Hallo,
vor sieben Wochen hat der Europäische Gerichtshof das Datenaustausch-Abkommen Privacy Shield für illegal erklärt. Doch in der Alltagspraxis hat sich nichts geändert, Daten werden immer noch ausgetauscht, als wäre nichts gewesen.
Der österreichische Jurist Max Schrems hatte erfolgreich gegen Privacy Shield geklagt. Gestern war er im EU-Parlament eingeladen, um seine Eindrücke und Einschätzung zu schildern.
Der Europäische Gerichtshof hat vor allem mit Verweis auf die Massenüberwachungspraktiken von NSA & Co. geurteilt. Die Daten von europäischen Bürger:innen sind in den USA quasi vogelfrei, auch wenn die Verpackungsbeilage etwas anderes suggeriert („Gleiches Datenschutzniveau…“). Die Antwort auf das Problem sind notwendige Reformen in der Massenüberwachung.
Die EU ist einer der wichtigsten Märkte überhaupt. Laut Schrems gäbe es die Möglichkeit, mit Lobbying und Klagen gegen das System vorzugehen, wenn Facebook, Google und Co nur ausreichend motiviert seien: „Wenn das halbe Silicon Valley den Hügel hinauf [zum US-Kongress] marschiert, dann kriegen wir ein Ergebnis“.
Aber wir sollten nicht nur auf die USA zeigen, sondern uns an die eigene Nase fassen. Auch in europäischen Staaten gibt es Massenüberwachungssysteme, die alle mit nationaler Souveränität und Sicherheit begründet werden. Also genau dieselbe Argumentation, die auch die USA anbringen. Solange das System in der jetzigen Form so existiert und alle mit dem Finger auf die anderen zeigen, werden Unternehmen weiterhin Probleme haben, rechtskonforme Datentransfers zu managen. Und das schadet allen viel mehr.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragt doch bitte die verantwortliche Bundesregierung.
Alexander Fanta fasst die gestrige Debatte mit Max Schrems zusammen: Facebook schickt weiter Daten in die USA.
Neues auf netzpolitik.org:
Facebook wird im Vorfeld der US-Wahlen etwas aktiver, wie Jana Ballweber berichtet: Facebook kündigt Maßnahmen gegen Desinformation an.
Im Vorfeld der US-Wahl im November kündigt Facebook eine Reihe von Maßnahmen an, um Desinformation einzudämmen und politische Werbung zu regulieren. Es ist fraglich, ob die Regelungen ausreichen, um die Manipulation von Wähler:innen auf der Plattform zu verhindern.
Markus Reuter über gestrige Ankündigung der beliebten und datenschutzfreundlichen Whatsapp-Alternative: Threema wird Open Source.
Lange Zeit wurde Threema dafür kritisiert, dass der Programmcode nicht einsehbar ist. Nun will der Schweizer Messenger diesen offenlegen. Zugleich steigt eine deutsch-schweizerische Investmentfirma bei dem Unternehmen ein.
Kurze Pausenmusik:
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Was sonst noch passierte:
Der Bayrische Rundfunk hat die Entwicklung der Corona-Zahlen in Deutschland datenjournalistisch visualisiert und damit etwas anschaulicher gemacht.
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Eine Koalition aus zivilgesellschaftlichen Organisationen um Privacy International und dem Chaos Computer Club hatten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen britische Massenüberwachungspraktiken eingereicht. Der EGMR hat die Klage abgewiesen, die NGOs sind sauer: PI’s statement on the ECtHR decision in Privacy International v. UK.
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Etwas Geschichtskunde bietet Spiegel-Online, die den Geschichtsprofessor Eckart Conze zur Symbolik und dem Geschichtsbild hinter den Schwarz-Weiß-Roten Reichsflaggen befragt haben: Wollen die wirklich Kaiser Wilhelm zurück? (Kurz-Antwort: Jein, also nicht in Person. Aber zumindest ist die Reichsflagge ein Erkennungszeichen von Anti-Demokraten mit einem bestimmten Gesellschaftsbild.
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Ebenfalls bei Spiegel-Online findet sich ein weiteres Interview mit der Sozialwissenschaftlerin Claudia Barth über den vermeintlichen Widerspruch, wenn Menschen für Frieden und Harmonie gemeinsam mit Rechtsextremen demonstrieren gehen: „In der deutschen Esoterik ist völkisches Denken ein fester Bestandteil“.
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Die verschwörungswütigen Querdenker haben gerade Auseinandersetzungen über die Frage, wie offen man mit Rechtsextremen kooperieren kann. Belltower-News haben zu den Diskussionen im Anschluss an die Demo in Berlin den Politikwissenschaftlicher Josef Holnburger interviewt, der die Szene beobachtet: Katzenjammer und Spaltung in der Verschwörungsszene.
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Einen kleinen Überblick, wie „Künstliche Intelligenz“ die Arbeit von Musikern ergänzen kann, gibt es hier: Will Artificial Intelligence Replace Human Musicians?
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Der Autor David Graeber (Schulden / Bullshit Jobs) ist im Alter von 59 Jahren verstorben. Die SZ widmet ihm einen Nachruf: Ein Anarchist mit Charme. Und der Autor Cory Doctorow würdigt sein Wirken in einem Twitter-Thread (und erklärt nebenbei, dass Graeber auch Inspiration für das kleine Science-Fiction-Sub-Genre „debtpunk“ war). Auf dem vergangenen 36. Chaos Communicatin Congress sprach David Graeber über „From Managerial Feudalism to the Revolt of the Caring Classes“ (Video).
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Lustigste Nachricht des gestrigen Tages: Die bekannte Satire-Seite Der Postillion brachte am Dienstag die „Verschwörungs“-Meldung, dass der Koch und Hobby-Hitler Attila Hildmann von Angela Merkel bezahlt würde, um mit seinen Aktionen und Auftreten die Querdenker-Szene lächerlich zu machen. Dazu gab es ein „Beweis-Foto“ in Form einer recht offensichtlichen Foto-Collage, das ihn und Merkel zeigt und den Screenshot eines „Ausgabebeleges“ einer Anzahlung über 666.666 Euro durch die „BRD GmbH“. Soweit, so gut und ganz witzig im Verschwörer-Duktus gemacht.
Das führte dann dazu, dass Attila Hildmann auf seinem Telegram-Kanal ein Dementi bringen musste, weil er hunderte erboste Zuschriten erhalten habe, die ihn mi der „Aufdeckung“ konfrontierten. Ein schönes Beispiel dafür, wie wichtig die Vermittlung von Digitalkompetenzen ist.
Video des Tages: The 8-Bit Philosophy
Bei Amazon Prime und auf den üblichen sonstigen Kanälen gibt es die Dokumentation „The 8-Bit Philosophy 2 -the good and the bad guys“ über die C64-Crackerszene zu sehen. Das gibt einen kurzen Einblick in einen Teil der Netzkultur der 80er und frühen 90er Jahre. Hier gibt es einen Trailer und hier eine Rezension.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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