Hallo,
eigentlich wollte ich gerade in Hongkong sein und dort Urlaub machen. Aber aufgrund der vielfältigen Entwicklungen dieses Jahres sitze ich stattdessen Zuhause am Schreibtisch und schreibe diesen Newsletter. Seit vergangener Woche gilt für in Hongkong ein neues Sicherheitsgesetz, das die Grundrechte der dort wohnenden Menschen massiv beschneidet. Das hatte ich auch nicht auf dem Schirm, als ich vor langer Zeit Pläne für diesen Sommer machte.
Die Hongkonger Demokratiebewegung ist durch die neue schwammige Gesetzgebung in ständiger Gefahr: Ein öffentliches Eintreten für Demokratie und Grundrechte kann von Sicherheitsbehörden als Subversion interpretiert werden. Das kann jetzt sehr einfach zur Verhaftung und jahrelanger Haft führen. Die freien Tage der ehemaligen britischen Kolonie scheinen vorbei.
Noch ist unklar, wie sich die großen Plattformen verhalten werden. Diese sind jetzt zur Kooperation mit Sicherheitsbehörden verpflichtet. Noch übt man sich in Distanz. Früher oder später werden sich Facebook und Co aber die Frage stellen müssen, ob ihnen jetzt Menschenrechte oder der chinesische Markt wichtig sind.
Markus Reuter hat erste Reaktionen zusammengetragen: Twitter und Facebook unterbrechen Datenweitergabe an Hongkonger Behörden.
Neues auf netzpolitik.org:
Polizeibehörden müssen neutral, sachlich und richtig kommunizieren. Das machen sie leider nicht immer. Vor allem in sozialen Medien kann das zu einem Problem werden, wenn in Verbindung mit unkritischen Journalist:innen die Perspektive von PR-Abteilungen ungefragt übernommen und weiterverbreitet wird. Auf das Problem macht der Jurist Friedrich Schmitt in einem Gastbeitrag aufmerksam: Warum Polizeibehörden nicht beliebig twittern dürfen. Horst Seehofer hat für das Problem sicher auch eine Studienidee in der Schublade.
Fotos von niedlichen Tierbabys zu posten, gehört nicht zu den Kernaufgaben der Polizei und hat grundsätzlich auch nichts auf deren Twitter-Accounts zu suchen. Der Jurist Friedrich Schmitt erklärt, wo die rechtlichen Grenzen für polizeiliche Social-Media-Arbeit verlaufen.
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Aus der Kategorie „Corona macht Gelegenheiten“: Seit Jahren gibt es die Gefahr, dass die anlasslose Massenüberwachungspraxis der Fluggastdaten-Speicherung auch auf andere Reisearten übertragen wird. Unser Bundesinnenministerium ist da gerne vorne mit dabei und wenn wir nicht aufpassen, gibt es irgendwann keine anonymen Bahnfahrten mehr. Matthias Monroy berichtet über neue Aktivitäten im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft: EU-Staaten diskutieren Nachverfolgung von Corona-Infektionen mit Passagierdaten.
Das deutsche Innenministerium prüft in einer EU-weiten Umfrage, wie Fluggastdaten bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie verarbeitet werden könnten. Hierfür müsste die PNR-Richtlinie geändert werden. Das könnte auch Bus- und Bahnreisen betreffen.
Was sonst noch passierte:
El Pais hat in einer sehenswerten Scroll-Dokumentation drei gut dokumentierte Verbreitungen von Corona-Infektionen visualisiert und kontextualisiert. Das gibt anhand der Beispiele einen guten Überblick für drei Situationen im Büro, im Restaurant und im Bus , was die wahrscheinlichen Parameter für die jeweiligen Übertragungen waren und was man daraus lernen kann. Das ist zwar nichts neues mehr, aber gut umgesetzt und es hilft ja immer, sich der gegenwärtigen Gefahr immer wieder bewusst zu sein und einige Risiken zu minimieren: An analysis of three Covid-19 outbreaks: how they happened and how they can be avoided.
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Dazu passt auch ein Artikel in der New York Times: 239 Experts With One Big Claim: The Coronavirus Is Airborne. Die WHO möchte immer noch nicht mit Verweis auf unklare Faktenlage den Einfluss von Aerosolen für die Verbreitung von Corona anerkennen. Das führt zu einigen Problemen, denn wenn die WHO sich der Meinung anschließt, dann hat das große Auswirkungen auf eine mögliche Bekämpfung, die auch zu unpopulären Maßnahmen wie einer Maskenpflicht und Filterpflichten für Klimaanlagen führen könnte.
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Das Projekt #50survivors möchte über Wochen 50 Covid19-Überlebende vorstellen, denen in Form eines Dialog-Journalismus Fragen gestellt werden und worüber die Erfahrungen und Eindrücke von unterschiedlichen Krankheitsverläufen beschrieben werden.
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Die Download-Zahlen sind hoch, die App meist gelobt. Aber was passiert, wenn eine Meldung durch die Corona-Warn-App mit der analogen Welt zusammentrifft? Meike Laaff hat bei Gesundheitsämtern nachgefragt: Corona-Warn-App: App trifft Amt.
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Holger Bleich fasst für die c’t nochmal die Kritik an der ersten Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zusammen, das gegen Hasskriminalität helfen soll, aber viele mögliche negative Nebenwirkungen mit sich bringt: Warum ein neues GroKo-Gesetz die Meinungsfreiheit einschränken wird.
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Der RBB hat für sein Sommerinterview den Rechtsextremisten Andreas Kalbitz eingeladen, der aktuell Landes- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg ist. Ich kann mir vorstellen, dass das keine einfache Entscheidung war und man sich lange beraten hat, ob man das tun muss oder lassen sollte. Trotzdem in ich überzeugt, dass dieses Sommerinterview ein großer Fehler war und in der Form nicht hätte stattfinden sollen.
Das normalisiert Nazis, vor allem wenn man sich redaktionell nicht so gut vorbereitet hat, und dabei ein Wohlfühl-Sommerinterview wird, das der Interviewpartner für Brownwashing nutzen kann. Ann-Katrin Müller bringt das bei Spiegel-Online auf den Punkt: Bühne frei für den Feind der Demokratie.
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Für die vergangene Wochenendausgabe der taz hat Peter Unfried ein sehr langes Portrait über den ZDF-Talker Markus Lanz geschrieben. Das ist spannend zu lesen, weil es über ein klassisches Portrait hinaus geht und dabei neben den Moderationstechniken von Lanz im Vergleich zu anderen Talk-Shows auch viele Medienmechanismen des Fernsehens beschreibt: Er will’s wirklich wissen.
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Palim! Palim! ist eine Videoplattform der Stadt Bühl (liegt im Südwesten und ist bekannt für seine Zwetschgen). Die Plattform auf Basis der freien Software Jitsi bietet den Bürger:innen der Gemeinde eine niedrigschwellige Möglichkeit, datenschuzfreundlich miteinander Video-Kontakt zu haben und wird auch gut angenommen. Die Free Software Foundation Europe hat den Digitalisierungsbeauftragten Eduard Itrich von der öffentlichen Verwaltung der Stadt Bühl dazu interviewt.
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Die EU wollte dieses Jahr mit einem ambitionierten Plan die Klima-Krise lösen. Aber daraus wird nichts, weil 137 Milliarden Euro immer noch in die Subvention von fossilen Brennstoffen fließen, wie eine Recherche von Investigate Europe zeigt. Spitzenreiter hierbei ist übrigens Deutschland, wo mindestens 37 Milliarden Euro in fossile Brennstoffe fließen, darunter sind Steuervergünstigungen für Flugbenzin und das Dieselprivileg. Zu Risiken und Nebenwirkungen für unser Klima und Zukunft fragt einfach die Bundesregierung.
Wikimedia Deutschland vergibt wieder bis zu 20 Stipendien für den Schwerpunkt Offene Wissenschaft für Doktorand*innen, Post-Docs, Juniorprofessor*innen sowie wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen (oder Personen in vergleichbaren Positionen), die an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland, Österreich oder der Schweiz tätig bzw. in anderen wissenschaftlichen Organisationen oder Netzwerken nachweislich aktiv sind. Die Bewerbungsfrist endet am 30. Juli, hier gehts zur Ausschreibung.
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Kürzlich berichteten wir über den politischen Kahlschlag beim Open Technology Fund, einem wichtigen Geldgeber für offene und freie Anti-Zensur-Tools wie Signal oder Tor. Nun stellt sich heraus, dass offenbar die antikommunistische und Verschwörungsmythen verbreitende Sekte Falun Gong einen guten Teil dazu beigetragen hat, die bisherige Führung mit religiösen Hardlinern zu ersetzen – unter anderem, um die von einem Sektenmitglied programmierte Software Ultrasurf zu finanzieren: New Trump Appointee Puts Global Internet Freedom at Risk, Critics Say.
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Ein Jugendlicher im Anzug und mit Businessblick verspricht Erfolg, Reichtum und sonstige im Kapitalismus erstrebenswerte Ideale. Für ihre Workshops nehmen die Minderjährigen jede Menge Geld und locken mit der Aussicht darauf, zum „Closer“ zu werden. Einen Einblick in diese skurrile Welt und einen amüsanten Christian-Lindner-Vergleich hat Matthias Schwarzer zur jungen Online-Coach-Szene aufgeschrieben: Dubiose Internet-Gurus: Wenn 14-Jährige das große Geld versprechen .
Video des Tages: Sklavenhandel
In der Arte-Mediathek gibt es die vierteilige Dokumentation „Menschenhandel – Eine kurze Geschichte der Sklaverei„. Folge eins thematisiert die 700 Jahre Geschichte, in weiteren Teilen geht es um die vielen Auswirkungen auf den Verlauf der Menschheitsgeschichte.
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Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.
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