[bits] Uploadfilter gegen mutmaßliche terroristische Propaganda drohen zu kommen

Hallo,

wir haben heute den gegenwärtigen Verhandlungsstand zwischen Kommission, dem Rat sowie dem EU-Parlament für den sogenannten Trilog über gesetzliche Rahmenbedingungen für möglicherweise verbindliche Uploadfilter gegen mutmaßlich terroristische Inhalte im Netz veröffentlicht: EU-Parlament stellt sich gegen Uploadfilter.

Während Kommission und Rat für verpflichtende Uploadfilter sind, will das EU-Parlament klare Grenzen u.a. mit ausdrücklichen Ausnahmen für journalistische Berichterstattung setzen. Auch Inhalte, die Behörden für „terroristisch“ halten, die aber mit erzieherischer, künstlerischer Absicht oder zu Forschungszwecken im Internet gepostet wurden, könnten vorsorglich aus dem Netz verschwinden, wenn Rat und Kommission sich durchsetzen.

Das würde eine journalistische Berichterstattung deutlich erschweren. Menschenrechtsexpert:innen und Netzaktivist:innen warnen eindringlich vor dem Vorschlag der Kommission. Aufgrund des schwammigen Terrorismus-Begriffs, der kurzen Löschfrist und potenziell verpflichtender Uploadfilter fürchten sie um das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet. Zudem würde eine Zensurinfrastruktur entstehen, die sich für weitere Zwecke einsetzen ließe. Mögliche Erweiterungen hat unter anderem der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) bereits zur Debatte gestellt.

Wir bleiben am Thema dran. Wenn der Trilog sich einigt, ist eine spätere Abstimmung in der Regel nur noch eine Formalität und das Thema ist dann leider durch.

Anderes Thema: Am morgigen Freitag, den 25. September ist wider großer Klima-Streik von „Fridays for future“. Auf der Webseite finden sich 447 angemeldete Demonstrationen in Deutschland. Wichtig beim streiken: Maske tragen und Abstand halten. Und im Idealfall ein Schild mitbringen.

Neues auf netzpolitik.org

Eine neue Folge der unendlichen Geschichte des Breitbandausbau hat Tomas Rudl aufgeschrieben: EU-Kommission gibt grünes Licht für mehr staatliche Hilfe.

Nach jahrelangem Tauziehen hat die EU-Kommission dem Plan der Bundesregierung zugestimmt, den Breitbandausbau künftig mehr zu fördern. Die privaten Netzbetreiber werden sich jetzt warm anziehen müssen.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Etwas verwundert waren wir bei der re:publica, als wir in der Anklageschrift gegen Julian Assange einen Auftritt bei uns von der Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison fanden. Telepolis berichtet jetzt darüber, wie einige Auftritte von Wikileaks auf deutschen Netz-Konferenzen zur vermeintlichen Beweisführung genutzt wurden: USA spähten für Assange-Anklage Veranstaltungen in Deutschland aus.

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Jörg Schieb erklärt im Digitistan-Blog des WDR, wie die Datengetriebenen Geschäftsmodelle der Autohersteller funktionieren und welche Fragen sich ergeben. Tesla wollte ihm kein Interview geben: Wenn Autos zu Datenkraken werden.

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Einen schönen Report zu Civictech-Projekten und Best-Cases hat hat der New Yorker Think-Tank Civic Hall veröffentlicht: Pathways through the Portal – A Field Scan of Emerging Technologies in the Public Interest (PDF).

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Die Mozilla-Foundation hat verglichen, wie unterschiedliche US-Streaming-Plattformen mit politischer Werbung im aktuellen Wahlkampf umgehen und welche eigenen Regeln man sich geschaffen hat: Paid Programming – Investigating streaming ads during the election season.

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Seit zwei Jahren versucht der Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag am Breitscheidplatz herauszufinden, was genau passiert ist. Dabei spielen einige Sicherheitsbehörden eine entscheidende Rolle, denn es kommt nicht häufig vor, dass ein Anschlag von einer Person verübt wird, die vorher im Scheinwerfer von Polizeibehörden und Verfassungsschützern stand. Aber auch nach zwei Jahren sind sehr viele Fragen offen und viele Dinge immer noch ungeklärt. Florian Flade hat für tagesschau.de einen kleinen Überblick geschrieben: Der U-Ausschuss und die offenen Fragen.

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Donald Trump fährt immer weiter die Strategie, mindestens den Eindruck zu erwecken, dass er eine Wahlniederlage nicht akzeptieren würde. Das Verhalten aus der Mottenkiste einer repressiven Bananenrepublik löst viel Unbehagen aus. Vor allem in einer Gesellschaft, wo militante Durchgeknallte viele Automatikgewehre besitzen und sich seit Jahren auf etwaige Bürgerkriege vorbereiten, über die sie im Netz auf rechtsextremen Seiten vorbereitet werden. The Atlantic thematisiert das und spielt Szenarien durch: The Election That Could Break America.

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Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong ist wieder festgenommen worden. Diesmal wird ihm die Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung vorgeworfen: Demokratie-Aktivist Wong festgenommen.

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Gesichtsschilder, sogenannte Face-Shields, nützen als Schutz vor Aerosole weniger, als viele denken. Was offensichtlich ist, weil an den Seiten ja Öffnungen sind und ohne Maske da einfach kleine Aerosole vorbeischweben können, hat jetzt auch ein japanischer Supercomputer ausgerechnet: Face shields ineffective at trapping aerosols, says Japanese supercomputer.

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Über die Folgen der Pandemie und die aktuelle Stellungnahme der Leopoldina (siehe bits von gestern) hat die Berliner Zeitung mit der Gesundheitspsychologin Jutta Mata gesprochen: Psychologin zu Corona: „Verhalten ist die wichtigste Stellschraube“.

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Die Polizei in NRW findet immer mehr rechtsextremistische Verdachtsfälle, wie die Tagesschau berichtet: 104 Verdachtsfälle bei NRW-Polizei. Etwas verwundert war ich von der Info, dass darunter auch vier Beamte aus dem NRW-Innenministerium zu finden sein sollen. Das würde natürlich einiges erklären.

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Die SPD hat ein kleines Altersproblem, was der Generalsekretär Lars Klingbeil lösen will. Wie das konkret aussieht und welche jungen Kandidat:innen es im Land gibt, hat der Spiegel zusammengetragen: Klingbeils Kur.

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Der nach Rechtsaußen offene Rechtspopulist Roland Tichy soll demnächst nicht wieder für das Amt der wirtschaftsliberalen Ludwig-Erhard-Stiftung (LES) kandidieren. Medien machten daraus ein „Er tritt zurück“, aber konkret müsste man sagen: Tritt nicht wieder an. Vorausgegangen waren einige angekündigte ruhende Mitgliedschaften von Unions-Politiker:innen.

Warum denen erst jetzt und nicht bereits vor Jahren auffiel, dass der langjährige LES-Vorsitzende Tichy mit seinen Publikationen mindestens rechtspopulistische Positionen eine Bühne gibt, ist mir leider nicht bekannt. Der Spiegel fasst das zusammen: Roland Tichy gibt Leitung der Ludwig-Erhard-Stiftung auf.

Video des Tages: Microtargeting mit Gundermann

Über Online-Kampagnen-Strategien mit Hilfe von Microtargeting berichtet die ZDF-Dokumentation „US-Wahl 2020: Dunkle Machenschaften – Wie mit Daten die US-Wahlen beeinflusst werden“. Keine Überraschung ist, dass vor allem evangelikale Gruppen das massiv einsetzen.

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In der Arte-Mediathek gibt es derzeit den Film „Gundermann“ über einen singenden Baggerfahrer, der in der DDR auch Stasi-IM war.

Netzpolitik-Jobs

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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Die Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ (POLDI) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sucht eine/n „Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (m/w/d)“ für ihr GUARDINT-Projekt, das sich mit der demokratischen Kontrolle digitaler und transnationaler Nachrichtendienstüberwachung befasst.

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Investigate Europe ist eine transnationale Medienplattform für investigativen Journalismus mit Sitz in Berlin. Aktuell wird ein/e Community Engagement Coordinator/in gesucht. Das ist wohl zwischen Social Media-, Community-Management und Audience Development angesiedelt.

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Epicenter.works ist eine östereichische Organisation für digitale Bürgerrechte. Aktuell hat die Organisation mit Sitz in Wien eine „Policy Advisor (m/w/d)„-Stelle ausgeschrieben.

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Wikimedia Deutschland sucht eine/n „Referent für Bildung und Teilhabe in der digitalen Welt“ (m/w/d).

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Und eine zweite Ausschreibung von Wikimedia Deutschland sucht nach „Manager digitale/ offline Events (m/w/d)“.

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Die Deutsche Welle sucht eine/n „Redakteur (w/m/d) für Digitalpolitik“ in Berlin.

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Die Free Software Foundation Europe setzt sich für die Förderung von Freier Software (im Volksmund auch Open-Source genannt) ein. Für ihr Team in Berlin, das drei Türen weiter neben unserem Büro auf derselben Etage sitzt, sucht die FSFE jetzt eine Büroassistenz.

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Der Digital Freedom Fund ist ein weiterer Zusammenschluss verschiedener Stiftungen, die zivilgesellschaftliche Organisationen bei strategischen Prozessführungen finanziell unterstützt und vernetzt. Dafür wird ein Operations Officer für das Büro in Berlin gesucht. Das ist weitgehend Reise- und Eventmanagement.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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