[bits] Tag des Urheberrechts beim Bundesgerichtshof

Hallo,

heute war der Tag des Urheberrechts am Bundesgerichtshof. Zumindest wurden die Urteile von mehreren Fällen veröffentlicht, in denen sich der BGH mit urheberrechtlichen Fragestellungen beschäftigt hat. In zwei der Fälle ging es um netzpolitische Fragestellungen.

Seit 21 Jahren klagen Kraftwerk und Moses Pelheim gegeneinander, weil der Produzent Moses Pellheim vor einer Ewigkeit mal ein 2 Sekunden Sample von dem Kraftwerk-Song Metall-auf-Metall für ein Stück von Sabrina Setlur verwendet hat.

Während ich popkulturell, musikalisch und ästhetisch vollkommen auf der Seite von Kraftwerk stehe, so bin ich in dieser juristischen Auseinandersetzung im Team Pelheim. Denn die Auswirkung auf Popkultur und viele Musikstile sind massiv, wenn Samplen nur noch mit Vertrag möglich wäre. Denkt man da noch zukünftig Uploadfilter mit, dann könnten einige Musikstile, die auf Samples aufsetzen, massiv beeinträchtigt werden.

Leonhard Dobusch beobachtet die Auseinandersetzung seit vielen Jahren aus der Perspektive einer Remixkultur. In seiner Analyse auf netzpolitik.org schreibt er als Fazit, dass alle durch diesen Rechtsstreit verloren haben, aber:

„Die größten Verlierer:innen sind all jene, die sich mehr Freiheit für Sampling- und Remixkultur wünschen: der BGH bleibt bei einer überaus restriktiven Auslegung des Zitatrechts und dokumentiert welche Einschränkungen für kreative Freiheit mit der 2001 beschlossenen EU-Urheberrechtsrichtlinie verbunden sind.“

In einem anderen Fall ging es um das Zensurheberrecht. So nennen wir Fälle, wo das Urheberrecht dazu eingesetzt wird, die Veröffentlichung von unliebsamen Inhalten durch staatliche Stellen zu verhindern. Konkret geht es um die „Afghanistan-Papier“.

Anna Biselli beschreibt, worum es hier ging:

„Im Jahr 2012 hatte die Recherche-Redaktion der WAZ, mittlerweile Funke Mediengruppe, etwa 5.000 Seiten aus militärischen Lageberichten über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr veröffentlicht. Sie dokumentierten die Lage der Bundeswehr in Afghanistan von 2005 bis 2012. Die sogenannten Afghanistan-Papiere sollten die Verharmlosung des Afghanistan-Einsatzes belegen. Doch das Verteidigungsministerium wehrte sich gegen die Veröffentlichung: auf eine erste Abmahnung kurz nach der Publikation folgte eine Klage. Während das Ministerium zuerst damit argumentierte, dass die Berichte als Verschlusssache geheimhaltungsbedürftig seien, zog es schon bald mit dem Urheberrecht ins Feld. Das geistige Eigentum sei durch die Veröffentlichung verletzt worden.“

Hier ist das Urteil für die Sache besser geworden, weil der BGH argumentiert, dass in diesem Fall die Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse greift. Wenigstens eine gute Nachricht.

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Neues auf netzpolitik.org

Staatliche Stellen haben vergangenes Jahr fast 16 Millionen Mal abgefragt, wem eine Telefonnummer gehört. Diese automatisierte Bestandsdatenauskunft ist in drei Jahren um mehr als die Hälfte gestiegen. Auch Internet-Daten werden übermittelt, darüber gibt es jedoch weiterhin keine Transparenz: Behörden fragen alle zwei Sekunden, wem eine Telefonnummer gehört.

Polizeien aus 34 Ländern ermitteln seit 2017 zu kriminellen Netzwerken in Südosteuropa, Geld kommt aus dem Inneren Sicherheitsfonds der Europäischen Union. Neben allerlei Spionage- und Abhörtechnologie werden darüber auch Spitzel bezahlt: EU finanziert Technik für verdeckte Ermittlungen.

Videoplattformen sollen eine Mindestzahl an Filmen und Serien aus Europa zeigen. So will es eine EU-Richtlinie von 2018. Nun legt die EU-Kommission fest, wie das umgesetzt werden soll: EU regelt Quote von 30 Prozent für europäische Inhalte.

Während die meisten Unis komplett auf externe Anbieter wie Zoom oder Microsoft Teams setzen oder einzelne Lizenzen zukaufen, läuft digitale Lehre an der Uni Osnabrück vollständig mit freier Software auf eigenen Systemen. Wie das geht, erklärt uns einer der Admins im Interview: Ganz nach Bedarf.

Wissenswertes zur Coronakrise

Kein Newsletter ohne Tracing-App-News: Gestern waren Vertreter:innen der Bundesregierung im Digitalausschuss im Deutschen Bundestag zu Gast, um über die aktuellen Entwicklungen bei der Corona-Tracing-App zu sprechen. Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg hat auf Twitter im Anschluss der Sitzung den Stand der Dinge aufgeschrieben.

Das Chaos ist offensichtlich noch viel größer als in der öffentlichen Debatte bekannt. Zwar sind jetzt SAP und Deutsche Telekom für den zweiten Versuch der Entwicklung zuständig, aber es gibt keinen Vertrag, keine Kostenschätzung und auch sonst fehlte den Regierungsverter:innen der Überblick. Wenigstens wissen wir jetzt, warum die Deutsche Telekom ausgesucht wurde: Die hätten Erfahrung mit einer 24/7-Hotline, so die Bundesregierung. Deutsche Telekom-Kunden, zu denen ich auch gehöre, können das bestätigen. Zumindest auf dem Papier ist da immer jemand erreichbar. Ich bin gespannt, was als nächstes bekannt wird.

Bei Correctiv.org hat David Schraven über konstruktiven Journalismus in Zeiten der Krise geschrieben und wie dieser zu Lösungen beitragen kann.

Die New York Times hat sich die Pressebriefings von Donald Trump zur Coronakrise angeschaut und visualisiert, wie oft darin Selbstlob oder Falschmeldungen enthalten waren. Das Resultat wäre ganz lustig, wenn das eine Komödie wäre: 260,000 Words, Full of Self-Praise, From Trump on the Virus.

Das Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediares untersucht in einer neuen Reihe „Sagen & Meinen – der Sprachcheck„, wie Framing in der Politik und in Medien eingesetzt wird. In der ersten Folge wird das Wort Lockdown kritisiert, weil wir in Deutschland nur Ausgangsbeschränkungen gehabt hätten und die Verwendung des härteren Wortes etwas suggeriert, was (im Vergleich zu vielen anderen Staaten) hier so nicht stattgefunden hat. Zum Glück. Ich hab mich aber trotzdem dabei erwischt, in der Vergangeneheit von Lockdown gesprochen zu haben. Ich versuch mich zu bessern.

Was sonst noch passierte:

Die dänische Serie „Borgen“ soll eine vierte Staffel erhalten. Mir fällt gerade keine bessere europäische Politik-Serie ein und bin gespannt, ob eine Zusammenarbeit des dänischen Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens mit Netflix den Standard halten kann. 2022 sollen die neuen Teile rauskommen.

Man braucht nicht Zoom oder Skype, um mit den Eltern oder Großeltern über Video in Kontakt zu bleiben. Dafür eignet sich auch der sichere Messenger Signal (Nutze ich für diesen Einsatzzweck) oder Jitsi. Eine Anleitung für ältere Menschen ohne viel Computererfahrung hat Ilona Stütz auf ihrem Blog veröffentlicht. Die Anleitung hat sie für ihren Opa erstellt und als PDF im Netz geteilt.

Manchmal finde ich noch Zeit und spiele alte Computer- und Konsolenklassiker auf einem Raspberry Pi. Die Minicomputer sind günstig und es gibt mit RetroPie eine Linux-Distribution, die ältere Computer bis zur Playstation 1 emuliert, also virtuell nachbildet. Und im Netz finden sich viele alte Spiele zum Herunterladen. Seit bald einem Jahr gibt es mit dem Raspberry PI 4 eine viel leistungsfähigere Hardware-Version, aber es fehlte die Anpassung der Emulatoren-Software. Jetzt wurde die Beta-Version einer kompatiblen Version von RetroPie für die 4er Version veröffentlicht und alte Spiele laufen demnächst hoffentlich viel schneller und noch besser: Retro-Gaming: RetroPie läuft jetzt auf dem Raspi 4.

Die Berliner Agentur evenly hat in der Vergangenheit schon ehrenamtlich Apps für CCC-Kongresse oder die re:publica entwickelt. Jetzt hat evenly eine kostenfreie App als Spende für die Plattform „United we stream“ erstellt, über die jeden Abend DJs und Künstler:innen aus unterschiedlichsten Clubs auflegen und spielen und für die bedrohten kulturellen Orte Spenden sammeln. Die iOS-App ist bereits fertig, die Android-App soll folgen.

Bei Vice gibt es eine schöne Story über ein neun Jahre altes Video mit zwei Kindern, das damals viral ging: Tischdeckentrick: Die Story hinter dem legendären Fake-Video mit Sven und Michel.

Der Rapper Jay-Z, der einst von 99 Problemen rappte, hat das hundertste gelöst: Wie man lästige Deepfakes von sich auf YouToube loswird. Dort tauchte zuletzt eine Tondatei auf, in die computergenerierte Stimme von Jay-Z die berühmte Textzeile „Sein oder Nichtsein“ aus Shakespeares Hamlet vorträgt. Die Anwälte des Rappers beschwerten sich, die von ihm nie gesprochenen Textzeilen verletzten sein Urheberrecht. YouTube nahm die Aufnahme daraufhin runter.

Die Preise auf Amazon schwanken, aber das hat nicht immer was mit Angebot und Nachfrage zu tun. The Markup beleuchtet das sogenannte Dynamic Pricing, klärt über die Folgen auf und gibt Tipps, wie man vermeiden kann, dann wirklich 60 Dollar für einen Sack Reis blechen zu müssen: Why Am I Paying $60 for That Bag of Rice on Amazon.com?

Audio des Tages: Joy Division

Joy Division war eine der einflussreichsten Bands der 70er Jahre, die sehr viele andere Künstler:innen inspiriert haben. Der britische Musikjournalist Jon Savage hat die Geschichte der Kultband nach dem beliebten Konzept der Oral History neu aufgeschrieben. Und erklärt dem Deutschlandfunk Kultur, was die Faszination von Joy Division ist: Ungeheure Live-Energie und ein tragisches Ende.

Video des Tages: Arbeiterbewegung und Science Fiction

Passend zum ersten Mai hat die Arte-Mediathek die Geschichte der Arbeiterbewegung in vier Teilen online gestellt.

In der ZDF-Mediathek gibt es die sechsteilige Doku-Serie „Die Science-Fiction-Propheten“ mit Portraits über Arthur C. Clarkes, George Lucas, Jules Verne, Philip K. Dick, Robert A. Hienlein und Isaac Asimov.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freu mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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