwurf für ein eigenes Gesetz gegen Hass im Netz vorgelegt. Tomas Rudl hat die Details: Österreich soll ein NetzDG erhalten.
Nach Deutschland und Frankreich legt mit Österreich ein weiteres EU-Land ein Gesetz gegen Hass im Internet vor. Dies soll Online-Dienste ab einer bestimmten Größe dazu zwingen, illegale Inhalte rasch aus dem Netz zu tilgen.
Markus Reuter über eine Verschärfung der sowieso schon rigiden Einwanderungsgesetze Down Under: „Australien will internierten Geflüchteten Handys wegnehmen“.
Australien wird seit Jahren für seine menschenrechtsfeindliche Einwanderungspolitik kritisiert. Jetzt hat die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das die Konfiszierung der Mobiltelefone von internierten Geflüchteten erlaubt.
Kurze Pausenmusik:
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Was sonst noch passierte:
Zweitbeste Nachricht des Tages: Der Messenger Threema soll Open-Source werden. Threema ist neben Signal eine der besten Alternativen zu Whatsapp und Co. Signal hat den Vorteil, dass es bereits Open-Source ist und daher viel Vertrauen genießt. Aber der Nachteil ist, dass ein Signal-Account an eine Telefonnummer gebunden ist. Hier bietet Threema wiederum den Vorteil, dass ein Gerät keine Nummer braucht, was auch Datenschutzvorteile hat. Das Hauptargument gegen Threema war immer fehlende Offenheit. Das soll sich jetzt ändern, wie das Unternehmen mitteilt. Das wird zu mehr Vertrauen führen.
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Vor kurzem gab es die „Fuck the algorithm“-Proteste von britischen Schülern gegen eine automatisierte Notenvergabe. Vergleichbare Systeme werden, wenn auch im sehr kleinen Ausmaß, auch bereits in Deutschland eingesetzt. Rund 80 Schulen bieten das „International Baccalaureate“ (IB) an, eine standardisierte Prüfung für die Zulassung an vielen Universitäten. Die Notenbildung ist aber intransparent und auch problematisch, wie Justin Braun in einem Gastbeitrag auf Spiegel-Online schreibt: Ein Algorithmus, der Träume zerstören kann.
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Dan McCrum von der Financial Times hat die Geschichte aufgeschrieben, wie sie dem Wirecard-Skandal auf der Spur waren und wie das kriminelle Unternehmen hinter ihm als Journalist her war: Wirecard and me: Dan McCrum on exposing a criminal enterprise.
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Der US-Unternehmer Elon Musk (Tesla & Co) ist kurzfristig nach Berlin gekommen. Über seinen Besuch hat Lenz Jacobsen eine launige Reportage bei Zeit-Online geschrieben: Elon was here.
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Tobi Schlegl war lange Zeit Moderator, zuletzt bei ZDF-Aspekte. Ende 30 entschied er sich, dass er nochmal etwas sinnvolleres in seinem Leben machen will und begann eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Die hat er jetzt hinter sich und darüber ein Buch geschrieben. Die FAZ hat ihn dazu interviewt: „Ich wollte da mal konsequent sein“.
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Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, ordnet die Querdenken-Demonstrationen beim SWR ein: „Die ‚Querdenker‘ haben sich mit Antisemiten verbündet“. Eine gute Einordnung mit kleinen historischen Parallelen.
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Das Störungsmelder-Blog von Zeit.de hat dokumentiert, was über das Fotoshshooting mit Reichsflaggen auf den Treppen des Reichstages vorab öffentlich bekannt war und wer mit dahinter steckt: „Das ist unser Haus“.
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In Ihrer Zeit-Kolumne „Kiyaks Deutschstunde“ rechnet Mely Kiyak mit dem öffentlichen Diskurs und dem Erschaudern nach der Querdenken-Demo ab und findet das „ein wenig verlogen“. Sie sieht das auch als Ergebnis einer Politik, die mit Rechts immer geschmust und geflirtet hat: Alufolie drauf und gute Nacht.
„Überraschend, entsetzlich? Wieso? Wieso jetzt? Seit 2015 laufen sie durch die Provinzen und schreien ‚Widerstand, Widerstand‘. Nun hat ihnen halt jemand den Überlandbus gesponsert, ist doch klar, dass man, wo Malle, Malediven oder Marokko virusbedingt beschwerlicher zu bereisen und zu besaufen sind, man den Resturlaub lieber auf einer Antidemokratiebildungsreise abbummelt.“
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Ein Problem unserer Zeit: Der größte Verschwörungsideologe sitzt leider in führender Position im Weißen Haus. Aktuell hat Donald Trump in einem Fox-Interview wieder verschiedene Verschwörungslügen verbreitet. Der Tagesspiegel erklärt, was diese bedeuten und wo sie herkommen: Wo drei Verschwörungstheorien Trumps ihren Ursprung haben.
Audio des Tages: Cyber und Krieg
Der Politikwissenschaftler Matthias Schulze erklärt in seinem Perception-Podcast, was das „Cyber“ im Krieg zu tun hat und ordnet das schön kritisch ein: 19 WTF: Cyber im Krieg?
Netzpolitik-Jobs
Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.
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Wer sich für Netzpolitik in Österreich interessiert, kommt an epicenter.works nicht vorbei. Die kleine NGO sucht jetzt eine/n Communications- und Campaigner:in mit Arbeitssitz in Wien.
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Der European Artificial Intelligence Fund ist ein Zusammenschluss verschiedener Stiftungen, die eine gemeinwohlorientierte Debatte um „Künstliche Intelligenz“ und algorithmische Entscheidungssysteme fördern wollen. Für die Verteilung von derzeit zwei Millionen Dollar im Jahr wird ein:e Programm-Manager:in (am liebsten in Brüssel) gesucht.
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Der Digital Freedom Fund ist ein weiterer Zusammenschluss verschiedener Stiftungen, die zivilgesellschaftliche Organisationen bei strategischen Prozessführungen finanziell unterstützt und vernetzt. Dafür wird ein Operations Officer für das Büro in Berlin gesucht. Das ist weitgehend Reise- und Eventmanagement.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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