bits – [bits] https://bits.netzpolitik.org Der wochentägliche Newsletter von netzpolitik.org Fri, 08 Apr 2022 18:22:18 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.9.3 https://bits.netzpolitik.org/wp-content/uploads/2020/03/cropped-bits-32x32.jpg bits – [bits] https://bits.netzpolitik.org 32 32 Was der freundliche Arbeitgeber Huawei mit Erwin Rommel zu tun hat https://bits.netzpolitik.org/2021/was-der-freundliche-arbeitgeber-huawei-mit-erwin-rommel-zu-tun-hat Wed, 13 Jan 2021 16:54:03 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1309 Hallo,

derzeit wird es unseren bits-Newsletter nur in unregelmäßigen Abständen geben und Corona ist Schuld. Wir sind als Redaktion gerade aktuell von Schul- und Kitaschließungen betroffen und damit fallen unsere Eltern teilweise oder (je nach Kinderzahl) weitgehend aus. Ich bin dazu mit Planungen für das kommende Jahr beschäftigt und zusätzlich ist wegen der Weltlage das mediale Interesse an unseren Themen sehr groß, sodass ich derzeit einfach keine Zeit habe, jeden Tag einen Newsletter zu schreiben.

Trotzdem gibt’s heute eine Extraausgabe mit einem haarsträubenden Bericht zu Huawei, für die wir erstmals mit dem Recherchenetzwerk The Signals Network zusammengearbeitet werden. Unsere Redakteure Alexander Fanta und Daniel Laufer sowie Kolleg:innen von The Daily Telegraph, El Mundo und Republik haben mit mehr als einem Dutzend Ex-Beschäftigten von Huawei in verschiedenen europäischen Ländern gesprochen und interne Dokumente sowie verdeckte Tonaufnahmen ausgewertet.

Unsere Recherchen ergaben:

Wer ständiges Aufenthaltsrecht erwirbt, muss Europa verlassen: Der Konzern unterwirft seine aus China ins Ausland geschickten Angestellten einem strikten Rotationsprinzip, nachdem niemand länger als fünf Jahre in Europa bleiben darf. Der Griff der Firma reicht tief in das Privatleben seines Personals, dabei es geht es aus Sicht von Ex-Beschäftigten um Kontrolle. In internen Richtlinien, die netzpolitik.org und seine Recherchepartner einsehen konnten und deren Echtheit von der Firma nicht bestritten wird, heißt es, wer eine Person mit ständigem Aufenthaltsrecht in Europa heirate oder dieses auf andere Art erwerbe, müsse „Europa so schnell wie möglich verlassen“. Einem chinesischen Angestellten, der bis Anfang 2019 für Huawei in der Schweiz arbeitete, wurde nach eigenen Angaben mit der Kündigung gedroht, während seine europäische Partnerin ein Kind erwartete. Huawei sagte auf Anfrage, diese Bestimmung sei inzwischen nicht mehr in Kraft, aber machte keine Angaben darüber, seit wann.

Huaweis oberste Führungsebene ist rein chinesisch: Wer nicht aus China entsandt wurde, hat nach Angaben von Ex- Angestellten schlechte Aufstiegschancen. Quellen berichten, Nicht-Chinesen erhielten weniger Zugang zu Informationen und würden aus wichtigen internen Entscheidungen ausgeschlossen. Bei Meetings wechsele das Führungspersonal an entscheidenden Stellen mitunter ins Chinesische. Auch stehe „hinter jedem deutschen Geschäftsführer oder Personalleiter irgendeine chinesische Spiegelfigur“, wie uns IG-Metall-Gewerkschafterin Ulrike Saaber berichtete. Deutsche Geschäftsführer dürften „eigentlich nichts alleine entscheiden.“ Auf Anfrage bestreitet die Firma, dass es chinesische „Aufsichtspersonen“ geben und spricht statt dessen von einer „bewährten Doppelspitzen-Strukturen mit klarer und vernünftiger Aufgabenteilung“.

Vorwürfe wegen Geschlechter- und Altersdiskriminierung: In Deutschland und in Spanien gab es arbeitsrechtliche Verfahren gegen Huawei wegen Beschwerden über ungerechtfertigte Kündigungen älterer Arbeitskräfte. Frühere Angestellte an der Europazentrale in Düsseldorf erzählen, Huawei sehe es nicht gerne, wenn jemand bis zum Rentenantrittsalter bei der Firma bleibe. Ein spanisches Arbeitsgericht urteilt im November 2020, dass der Konzern fünf Beschäftigte zu unrecht entlassen und damit aufgrund ihres Alters diskriminiert habe. Der Konzern bestreitet das auf Anfrage. In einem andere spanischen Verfahren entschied ein Gericht das eine Frau, die Huawei im Verfahren sexistische Diskriminierung infolge einer Kinderwunschbehandlung vorgeworfen hatte, ungerechtfertigt entlassen wurde. Vor Gericht sagte eine spanische Betriebsrätin von Huawei, sie wisse von mindestens fünf Frauen, die Mütter geworden seien und ihren Job bei Huawei verloren hätten.

• Martialische Rhetorik und Rommel-Zitate: Firmengründer Ren Zhengfei ist für seine militärische Rhetorik bekannt, auch in der Europazentrale des Konzerns sind Verweise auf „Generäle“ und „Schlachten“ laut Ex-Angestellten an der Tagesordnung. Wie historisch wenig sensibel Huawei dabei vorgeht, zeigt ein nach Beginn unserer Recherche von der Firmenseite gelöschter Blogeintrag, der Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel als „unbesiegbaren“ Feldherren anpreist.

Die ganze Recherche gibt es hier nachzulesen, Daniel und Alex haben auch eine englische Version gemacht.

Weitere Highlights der vergangenen Wochen auf netzpolitik.org:

Unser Autor Leonard Kamps hat gestern festgestellt, dass das Campus-Management-System der FU Berlin ihm die Möglichkeit gab, seinen bisherigen Notenverlauf zu optimieren und dass er das auch für alle bisherigen Studierende bis zurück ins Jahr 2005 machen konnte. Das System wurde nach seiner Presseanfrage schnell abgeschaltet: Freie Universität Berlin gab Studierenden vollen Zugriff auf alle Prüfungsdaten.

Eine technische Panne im Campus Management System der FU Berlin machte heute Studierende zu Prüfungsämtern. Im „God-Mode“ konnten sie Noten und Teilnahmelisten der gesamten Uni seit 2005 einsehen und teils verändern. Den Studierenden wurden die Sonderrechte erst nach einer Anfrage von netzpolitik.org an die FU-Pressestelle entzogen.

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Das dominante netzpolitische Thema der vergangenen Woche war das sogenannte Deplatforming von Donald Trump von Plattformen wie Twitter und Facebook. Markus Reuter fasst die Debatte zusammen: Warum Trumps Accountsperrungen richtig und hochproblematisch sind.

Twitter, Facebook und fast alle anderen Netzwerke haben Donald Trump rausgeworfen. Was man bei aller demokratischer Genugtuung und menschlicher Schadenfreude nicht vergessen sollte: Sollten private Unternehmen überhaupt so viel Macht haben? Ein Debatten-Überblick.

Zu dem Thema war ich gestern auch als Interview-Gast in der 3sat-Kulturzeit zu sehen.

Was sonst noch passierte:

Der Chaos Communication Congress des Chaos Computer Club fand zwischen Weihnachten und Neujahr nur als Remote Chaos Experience – Edition statt. Ich hab in einem netzpolitischen Wetterbericht die Themen des vergangenen Jahres zusammengefasst. Davon gibt es ein Video auf media.ccc.de und auf Youtube. Und ich freue mich wieder auf die Zeiten, wo man Vorträge vor Menschen und nicht einer Kamera halten kann. Das macht irgendwie mehr Spaß.

Auf dem RC3 gab es viele andere spannende Vorträge, die alle online zu finden sind. Ich fand am spannendsten den Talk von Arne Vogelsang, der den Stand der Debatte rund um den QAnon-Verschwörungsmythos zwischen Live-Action-Roleplaying-Game und Alternate-Reality-Game zusammengefasst hat. Das ist gute Unterhaltung und Wissensvermittlung in einem. Und vor allem wurde das eine Woche später alles noch viel realer mit dem Sturm auf das Capitol: This Is Not A Game – Eine kurze Geschichte von Q als Mindfuck-Spiel.

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Am Freitag feiert Wikipedia den 20. Geburtstag und möglicherweise schaffe ich deswegen dann die nächste bits-Sonderausgabe. In der Arte-Mediathek gibt es eine Dokumentation über die Online-Enzyklopädie zu sehen, die in Teilen gut ist und in Teilen die üblichen alten Männer reden lässt, die schon immer dieselbe Meinung zur Wikipedia gehabt haben. Das war dann jeweils der schwächere Part der Dokumentation, trotzdem ist sie sehenswert, weil sie gut Mechanismen und Hintergründe erklärt: Das Wikipedia Versprechen – 20 Jahre Wissen für alle?

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Netflix hat die Macher:innen von Black Mirror mit „Death to 2020“ einen Rückblick auf 2020 machen lassen und das ist der intelligenteste, lustigste und zugleich absurdeste Jahresrückblick, den ich zu diesem Jahr gesehen habe. Lustig ist auch der Meta-Hintergrund, dass die Macher:innen von Dystopien einfach nur die Realität des Jahres abgebildet haben und dazu (berühmte) Schauspieler:innen in verschiedenen Rollen einen „persönlichen“ Rückblick geben und Entwicklungen einordnen. 70 Minuten lang, man muss aber konzentriert davor sitzen, um möglichst viele Witze und Anspielungen zu verstehen, denn das ist alles sehr dicht erzählt.

Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Das Beste zum Schluss https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-das-beste-zum-schluss Mon, 21 Dec 2020 14:32:23 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1305 Hallo,

am Freitag Abend ging eine Recherche-Kooperation von uns online, auf die wir uns sehr gefreut haben. Zusammen mit dem ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann haben wir den Finanzen der „Querdenker“-Bewegung und hier vor allem ihres zentralen Kopfes Michael Ballweg hinterher recherchiert. Das lief dann parallel im ZDF und auf Youtube als „Der Corona-Unternehmer des Jahres“ und in ausführlicher schriftlicher Form bei uns: Der geschäftige Herr Ballweg.

Der wichtigste Akteur von „Querdenken“ ruft zu Überweisungen auf ein Konto auf, das auf seinen Namen läuft, verdient am Merchandise und an Veranstaltungen der Initiative. Recherchen von netzpolitik.org und dem ZDF Magazin Royale zeigen außerdem, wie er versucht, der Bewegung seinen Willen aufzuzwingen.

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Übers Wochenende haben wir auch unser Spendenziel für dieses Jahr erreicht. Das macht uns glücklich, denn damit ist unsere Arbeit für dieses Jahr ausfinanziert und wir können besser schlafen. Ab jetzt können wir alle weiteren Spenden im Rahmen unserer freiwilligen Leser:innenfinanzierung in die kommende Arbeit und neue Recherchen investieren und freuen uns auf das nächste Jahr. Vielen Dank für die großartige Unterstützung!

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Heute Abend gibt es ein weiteres Experiment von uns: Ab 19 Uhr senden wir auf unserem Youtube-Kanal und bei uns auf der Seite den „Netzpolitischen Jahresrückblick – edition pandémique“. In der rund einstündigen Sendung kombinieren wir Einblicke in unsere redaktionelle Arbeit mit etwas Spiel und Spaß. Dazu gibt es einen kleinen thematischen Jahresrückblick. Für Freund:innen des zeitversetzten Bewegtbildkonsums gibt es das Video selbstverständlich im Anschluss auch noch zu sehen.

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Das ist jetzt die letzte Folge bits-Newsletter vor der Winterpause. Ich wünsche gute Erholung, viel Spaß und kann natürlich den Chaos Communication Congress empfehlen, der in diesem Jahr vom 27.-30. Dezember in einer Remote-Variante überall da stattfindet, wo es Internet gibt. Am 28. Dezember werde ich um 18 Uhr in meinem diesjährigen netzpolitischen Wetterbericht einen Rückblick auf die Debatten des vergangenen Jahres werfen und einen Ausblick auf die Themen des kommenden Jahres geben.

Kurze Pausenmusik:

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Feedback und sachdienliche Hinweise bitte an markus@netzpolitik.org schicken.

Die redaktionelle Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Chris Köver unterstützt.

Neues auf netzpolitik.org

Jana Ballweber hat sich angeschaut, was Hersteller von automatisierten Einlasssystemen versprechen und einhalten: Vermessung auf dem Weg ins Fußballstadion.

Unter dem Vorwand der Pandemie-Bekämpfung schleichen sich derzeit Überwachungssysteme in die Stadien der Bundesliga ein. Mehrere Vereine experimentieren mit Temperaturmessungen und Maskenerkennung am Einlass. Datenschutzbehörden melden Zweifel an.

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In einem Gastbeitrag erklärt Bastian Rosenzweig: Bei Hass-Kommentaren liegt die AfD vorn.

Eine wissenschaftliche Untersuchung auf der Basis von mehr als vier Millionen Facebook-Kommentaren zeigt, wo sich der Hass entlädt und wen er trifft: Auf den Seiten der AfD wird mit Abstand am meisten gehasst, gegen Linke, Frauen und alles Fremde. Dass Konservative und Rechte ebenso heftig von Hassnachrichten betroffen wären wie Linke oder Grüne, trifft indes nicht zu.

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Matthias Monroy hat ein Pilotprojekt zu grenzüberschreitenden Ermittlungsakten analysiert: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft will europäisches System für Polizeiakten.

Zum zweiten Mal leitet das BKA ein EU-Pilotprojekt, das eine grenzüberschreitende Abfrage von Ermittlungsakten ermöglichen will. Dies könnte neben polizeilich verdächtigen Personen auch deren Kontaktpersonen oder Opfer betreffen. Das Bundesinnenministerium verfolgt das Vorhaben seit der deutschen EU-Präsidentschaft 2007.

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Tomas Rudl berichtet über den jüngsten Angriff auf iPhones von Journalist:innen, bei denen schon wieder ein bestimmter Spähsoftwarehersteller auftaucht: Dutzende iPhones von Journalist:innen gehackt

Über eine bislang unbekannte Sicherheitslücke brachen Angreifer bei Journalist:innen des Nachrichtensenders Al Jazeera ein. Mit einer Spähsoftware der israelischen NSO Group sollen dutzende iPhones gehackt worden sein, berichten Forscher des kanadischen Citizen Lab.

Was sonst noch passierte:

Der umstrittene Algorithmus, den das österreichische Arbeitsmarktservice zur Kategorisierung von Arbeitssuchenden eingesetzt hat, macht kurz vor Jahresende ein überraschendes Comeback. Im August hatte die Datenschutzbehörde das automatisierte Entscheidungssystem einkassiert, das auf Basis persönlicher Daten wie Alter oder Geschlecht die Chancen einer Person am Jobmarkt vorhersagen sollte: Das widerspreche gleich in mehreren Punkten den Datenschutzregeln der EU. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bescheid nun wieder aufgehoben – womit der Weg für einen Einsatz das Systems wieder frei steht.

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Der datenschutzfreundliche Messenger Threema hat jetzt den Quelltext seiner Apps als Open-Source veröffentlicht, bislang galt dies nur für das kryptographische Verfahren und dessen Implementierung. Damit verbunden sind 50% Rabatt beim Kauf einer Lizenz in den gängigen App-Stores.

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Der Attentäter von Halle ist heute zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Während des Gerichtsverfahrens kam heraus, dass Sicherheitsbehörden keinen Peil von Imageboards hatten, wo Radikalisierung teilweise stattfindet. Da möchte man jetzt Wissen nachholen und das ist deutlich sinnvoller als Hintertüren in Verschlüsselung einzubauen. Die Tagesschau berichtet darüber: „Definitiv Nachholbedarf“. Und parallel die Süddeutsche Zeitung: Im Netz der Nazis.

Video des Tages: Inside No.9

Inside No.9“ in der Arte-Mediathek ist guter, in Teilen sehr lustiger, britischer schwarzer Humor in einer Serie mit einzelnen, nicht zusammenhängenden, Episoden. Die Serie ist nicht zum Einschlafen gedacht, dafür sind einige Folgen zu lustig (leider erfolgreich getestet).

Guten Rutsch!

Jobs in der Netzpolitik:

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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iRights.info sucht Redakteur*in (w/m/d) im Rahmen einer acht Stunden / Woche – Stelle.

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HateAid sucht Referent*in der Geschäftsführung (m/w/d) in Berlin.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute und für dieses Jahr. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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[bits] Das Jahr in Zahlen und Themen https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-das-jahr-in-zahlen-und-themen Fri, 18 Dec 2020 17:07:24 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1303 Hallo, zum Jahresende habe ich in einem Rückblick die netzpolitischen Top-Themen und unsere besten Recherchen mit Zahlen und Daten zusammengefasst: Unser Jahr in Zahlen, Recherchen, Themen und Lockdowns. Auch wenn das Jahr mit vielen neuen Überwachungsgesetzen dieser Großen Koalition zu Ende geht, ist es für uns als gemeinwohlorientiertes Medium besser gelaufen, als wir das im Frühjahr befürchtet haben. Wir haben bisher 1.157 Artikel publiziert und unsere Server-Zugriffe haben sich um rund 30 % gegenüber dem Vorjahr verbessert. Wir werden bisher von über 11.000 Spender:innen in unserer Arbeit unterstützt und sind ganz überrascht, dass wir diese Zahl um rund 50% gesteigert haben. Vor allem viele kleine Spenden kamen in den vergangenen Wochen zusammen, wir freuen uns aber auch über mehr Daueraufträge, die uns mehr Planungssicherheit geben. Vielen Dank an alle, die uns dabei unterstützen! Wenn alles weiter so gut läuft, können wir mit einem kleinen Polster ins nächste Jahr gehen und unsere kleine Redaktion etwas ausbauen.

Das ist die 164. Ausgabe des bits-Newsletters, den ich im März als Experiment gestartet habe. Insgesamt umfassen alle bisherigen Ausgaben 195.761 Wörter. Gerade kann ich nicht garantieren, dass ich kommende Woche weitere bits-Ausgaben schaffen werde, aber ich werde es probieren. Dann folgen Weihnachten, der Remote Chaos Communication Congress und etwas Ruhe und im neuen Jahr muss ich schauen, wann es wie weitergeht.

Heute Abend kann ich übrigens das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann empfehlen.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Tomas Rudl hat sich die britischen Pläne für eine Plattformregulierung angeschaut: Vereinigtes Königreich plant Kindersicherung fürs Internet.

Für Online-Dienste, auf denen sich Nutzer:innen austauschen können, sollen künftig strenge Regeln gelten. Das soll vor allem Kinder schützen, aber auch Erwachsene vor möglichem Schaden aus dem Netz bewahren. Grundrechtsorganisationen warnen vor der Einschränkung von Menschenrechten.

=== Ein Bündnis aus netzpolitischen Verbänden und Vereinen kritisiert in einem offenen Brief an Bundesministerien die aktuelle Praxis scharf, die Frist für mögliche Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen immer knapper zu machen: Bei neuen Gesetzen nicht mehr nur kurzes Drüberschauen.

Das wollen sich die netzpolitischen Verbände und Vereine künftig nicht mehr bieten lassen: nur ein paar Tage, um Gesetzesvorhaben zu bewerten. Sie schreiben einen offenen Brief und fordern mehr Zeit für Stellungnahmen.

Was sonst noch passierte:

Der Bürgerrechtler Dr. Rolf Gössner ist die vergangenen 38 Jahre für seine Arbeit vom Verfassungsschutz zu Unrecht überwacht worden. Nach 15 Jahren Verfahrensdauer hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig dies letztinstanzlich bestätigt. Von der Humanistischen Union gibt es dazu eine Pressemitteilung: Vier Jahrzehnte „Verfassungsschutz“-Skandal rechtskräftig beendet. Die Taz hat eine Zusammenfassung: Verfassungsschutzkritiker rehabilitiert – Zu Unrecht bespitzelt. === Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) hat die Preisträger ihres diesjährigen „Das Goldene Brett 2020“ ausgezeichnet. Gewinner des Jahres ist der Infektionsepidemiologe und Corona-Leugner Sucharit Bhakdi. Der Verschwörunsunternehmer KenFM wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Von der Verleihung gibt es ein Video auf YouTube mit den Laudationes. === Im Interview mit dem Deutschlandfunk kritisiert der Verfassungsrechtler Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte die gerade vom Bundeskabinett beschlossene Reform des BND-Gesetzes: „Steilvorlage für eine Verfassungsbeschwerde“. === Der Jurist Dr. Christian Rückert analysiert im Verfassungsblog den neuen Vorschlag zur Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für die Betreiber von Darknet-Marktplätzen und ist noch nicht davon überzeugt, auch wenn die aktuelle Version besser sei als ihre Vorgänger: Endlich Licht ins Darknet? === Deutschlandfunk Kultur hat eine lange Liste ihrer „besten Hörstücke 2020“ zum zeitsouveränen Hören zusammengestellt. Darunter gibt es auch eine einstündige Sendung, die das Weltbild von James-Bond-Filmen untersucht: Der Ethnologe ihrer Majestät.

Audio des Tages: Pornhubs dunkle Seiten

Die Radiosendung „Der Tag“ auf HR2 hat gestern über „Öffentliche Erregung – Pornhubs dunkle Seiten“ berichtet und dabei die aktuellen Kontroverse um die prominente Porno-Plattform zusammengefasst.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Wo mehr Überwachung tatsächlich mal Sinn macht https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-wo-mehr-ueberwachung-tatsaechlich-mal-sinn-macht Thu, 17 Dec 2020 15:57:26 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1300 Hallo,

eines der Themen des Jahres waren die vielen unkontrollierten Datenabfragen von Polizisten, die dann zu Morddrohungen sowie Einschüchterungsversuchen führen und die Meinungsfreiheit von Menschen einschränken.

Einen besonders krassen Fall aus Greifswald hat Ingo Dachwitz für uns recherchiert: Auf den Notruf folgt die Drohung.

Nach einem politischen Streit auf Facebook ruft ein Beamter Informationen über eine junge Frau aus Polizeidatenbanken ab. Kurz darauf versuchen Rechte, sie mit diesen Daten einzuschüchtern. Rekonstruktion eines Datenschutzskandals, der womöglich nie ganz aufgeklärt wird.

Das ist mal ein Bereich, wo mehr Überwachung im Sinne von Transparenz tatsächlich Sinn ergeben würde. Nur die Polizeigewerkschaften sind bei dem Thema ganz leise, obwohl die sonst ständig nur mehr Überwachung fordern.

Zu dem Thema haben wir auch vor Wochen einen Podcast mit der Kabarettistin İdil Baydar über Bedrohungen, Hass und Rassismus in Polizei und Gesellschaft geführt.

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Neues auf netzpolitik.org

Serafin Dinges berichtet von einer Anhörung zum Registermodernisierungsgesetz: Mehr Kritik an der zentralen Personenkennziffer.

Der Entwurf des Registermodernisierungsgesetzes ist wohl verfassungswidrig. Zu dem Beschluss kommen nun auch Expert:innen in einer Anhörung des Bundestags. Aber es gab auch Befürworter:innen der Pläne.

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Es gibt immer mehr Klagen gegen die Marktdominanz von Google und Facebook, wie Alexander Fanta aufschreibt: Kartellvorwürfe gegen Google und Facebook.

In den USA startet ein weiteres Wettbewerbsverfahren gegen Google. Dem Konzern wird vorgeworfen, den Markt für Werbeanzeigen im Netz mit unfairen Taktiken zu dominieren. Dabei soll es auch eine geheime Absprache mit Konkurrent Facebook gegeben haben.

Was sonst noch passierte:

Die Corona-Warn-App bekommt ein Update. Man sollte sich nicht wundern, wenn die Anzeige der Risikobegegnungen danach anders aussieht, denn es findet eine Neuberechnung statt: Risikoberechnung ändert sich deutlich.

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Schöne Aktion, um auf den fehlenden Breitbandausbau hinzuweisen: In der Gemeinde Schmallenberg-Oberkirchen wurde ein Wettbewerb veranstaltet, auf welchem Weg 4.5 GB über zehn Kilometer schneller ans Ziel gelangen: Pferd gegen Internet – Wer bringt Daten schneller?

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Im Moment läuft eine große Kampagne der Rechteindustrie für Uploadfilter und gegen Ausnahmeregelungen für kurze Ausschnitte im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform. Wer sich wundert, was in vielen Feuilletons gerade empört verfasst wird, findet in diesem Video von Julia Reda die Hintergründe: Claims der Unterhaltungslobby widerlegt.

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Für Zeit-Online hat Anna Loll die Pläne der EU-Innenminister analysiert, die sich Hintertüren in verschlüsselter Kommunikation wünschen: Ihr WhatsApp-Chat könnte bald nicht mehr vertraulich sein.

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Der italienische Künstler Paolo Cirio hat Fotos von 4.000 Polizist:innen online gestellt und um Identifizierung gebeten, um auf Probleme bei automatisierter Gesichtserkennung hinzuweisen. Für den ORF hat Anna Masoner mit ihm darüber gesprochen: Wer darf wen identifizieren?

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Eine Studie hat untersucht, ob Programmieren mit Sprache zu tun hat und kommt zu, zumindest für manche, überraschenden Ergebnissen: Programmieren hat mit Sprachbegabung nicht allzu viel zu tun.

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Das ZDF hat mit „Inside PolitiX“ ein neues Youtube-Format und behandelt in der aktuellen Folge „Wirecard und Guttenberg: Brauchen wir Lobbyismus – oder muss das weg?“

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Die FAZ beschreibt in ihrer Reihe POP-Anthologie die Geschichte hinter „Tom’s Diner“ von Suzanne Vega: De-de-de-deh, de-de-de-deh. Fast noch schöner als das Original ist der inoffizielle Remix von Rampue.

Audio des Tages: Was tun bei Verschwörungsmythen im Familienkreis?

Passend zur Weihnachtszeit bietet SWR2-Wissen einen Podcast zu „Verschwörungsmythen – Was tun, wenn Familie und Freunde abdriften?“ an. Falls jemand das Risiko eingehen möchte, Verwandte mit Corona zu infizieren, die einen dafür mit Zwangschipsängsten volllabern, findet hier gute Argumente.

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Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Bundesregierung beschließt neue Überwachungsbefugnisse https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-bundesregierung-beschliesst-neue-ueberwachungsbefugnisse Wed, 16 Dec 2020 16:50:11 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1298 Hallo,

heute hat das Bundeskabinett gleich drei netzpolitisch relevante Gesetzesentwürfe beschlossen.

Am Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Zweiten IT-Sicherheitsgesetz (IT-SiG 2.0) ist trotz der reichlich kurzen Frist von nur einer Woche zur Stellungnahme von allen Seiten viel Kritik geübt worden. Natürlich gibt es breiten Konsens darüber, dass endlich etwas gegen die malade Situation bei der IT-Sicherheit getan werden muss. Nur ist das BMI mit seinem Vorschlag nicht gerade auf Gegenliebe gestoßen – nicht bei der Zivilgesellschaft und auch nicht bei der Wirtschaft.

Jeden einzelnen kritischen Aspekt des komplexen Regelwerkes aufzuzählen, würde zwar hier den Rahmen sprengen. Auch haben sich Verbände und Experten einfach mehr Zeit gewünscht, um ordentlich prüfen zu können, was das BMI im Entwurf plant. Aber ein Kern der massiven Kritik dreht sich schon jetzt um die erhebliche Erweiterung der darin enthaltenen Überwachungsbefugnisse. Ein zweiter wichtiger Kritikpunkt ist der nun vorgesehene Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität von informationstechnischen Systemen. Konkret heißt das: Der Eingriff in fremde Geräte über Bande soll dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erlaubt werden. Es könnte künftig etwa Provider zwingen, auf den Endgeräten von Kunden, etwa mit Schadsoftware infizierten Routern oder Rechnern, Änderungen vorzunehmen, um Angriffe abzuwehren.

Der Behörde sollen künftig außerdem personenbezogene Daten übermittelt werden, was mit Vorschriften im Sozialdatenschutz kollidiert. Aber auch die Datensammlungen, die nicht unmittelbar personenbezogen sind, haben Streit und Kopfschütteln verursacht: Im Entwurf des IT-SiG steht nämlich, dass für die IT-Angriffserkennung und deren Nachverfolgung Daten im Zeitraum von vier Jahren gespeichert werden sollen. Begründet wird diese überlange Dauer mit keiner Silbe, auch nicht, wie man personenbezogene, personenbeziehbare und nicht-personenbezogene Daten in der Praxis überhaupt trennen soll.

Von Wirtschaftsseite gibt es außerdem eine Vielzahl weiterer Einwände vor allem wegen ungleicher Maßstäbe und zusätzlicher Anforderungen für deutsche Firmen im EU-Binnenmarkt, die dann ein teurer Wettbewerbsnachteil seien, wenn das IT-SiG so in Kraft treten würde. Zudem seien der Aufwand und die entstehenden neuen Kosten nicht sicher kalkulierbar und auch keine Rechtssicherheit ersichtlich. Aber da das Gesetz für Unternehmen neue Pflichten einführt, war dieses Klagen erwartbar. Die Umsetzungsfristen sind teilweise auch denkbar knapp, so dass verständlich ist, dass auch wirtschaftliche Akteure ziemlich ächzen.

Andre Meister hat sich das heute beschlossene BND-Gesetz angeschaut: Bundesregierung beschließt Geheimdienst-Überwachung wie zu Snowden-Zeiten.

Der Bundesnachrichtendienst soll Mobilfunk- und Internetanbieter hacken und die Kommunikation aller Kunden überwachen. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Die Aufsicht soll ein neues Gremium übernehmen, nicht der Bundesdatenschutzbeauftragte.

Tomas Rudl hat sich durch die letzten Referentenentwürfe und die heute im Kabinett abgesegnete große Novelle des Telekommunikationsgesetzes gewühlt: Regierung beschließt Telekommunikationsgesetz mit Stolperfallen.

Auf den letzten Drücker hat heute die Bundesregierung einen lang vorbereiteten Gesetzentwurf beschlossen. Der regelt weite Teile des Telekommunikationsmarktes neu, verschafft Ermittlungsbehörden Zugang zu mehr Daten und enthält Kompromisse bei Verbraucherschutzfragen.

Glück im Unglück für unsere kleine Redaktion: Ursprünglich standen auch noch die Reform des Urheberrechts, das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz und eine Reform der Strafprozessordnung samt Kennzeichen-Scanner auf der Tagesordnung. Hier gibt es noch keine Einigung, was wir begrüßen, sonst wäre dieser Tag noch anstrengender geworden als er es ohnehin war. Dabei haben wir uns noch gar nicht vollständig vom gestrigen Entwurfsfeuerwerk auf EU-Ebene erholt.

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Die redaktionelle Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Constanze Kurz unterstützt.

Neues auf netzpolitik.org

Alexander Fanta schreibt über eine kleine Strafe auf Basis der DSGVO: Twitter zahlt für Datenleck nur 450.000 Euro.

Die vielgescholtene irische Datenschutzbehörde hat still und heimlich ihr zweijähriges Verfahren gegen Twitter beendet. Das Ergebnis ist wenig beeindruckend.

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Serafin Dinges hat Reaktionen zum zum Digitale-Dienste-Gesetzpaket zusammengetragen: „Brutaler Kampf über die Beschränkung der Marktmacht der Internetgiganten“.

Die EU-Kommission hat heute zwei Gesetzesentwürfe vorgelegt, die digitale Plattformen und Märkte neu ordnen sollen. Zahlreiche Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie Interessenvertretungen haben sich bereits zu Wort gemeldet. Wir haben die Reaktionen für euch zusammengefasst.

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Leonard Dobusch kommentiert in seiner „Neues aus dem #Fernsehrat“-Kolumne eine aktuelle Debatte: Zuviel und Zuwenig Ostdeutschland in öffentlich-rechtlichen Medien.

In der Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags werden unterschiedliche Positionen immer wieder in den Kategorien West- und Ostdeutschland einsortiert. Ob es sinnvoll ist, die Sichtbarkeit des Ostens „als Osten“ zu stärken, ist jedoch fraglich.

Was sonst noch passierte:

In allen Bundesländern ist heute wieder das erneute Home-Schooling erfolgreich wie erwartet angelaufen. In vielen Bundesländern wie Berlin, NRW und Bayern verabschiedeten sich die offiziellen Bildungsplattformen ganz schnell ins digitale Nirvana. Das weckte Erinnerungen an das Frühjahr, nur dass man seitdem Zeit gehabt hätte, sich auf die zweite Staffel vorzubereiten. Es konnte ja echt niemand ahnen, dass die auch mal genutzt werden könnten.

Die Digitalisierung im Bildungssystem ist noch frustrierender als der mangelhafte Netzausbau.

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Vorgestern hab ich sie noch gesucht und nicht gefunden. Heute stehen die neuen Berliner Verhaltensregeln für die kommenden Wochen endlich online. Meine Lieblingsregel ist ja: „Weiterhin ist das gemeinsame Singen in geschlossen Räumen im privaten Kreis verboten“.

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Weitere Updates in Sachen Digitale-Dienste-Gesetzespaket gibt es in Form einer FAQ von Patrick Beuth auf Spiegel-Online zu lesen: So will die EU-Kommission die US-Techkonzerne bremsen.

Und eher in Essayform mit einer guten Überschrift (warum ist mir die bisher eigentlich nicht eingefallen?) von Ulrich Machold auf Zeit-Online: Das Digitale ist politisch.

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Die AfD-Bundestagsfraktion hat einen weiteren Abgeordneten verloren, in diesem Fall nicht durch Austreten, sondern durch Parteiausschluss. Aber leider hat man vergessen, das rechtzeitig der Bundestagsverwaltung mitzuteilen. Der Vorteil der späten Mitteilung lag daran, dass sie länger mehr Abgeordnete in Bundestagsausschüssen haben und mehr Kohle kassieren konnten.

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Der Harvard-Professor Lawrence Lessig warnt vor einem möglichen Szenario, wie die Trump-Administration doch noch versuchen könnte, an der Macht zu bleiben oder zumindest soviel verbrannte Erde wie möglich zu hinterlassen: Team Trump’s Endgame.

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Rund 20% des globalen Baumwollmarktes entsteht durch Zwangsarbeit der Uiguren in China, das sagt zumindest der Think-Tank CGPolicy: Coercive Labor in Xinjiang – Labor Transfer and the Mobilization of Ethnic Minorities to Pick Cotton.

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Endzeitstimmung bei The Atlantic, zumindest wenn es um den gesellschaftlichen Einfluss von Facebook geht: Facebook Is a Doomsday Machine.

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Um obiges mal konkreter zu machen: In Australien ermittelt die Australian Consumer and Competition Commission gegen Facebook. Das Unternehmen hatte 2016 eine eigene Sicherheits-App namens Onavo Protect auf den Markt gebracht und suggerierte, dass man damit sicherer surfen könnte, unter anderem durch ein VPN. Mittlerweile ist bekannt, dass Facebook damit die eigenen Nutzer:innen für „Marktforschung“ ausspioniert hat, also genau das, was man erwarten konnte: Facebook privacy app spied on users for market research, ACCC says.

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Audio des Tages: Mschinenmoral im Gamespop

Der fünfteilige Podcast Maschinenmoral von SWR2 Glauben behandelt ethische Fragen der „Künstlichen Intelligenz“. In Folge 1 geht es um die Frage „Kann man Ethik programmieren?“

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Ein anderes Thema verfolgt der Podcast Gamespop aus Österreich. Es geht um Musik aus Videospielen und der Podcast-Host Rainer Sigl erklärt durch verschiedene Dekaden Computerspiel-Historie, welche musikalische Vielfalt man beobachten kann.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Die größte netzpolitische Lobbyschlacht der 20er erreicht ersten Höhepunkt https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-die-groesste-netzpolitische-lobbyschlacht-der-20er-erreicht-ersten-hoehepunkt Tue, 15 Dec 2020 16:55:40 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1296 Hallo,

die größte netzpolitische Lobbyschlacht der 20er Jahre hat ihren ersten kleinen Höhepunkt erreicht. Die EU-Kommission hat nach Jahren der Vorbereitung und Lobbying heute ihre beiden Gesetzesentwürfe für das Digital-Services-Paket veröffentlicht. Das Gesetzespaket besteht aus zwei Teilen: Das Digitale-Dienste-Gesetz und das Digitale-Märkte-Gesetz sollen einen faireren Wettbewerb gegen Konzerne wie Google, Facebook und Amazon ermöglichen.

Alexander Fanta und Tomas Rudl haben für uns eine erste Analyse der heute präsentierten Gesetzesentwürfe geschrieben: EU-Kommission schlägt Plattformgrundgesetz vor.

Es ist noch recht früh, um alles in diesen vielen Seiten Papier/PDF genau analysiert und verstanden zu haben. Der Teufel steckt bei solchen komplexen Gesetzespaketen häufig im Detail und die dazugehörige Pressekonferenz mit zwei Kommissar:innen war an vielen Stellen auch nicht erhellender.

Gut ist, dass die bestehenden Regeln der e-Commerce-Richtlinie aus dem Jahre 2000 endlich mal ein Update erhalten. Damals war Google eine kleine Suchmaschine, Amazon verkaufte Bücher und Facebook war nicht mal gegründet. Es war seinerzeit auch nicht absehbar, dass es später mal solche Tech-Riesen geben würde, die zwischen bestehenden Regulierungen ihre Wege durchsurfen und ihre Marktmacht massiv ausbauen konnten.

Auf den ersten Blick positiv sieht es hier aus:

Jetzt soll es besondere Regeln für marktdominante Unternehmen geben, wobei die EU-Kommission hier die Grenze bei 45 Millionen Nutzer:innen im europäischen Binnenmarkt setzt.

Diese Unternehmen sollen auch verpflichtet werden, Schnittstellen für eine interoperable Kommunikation zu Wettbewerbern zu ermöglichen. Konkret könnte das Whatsapp verpflichten, eine Schnittstelle für alternative Messenger wie Signal oder Threema bereitstellen zu müssen. Wie das genau passieren soll, ist bisher noch unklar.

Forscher:innen und Regulierungsbehörden sollen einen besseren Zugang zu den Daten der Plattformen erhalten, auch um deren Agieren besser unabhängig überprüfen zu können. Das fordern wir seit langem, denn es gibt bisher eine riesige Machtasymmetrie: Die Tech-Riesen wissen durch den Zugriff auf die eigenen Daten und ihren großen Forschungsabteilungen sehr genau, welche Wirkungen ihre Werkzeuge wo haben. Eine effektive Kontrolle ist bisher nicht möglich gewesen, da musste man darauf vertrauen, dass die PR-Abteilungen schon nicht lügen. Das ist damit vergleichbar, dass Zigarettenhersteller im 20. Jahrhundert über die Zusammensetzung ihrer Produkte und damit verbundene Krebsrisiken sehr genau Bescheid wussten, der Öffentlichkeit davon aber nichts sagen wollten.

Es soll mehr Wettbewerb auf App-Märkten ermöglicht werden, möglicherweise werden so auch bessere Regeln gegen vorinstallierte Apps auf Smartphones und Tablets geschaffen.

Auf den ersten Blick sieht das nicht so gut aus:

Es soll einen europäischen Ausschuss für digitale Dienste mit Koordinierungsstellen in jedem Mitgliedsstaat geben. Für die Durchsetzung soll jeweils die Koordinierungsstelle des Landes zuständig sein, in dem das betreffende Unternehmen seinen EU-Sitz hat. Das sind vor allem Irland und Luxemburg. Das wird so ähnlich auch schon in der EU-Datenschutzgrundverordnung gehandhabt, läuft aber eher nicht so zufriedenstellend. Diese Staaten sind natürlich nicht besonders motiviert, weil sie von den Arbeitsplätzen und Steuern der Konzerne profitieren und die eigenen Regulierungsbehörden daher nicht ausreichend ausstatten. Auch wenn die EU-Kommission bei großen Unternehmen das letzte Wort haben möchte, könnte das die Achillesferse dieses Gesetzespaketes werden.

Die Tech-Konzerne sollen zudem selbst untersuchen, ob sie systemische Risiken für unsere Gesellschaften enthalten. Klingt wie eine Schnapsidee, ich hab den Sinn noch nicht so ganz verstanden, einen Tabakkonzern selbst untersuchen zu lassen, ob man vielleicht Risikoprodukte herstellen könnte. Und erst anschließend zu ermitteln, ob das so korrekt war.

Einen weiteren Aspekt zum Umgang mit algorithmischen Entscheidungssystemen hat sich Chris Köver angeschaut: Neues Grundgesetz für Onlinedienste nimmt Algorithmen ins Visier.

Die EU-Kommission will die Macht der Online-Konzerne bändigen und nimmt dabei auch deren Empfehlungsalgorithmen in den Blick. Wer Facebook und Twitter nutzt, soll künftig besser steuern können, was im eigenen Feed erscheint. Auch die Forschung soll etwas mehr Einblick bekommen.

Was heute schon klar ist: Das wird die größte Lobbyschlacht der kommenden Jahre werden. Die Europäische Union wird sich im Gesetzgebungsprozess auf einheitliche Regeln einigen müssen. Die Tech-Konzerne werden ihre riesigen Lobbyressourcen dafür einsetzen, Zwietracht zu sähen und ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Wir bleiben dran und werden dieses Gesetzespaket auch die kommenden Jahre sehr intensiv begleiten.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Eine schöne Story hat Leonard Kamps recherchiert, er hat untersucht, wie aktuell die Datenschutzerklärungen auf den Webseiten aller Bundestagsmitglieder sind: 289 Bundestagsabgeordnete scheitern am Datenschutz.

Gut 40 Prozent der Bundestagsabgeordneten verweisen auf ihren Websites immer noch auf das vom EuGH gekippte Privacy Shield. Das zeigt eine Datenanalyse von netzpolitik.org. Die Seiten haben kuriose, peinliche und teils illegale Datenschutzmängel.

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Ingo Dachwitz hat sich neue Pläne für den Ausbau der Videoüberwachung an Bahnhöfen, insbesondere am Berliner Südkreuz, angeschaut: Seehofer will wieder mit Videoüberwachung experimentieren.

Die Deutsche Bahn investiert im großen Stil in den Ausbau der Überwachung von Bahnhöfen. Bundesweit sollen tausende neue Kameras installiert werden. Das Berliner Südkreuz soll als „Sicherheitsbahnhof“ erneut zum Labor für neue Technologien werden.

Was sonst noch passierte:

Politico zeichnet die Rivalität zwischen dem französischen Kommissar Thierry Breton und der dänischen Vize-Kommisisonspräsidenten Vestager nach: How Vestager and Breton collided over Europe’s digital agenda.

Demnach prallen zwei verschiedene Führungsstile aufeinander, Breton ist eher durch seine früheren Industriejobs auf Top-Down eingestellt, die ranghöhere Vestager hat in der dänischen Politik das Schmieden von Kompromissen gelernt. Dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen auf die Art der Regulierung. Vestager möchte einen einheitlichen Wettbewerbsrahmen schaffen, während Breton geopolitisch mehr auf digitale Souveränität achtet, was auch zu einem Streit hinter den Kulissen geführt hat, als NVIDIA den britischen Chip-Hersteller ARM übernehmen wollte. Interessanter Nebenaspekt: In dem Artikel findet man (ohne Adblocker) ganze 13 Anzeigen von Facebook, wo dieses dafür wirbt, wie es Regierungen in der Corona-Pandemie hilft.

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Die Linke Fraktion im Europaparlament (GUE/NGL) hat eine Studie zur Regulierung von Vermietungsplattformen wie Airbnb in Auftrag gegeben: Report into Airbnb impact on cities calls for strong EU rules to protect housing. Hier gibt es die Studie (PDF).

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Die e-Patientenakte soll bald starten, aber Forscher:innen haben „IT-Sicherheitslücken in Praxen“ gefunden. Darüber berichtet BR-Recherche. Die Forscher:innen konnten Arztbriefe, Diagnosebefunde, Röntgenbilder und mehr finden, „was ja im Zweifelsfall eine komplette Historie der Krankheitsgeschichte der Patienten darstellt“.

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Der Video-Blogger Knossi (Jens Knossalla) ist mit der Abzocke von Menschen reich geworden, weil er auf Videoplattformen für Online-Glücksspiel wirbt. Spiegel-Online fragt tatsächlich, was sein Erfolgsrezept ist, das halte ich für etwas verantwortungslos: Die bizarre Welt von König Knossi. Zu dem Thema hatte das ZDF Neo Magazin von Jan Böhmermann vor drei Wochen ausführlich berichtet und sein „Erfolgsmodell“ kommentiert. Hier gibt es davon ein Video.

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Viele Bildungspolitiker:innen liebäugeln gerade mit Microsoft-Lösungen von der Stange, weil man das ja schon immer (also die vergangenen 20-25 Jahre Monopol) gekannt hat. Die Futurezone berichtet darüber, wie Microsoft for Education eine gute Lösung zum Ausspionieren von Schüler:innen ist: Kritik an Überwachung in Microsoft Teams für Schüler und Studierende.

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Gute Nachrichten von Signal: Der Datenschutzfreundliche Messenger bietet jetzt auch verschlüsselte Gruppen-Video-Calls. Mehr wird im Blog erklärt: Adding Encrypted Group Calls to Signal. Derzeit sind fünf Teilnehmer:innen möglich, an mehr wird derzeit noch gearbeitet.

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Die Corona-Warn-App läuft jetzt auch auf älteren iPhones, konkret auf den Reihen 5s, 6 und 6plus. Apple hat dafür ein Update der älteren Betriebssystemversion iOS 12.5 veröffentlicht, dass diese Geräte kompatibel macht. Bevor sich jetzt jemand wieder beschwert, warum das nicht auf noch älteren iPhones läuft: Die haben gar nicht die genutzte Bluetooth Low Energy – Technologie eingebaut, da hilft dann auch kein Softwareupdate.

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Der Tagesschau-Moderator Jan Hofer hat gestern nach 36 Jahren seine letzte Sendung moderiert. Damit war er für viele meiner Generation das Gesicht der Tagesschau, weil der einfach immer da saß, zumindest seit Boris Becker in Wimbledon und Tschernobyl. Im Interview mit dem Deutschlandfunk reflektiert Hofer seine Karriere und erzählt, dass er zukünftig aus dem Home-Studio weitersenden will. Hier gibt es seine letzten Minuten in der gestrigen Tagesschau zu sehen. Ich werde seine Stimme vermissen.

Video des Tages: Wo kommen die vielen Nazis im Osten her?

Die ARD-Dokumentation beleuchtet die Frage „Rechts und Radikal – Warum gerade im Osten?“ und findet Antworten. Die Nazis gab es schon in der DDR und wurden dort trotz antifaschistischer Staatspropaganda teilweise geduldet. Auf den Nährboden konnte dann vieles nach der Wende gedeihen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Lockdown S02E01 https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-lockdown-s02e01 Mon, 14 Dec 2020 14:32:23 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1294 Hallo,

am Mittwoch beginnt Staffel zwei der verschärften und beliebten Kontaktbeschränkungen in Deutschland, im Volksmund auch „Lockdown“ genannt. Wie im Frühjahr soll das öffentliche Leben für mindestens 3,5 Wochen mehr oder weniger stillstehen. Pessimistisch betrachtet werden wir noch mit einer Staffel-Verlängerung rechnen können, denn zum Stichtag des 10. Januars werden wir erst die Auswirkungen von Weihnachten und Silvester in den Statistiken und Krankenhäusern sehen können.

Viele Eltern sind jetzt auch wieder gestresst, wie wir es auch in unserer eigenen Redaktion sehen können. Ein Teil hat mittlerweile Kinder und aus dem Frühjahr wissen wir, dass die Betreuung von Kleinkindern (wir haben auch einmal Zwillige) nicht nebenbei am Schreibtisch funktioniert und das Home-Schooling der Älteren auch nicht durch Youtube gelöst wird.

Das Frustrierende dabei ist, dass die vielen warmen Worte und Versprechen der Politik aus dem Frühjahr und Sommer immer noch nicht im Bildungsbereich angekommen sind. Demnächst also wieder in diesem Theater: Viele eingescannte PDFs und Docs zum Ausdrucken und anschließend wieder Einscannen, wenn sich denn die Lehrer:innen melden, die teilweise zuhause vor demselben Problem stehen. Und die versprochene Digitalisierung des Bildungssystems kommt dann pünktlich nach dieser Pandemie. Oder nach der Nächsten. Frühestens.

Es gibt aber ausnahmsweise auch positive Nachrichten, denn Corona verschafft uns ein Böllerverbot. Als Berliner begrüße ich das sehr, denn hier gibt es an normalen Silvestern für mehr als 24 Stunden einen ohrenbetäubenden Dauerlärm, der abgesehen von einem kurzen Moment um Mitternacht keinen Spaß macht.

Am Mittwoch schließen fast alle Geschäfte und bevor alle zu Amazon rennen und Jeff Bezos noch reicher machen, will ich nochmal auf eine Alternative hinweisen, zumindest wenn man Bücher verschenken will und keinen Buchladen um die Ecke hat. Der soziale Buchhandel buch7 verspricht alle bis zum 18.12. bestellten Bücher auch rechtzeitig verschicken zu können, damit sie vor Weihnachten ankommen. Der Shop investiert alle Gewinne in soziale Projekte, vor Jahren erhielten wir auch aus der Ausschüttung eine schöne Spende.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Die EU-Minister haben ihre umstrittene Resolution für eine Gesetzgebung für verpflichtende Hintertüren beschlossen, wie Alexander Fanta aufgeschrieben hat: EU-Staaten wollen Zugang zu verschlüsselten Nachrichten.

Eine Resolution der Innenminister fordert „rechtmäßigen Zugang zu Daten“ in verschlüsselter Kommunikation. Das weckt Befürchtungen, dass Anbieter wie WhatsApp zum Einbau von Hintertüren verpflichtet werden könnten.

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Am Freitag hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zur Antiterror-Datei abgegeben, das uns überhaupt nicht überraschte. Leonard Kamps hat die Details: Datamining in Antiterrordatei für Strafverfolgung war verfassungswidrig.

Nach dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Antiterrordatei legte die Bundesregierung noch einen drauf. Ein Gesetz erlaubte Polizeien und Geheimdiensten mit Datamining nach neuen Erkenntnissen zu stochern. Das erklärte das Bundesverfassungsgericht jetzt für teils verfassungswidrig.

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Serafin Dinges hat sich angeschaut, wie ältere Menschen die Digitalisierung nutzen, um nicht im Lockdown alleine zu sein: Wie alte Menschen sich im Lockdown vernetzen.

Die Corona-Pandemie hat viele in die Isolation gedrängt. Besonders alte Menschen waren angehalten, jeden Kontakt zu vermeiden. Wir haben recherchiert, was für öffentliche und private Angebot es gibt und wie groß das Problem der Alterseinsamkeit wirklich ist.

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Alexander Fanta hat ein Interview zu der Frage geführt, wie wir das Anzeigengeschäft von Google besser regulieren können: Sollen wir Online-Werbung wie den Finanzmarkt regulieren?

Die Forscherin Dina Srinivasan untersucht, warum Google die Anzeigenmärkte im Netz dominiert. Im Interview mit netzpolitik.org erzählt sie, warum der Konzern mit Interessenkonflikten davonkommt, die keinem Hedgefonds erlaubt wären.

Was sonst noch passierte:

Mit einer ungeplanten Transparenzoffensive geht die rechtsaußenkonservative Werteunion an die Öffentlichkeit. Deren Mitglieder wollen zu 95% Friedrich Merz als nächsten CDU-Parteivorsitzenden, so weit, so erwartbar. Von ganzen 100% der an der Umfrage teilnehmenden Mitglieder:innen wurden dabei aber Name und Mailadresse veröffentlicht. Das ist ein guter Showcase, wie man Online-Voting richtig praktiziert: Entweder man macht das nicht oder man muss das eben zur Nachvollziehbarkeit richtig transparent machen. Sonst könnte sich ja jemand beschweren, dass das gefälscht ist. Ich bin mir aber gerade unsicher, ob die wirklich soweit gedacht haben.

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Nachdem Armin Laschet am laufenden Band unter Beweis stellt, dass man ihm eigentlich lieber keine Bundesregierung zur Verantwortung geben möchte und Friedrich Merz außer seinen Greatest Hits aus den 80ern und 90ern keine Programmatik über seine eigene Person hinaus liefern kann, bekommt Norbert Röttgen immer mehr Aufmerksamkeit. Der Dritte im Kampf um den CDU-Vorsitz galt als wenig chancenreich, auch weil er als klug und kompetent gilt, was in der CDU aber in der Regel eher schädlich sein kann. In der aktuellen Situation erscheint er aber vielen mehr und mehr als kleineres Übel. Die Süddeutsche Zeitung ordnet das in einem Portrait ein: Der entspannte Kandidat.

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Die Techkonzerne bauen ihr Lobbying in der Europäischen Union weiter aus, wie die New York Times berichtet: Big Tech Turns Its Lobbyists Loose on Europe, Alarming Regulators. So neu ist der Trend übrigens nicht, wir beobachten das schon seit vielen Jahren, beispielsweise bei den Regeln zur Netzneutralität und der Datenschutzgrundverordnung. Der Grund ist, dass auf EU-Ebene eher Regeln gesetzt werden, die dann zu einem globalen Standard werden können, weil in den USA selbst minimale Regulierung durch die dortige Wahlkampffinanzierung und zu viele Lobbyisten verhindert wird. In Brüssel finden dann auch viele Stellvertreterkriege statt. Eine Herausforderung dabei ist, dass zivilgesellschaftliche Kräfte strukturell massiv benachteiligt sind, weil die Industrie-Kräfte ein Vielfaches an Geld und sonstigen Ressourcen zur Verfügung haben.

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Bei Facebook finden immer mehr Mitarbeiter:innen heraus, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte gelandet sind und kündigen: After The US Election, Key People Are Leaving Facebook And Torching The Company In Departure Notes.

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Währenddessen kommt das Unternehmen immer mehr in Indien unter Beschuss, wo die eigene Infrastruktur noch mehr Schaden anrichten kann als bei uns: In India, Facebook Fears Crackdown on Hate Groups Could Backfire on Its Staff.

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Die Porno-Plattform Pornhub steht zu recht in der Kritik, weil sie zu wenig gegen Missbrauchsdarstellungen, Revenge Porn, Jugendschutz und weitere Sachen getan hat. Die Journalistin Melissa Gira Grant schreibt bei TNR darüber, dass aber auch christliche Fundamentalisten in der Kritik mitschwimmen und die haben ganz andere Motive: Nick Kristof and the Holy War on Pornhub.

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Die New York Times schreibt über negative Nebenwirkungen, wenn moderne Streaming-Medienimperien von einigen alten weißen Männern regiert werden: Apple TV Was Making a Show About Gawker. Then Tim Cook Found Out.

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Die absurde Saga rund um den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern und seine Rolle im Breitscheidplatz-Attentat geht weiter. Die Taz am Wochenende beschreibt ausführlich die neuesten Entwicklungen inklusive einer rühmlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses im Bundestag zu dem Fall: Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz – Showdown im Bundestag.

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Im Moment geistert eine Nachricht durchs Netz, dass der israelische Überwachungsdienstleister Cellebrite den freien Signal-Messenger hacken könnte. Das klingt gefährlicher als es ist, denn auch die Überwachungswerkzeuge von Cellebrite braucht einen physischen Zugriff aufs Smartphone und das funktioniert nicht übers Netz. Laut dem Signal-Entwickler Moxie Marlinspike müsste das betroffene Android-Gerät zudem entsperrt sein, also könnte man sich die Nachrichten auch gleich in der App ansehen. Die Kommunikations-Verschlüsselung von Signal wird damit jedenfalls nicht gebrochen, selbst wenn die PR-Meldung des Spyware-Herstellers weiter ihre Runde dreht: Israeli Spy Tech Firm Says It Can Break Into Signal App Previously Considered Safe From Hacking.

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Marken wollen gerne kontrollieren, wie über sie berichtet wird. Manchmal wird das aber so übergriffig, dass es die Pressefreiheit betrifft. Der Grafikkartenhersteller NVIDIA wollte einen Youtube-Kanal dafür boykottieren, dass dieser die Rechenleistung der Grafikkarten anders berechnet als von dem Unternehmen gewünscht. Heise-Online berichtet über den Fall: Nvidia – Eingriff in redaktionelle Inhalte – wieder einmal

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Ohne die Programmiersprache C gäbe es sehr viele Dinge nicht oder zumindest nicht so, wie wir sie kennen. Bei arstechnica gibt es eine Einordnung und die Geschichte der wohl einflussreichsten Programmiersprache aller Zeiten: “A damn stupid thing to do”—the origins of C.

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Bei den Blättern für internationale Politik beschreibt Annett Mängel fehlende Pandemie-Strategien und wie diverse Akteure diese kritisieren, ohne bessere Vorschläge zu bringen bzw. sich deren Vorschläge als noch unwirksamer zeigen: Ärzte gegen die Aufklärung.

Audio des Tages: Leonhard Dobusch bei „Was mit Medien“

Ich höre seit vielen Jahren gerne den „Was mit Medien“-Podcast von Daniel Fiene, Sebastian Pähler und Dennis Horn. In der aktuellen Ausgabe ist Leonhard Dobusch zu Gast, der regelmäßig bei uns als fester-freier Gastautor schreibt und „für das Internet“ im ZDF-Fernsehrat sitzt. Thematisch geht es in dieser Folge um die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und den aktuellen Streit um die Gebührenerhöhung.

Video des Tages: Big Dating

Bei dem Thema „Nerd sucht Frau und programmiert sich dafür eine App“ kann man sehr viel falsch machen und von einem Klischee ins nächste stolpern. Positiv überrascht war ich von „Big Dating“ in der ARD-Mediathek, die die meisten Fallen charmant umschifft und gute Unterhaltung in acht Folgen je 28 Minuten geliefert hat.

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Mit einem blauen Auge aus der Terrorpropaganda https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-mit-einem-blauen-auge-aus-der-terrorpropaganda Fri, 11 Dec 2020 12:47:04 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1292 Hallo,

eines der gefährlichsten Vorhaben der Europäischen Union ist gestern mit den finalen Trilog-Verhandlungen zu einer Einigung geführt worden, die zumindest nur ein blaues Auge für Grundrechte bedeutet. Die „Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ war die letzten Jahre intensiv diskutiert worden, auch weil es mit den Attentaten von Christchurch und Halle Fälle gab, in denen Livestreams eine Rolle spielten. Das kam zu den Enthauptungsvideos des IS dazu, die davor die Debatte dominierten.

Das Ziel der Verordnung war und ist, Regeln zu schaffen, wie diese Inhalte schnell aus dem Netz und von Plattformen entfernt werden können. Dabei waren viele Ideen Teil der Verhandlungen, die massive negative Auswirkungen mit sich gebracht hätten. Ganz so schlimm ist es dann nicht gekommen.

Gut ist, dass in der letzten Verhandlungsrunde kleine und nichtkommerzielle Plattformen aus der Verpflichtung genommen wurden, innerhalb kurzer Zeit reagieren zu müssen. Auf diesen kritischen Punkt haben wir lange hingewiesen, das hätte sonst auch uns mit unserer Kommentarspalte treffen können.

Gut ist auch, dass verpflichtende Uploadfilter aus der finalen Version rausverhandelt wurden. Allerdings setzen die großen Plattformen solche Technologien auch aus anderen Gründen wie der Urheberrechtsdurchsetzung schon ein und in diesen Fällen wird das dann weiterhin freiwillig passieren.

(Große) Plattformen sollen innerhalb einer Stunde Löschanordnungen bearbeiten müssen. Die Hoffnung ist, dass diese dafür mehr Personal bereitstellen. Die Realität wird wahrscheinlich so aussehen, dass mehr Personal nur als Brückentechnologie gesehen wird, bis automatisierte Lösungen so gut trainiert sind, um das kostensparender zu machen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung soll nach Angaben der Verhandler nicht eingeschränkt werden dürfen und es soll Ausnahmen für journalistische oder künstlerische Inhalte sowie für polemische oder satirische Meinungsäußerungen geben. Wie das in der Praxis funktionieren soll, wenn man möglicherweise gar nicht darüber diskutieren kann, was gesperrt wurde, weil ein Upload gar nicht möglich ist, wird sich noch zeigen.

Bei „systematischen oder anhaltenden“ Verstößen“ kann es Strafen mit bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes geben. Das ist eine bewährte „bis zu“-Regelung, die man auch schon aus der Datenschutzgrundverordnung kennt.

Weiterhin ungeklärt: Was ist Terrorpropaganda?

Einer der nach wie vor bestehenden Probleme ist die einer fehlerhaften Definition, was ein „terroristischer Inhalt“ sei. Das ist leider eine politische Frage und die wird unterschiedlich interpretiert. Für Erdogan in der Türkei waren die investigativen Artikel von Deniz Yücel Terrorpropaganda. Für Viktor Orban in Ungarn sind es häufig regierungskritische Äußerungen von Menschenrechtlern, das kann auch LGBTQI-Aktivist:innen in Polen passieren. Und für RWE und Teile der NRW-Landesregierung waren die Proteste von Ende Gelände im Hambacher Wald mit zivilem Ungehorsam in dieser Liga.

Es ist gut, dass das EU-Parlament in den letzten Verhandlungen Verbesserungen durchsetzen konnte. Wir gingen bei dieser Verordnung schon vom Worst-Case aus, auch weil die Verbindung von „Irgendwas mit Terror“, „EU“ und einer kaum vorhandenen kritischen Öffentlichkeit in Form von medialer Berichterstattung das Potential dafür hatte. Aber eine engagierte digitale Zivilgesellschaft ist am Thema dran geblieben und hat in den vergangenen Monaten immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die drohenden Grundrechtseinschränkungen hingewiesen. Zumindest das EU-Parlament hatte das gehört.

Das Ergebnis ist besser als gedacht, aber letztendlich wird sich in der Realität zeigen müssen, ob wir nur mit einem blauen Auge davon gekommen sind oder die Befürchtungen des Missbrauchspotentials nicht auftreten. Wir bleiben wie immer wachsam bei den Auswirkungen.

Tomas Rudl hat sich die Verhandlungsergebnisse genauer angeschaut: EU einigt sich auf Gesetz gegen terroristische Inhalte im Netz.

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Neues auf netzpolitik.org

Kommende Woche präsentiert die EU-Kommission ihre Ideen für das Plattformgrundgesetz in Form der Gesetzesentwürfe für das Digitale-Dienste-Gesetz und das Digitale-Markt-Gesetz. Alexander Fanta hat zusammengefasst, was bisher bekannt ist: Was wir über das neue Plattformgesetz der EU wissen.

Nächste Woche stellt die EU-Kommission ihr Pläne vor, die die digitale Welt neu ordnen sollen. Hier ein Einblick in die Bauteile des Pakets, die bereits bekannt sind.

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Weiterhin in der Diskussion ist die nahende Entscheidung der EU-Kommission, ob Google den Wearables-Anbieter Fitbit übernehmen darf. Alexander Fanta kommentiert die Problematik dahinter: Chronik eines angekündigten Scheiterns.

Nach monatelangem Zaudern dürfte die EU-Kommission in wenigen Tagen dem Kauf von Fitbit durch Google zustimmen. Das sind schlechte Nachrichten für europäische Hersteller – und unsere digitale Souveränität. Ein Kommentar.

Was sonst noch passierte:

Seit vielen Jahren sind fehlende Update-Verpflichtungen für Smartphones und Tablets ein bekanntes Problem. Es ist immer noch möglich, diese Geräte ohne Updates und mit riesigen Sicherheitslücken in normalen Läden zu kaufen. Das berührt die IT-Sicherheit, unsere Verbraucher:innenrechte und es ist auch ein Nachhaltigkeitsaspekt: Unsichere Geräte ohne Updates sind eigentlich Elektroschrott. Das Bundesjustizministerium hat jetzt einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das ändern soll. Das ist eine Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie und ich bin gespannt auf Reaktionen dazu.

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VeraCrypt ist eine beliebte Software zur Datenverschlüsselung, wenn man Festplatten, USB-Sticks und dergleichen verschlüsseln möchte. Die freie Software wurde jetzt im Auftrag des BSI vom Fraunhofer Institut für sichere Informationstechnologien auditiert. Grobe Sicherheitslücken wurden dabei nicht gefunden, es fanden sich aber Hinweise zur Verbesserung des Sourcecodes: Security Evaluation of VeraCrypt.

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Der Hintergrund beim Deutschlandfunk thematisiert die Digitalsteuer für Tech-Giganten und gibt einen aktuellen Überblick auf den Stand der stockenden Verhandlungen: Nationale Alleingänge oder vereinter Gegenschlag?

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Ohne offene Standards wie WebRTC gäbe es aktuelle Videokonferenzsysteme nicht, auf die wir spätestens in der aktuellen Pandemie dringend angewiesen sind. Die IETF erklärt in ihrem Blog einige Hintergründe: WebRTC technologies prove to be essential during pandemic.

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Christian Bartels wagt sich im Altpapier an einen medienpolitischen Jahresrückblick mit dem Aufhänger der woche: Der Auftrag, der Beitrag und der Betrag von 86 Cent.

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Bei Nature gibt es eine Vergleichsstudie zur Effizienz von Regierungsmaßnahmen in der Coronapandemie zu lesen: Ranking the effectiveness of worldwide COVID-19 government interventions. Zu den effizientesten Maßnahmen gehören eine höhere Verfügbarkeit von Masken, die Schließung von Bildungseinrichtungen, das Verbot von Großveranstaltungen, der Verzicht auf kleine Treffen und restriktivere Grenzen. Etwas verwundert bin ich aber, dass eine Durchsetzung der Quarantäne nur im hinteren Mittelfeld angesiedelt ist, das ist mit die Kernstrategie von erfolgreichen asiatischen Maßnahmen.

Audio des Tages: Daten, KI und Regulierung

Von Algorithmwatch gibt es einen Podcast zur Frage, vor welchen Herausforderungen der Digital Services Act steht, um Plattformen wie Facebook zu mehr Transparenz bei algorithmischen Entscheidungssystemen zu zwingen: The EU Digital Services Act – Why data access matters.

Video des Tages: Bryan Ferry isst Cookies

Der Journalist Richard Gutjahr experimentiert mit neuen Formaten aus seinem Heim-Studio und in einer aktuellen Probe-Sendung hat er sich die aktuelle Diskussion um Einwilligung, Cookies und Datenschutz angeschaut und mit Experten geredet. Das ist ein schönes Format geworden: Der COOKIE Wahnsinn.

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In der Arte-Mediathek gibt es eine Dokumentation über das Leben und Werk von Bryan Ferry zu sehen: Don’t Stop the Music. Jetzt renne ich wahrscheinlich die nächsten Tage wieder mit der Melodie von „Don’t stop the dance“ herum, allerdings im Todd Terje Remix.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
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[bits] Zerschlagt endlich Facebook https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-zerschlagt-endlich-facebook Thu, 10 Dec 2020 16:22:20 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1290 Hallo,

Facebook ist auch so mächtig geworden und geblieben, weil das Unternehmen frühzeitig Konkurrenten aufgekauft hat, bevor die stärker werden konnten. Das war bei Whatsapp und Instagram der Fall. Zusammen mit dem eigenen Sozialen Netzwerk und dem Haus-eigenen Messenger dominiert der Konzern damit weite Teile des sozialen Netzes und bis zu vier Apps, die auf den meisten Smartphones installiert sein dürften. Es gibt auch Unternehmen wie Snapchat, die sich einer Übernahme verweigert haben. Kein Problem für Facebook, die Feature-Alleinstellungsmerkmale des Konkurrenten wurden einfach in den eigenen Produkten nachgebaut. Mit seiner Marktmacht hat Facebook Snapchat erfolgreich an den Rand gedrängt.

Bei der Übernahme von Instagram und Whatsapp hatte Facebook eigentlich das Versprechen gegeben, dass die Dienste nie zusammengeführt würden. Unter diesen Auflagen hat die EU-Kommission den Übernahmen zugestimmt. Facebook hat sich daran nicht gehalten und führt die Daten zu einem gemeinsamen Daten-Ökosystem zusammen, auch um eine Entflechtung durch Wettbewerbsgesetze und -urteile zu verhindern.

Das Bundeskartellamt agiert bereits in diese Richtung. Und seit gestern auch die US-Federal Trade Commission (FTC) und 48 Generalstaatsanwälte von US-Staaten und Bezirken. Eine Zielrichtung des aktuellen Vorstoßes ist es, dass Facebook zerschlagen werden soll. Die Übernahmen von Whatsapp und Instagram sollen rückgängig gemacht werden, auch um mehr Wettbewerb zu ermöglichen und die Machtkonzentration von Facebook zu verringern.

Das ist lange überfällig. Facebook ist zu groß und mächtig geworden, um nicht zerschlagen zu werden.

Serafin Dinges hat darüber geschrieben: Facebook soll aufgespalten werden.

Die Übernahme von WhatsApp und Instagram durch Facebook war nicht rechtens. Zu dem Schluss kommt die oberste Marktaufsicht der USA. In einer Reihe von Klagen wird jetzt die Entflechtung des Tech-Konzerns verlangt.

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Währenddessen gibt das Bundeskartellamt heute bekannt, die Verknüpfung von Oculus mit dem Facebook-Netzwerk zu überprüfen. Facebook hatte vor Jahren den Virtual-Reality-Hersteller Oculus gekauft und will zukünftig alle Nutzer:innendaten mit dem eigenen Ökosystem verschmelzen. Für mich konkret bedeutet das, dass meine Oculus-Rift-Brille zukünftig nur noch mit einem Facebook-Account funktioniert. Ich habe sie aber unter anderen Umständen gekauft und bin deswegen über die Überprüfung froh.

Das Bundeskartellamt ist sich der Problematik offensichtlich bewusst:

„Diese Verknüpfung zwischen Virtual-Reality-Produkten und dem sozialen Netzwerk des Konzerns könnte einen verbotenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook darstellen. Facebook ist mit seinem sozialen Netzwerk marktbeherrschend in Deutschland und auch in dem noch jungen, größer werdenden VR-Markt bereits ein bedeutender Player. Wir wollen untersuchen, ob und inwieweit die Kopplung den Wettbewerb in den beiden Bereichen beeinträchtigt.“

Viel Erfolg!

Kurze Pausenmusik:

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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Ingo Dachwitz unterstützt.

Neues auf netzpolitik.org

Anna Biselli hat Reaktionen auf den aktuellen Entwurf für eine Reform des BND-Gesetzes zusammengefasst: Zu schwache Kontrolle für zu viele Befugnisse.

Zerfaserte und schwache Kontrolle, zu wenig Schutz für Medienschaffende und zu viele alte und neue Befugnisse für den Auslandsgeheimdienst: Die Kritik am Entwurf für ein neues BND-Gesetz ist breit und die Zeit zum Nachbessern knapp.

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Mascha Fouquet schreibt über Probleme einer der größten Porno-Plattformen: Öffentlicher Druck zwingt Pornhub zum Handeln.

Pornhub tue zu wenig gegen Darstellungen von Kindesmissbrauch und sexualisierter Gewalt, werfen Kritiker:innen der Plattform seit langem vor. Nachdem die New York Times einen kritischen Artikel hierzu herausbrachte, reagiert das Unternehmen auf den öffentlichen Druck und ändert seine Richtlinien.

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Die Abmahnindustrie ist mal am Bundesgerichtshof gescheitert, wie Ingo Dachwitz weiß: E-Mail- und IP-Adresse sind keine Anschrift.

Rückschlag für Filmverwerter: Constantin Film hat keinen Anspruch auf die Mail- und IP-Adressen von YouTube-Nutzer:innen, die rechtswidrig urheberechtliche geschützte Filme hochgeladen haben.

Was sonst noch passierte:

Die Bundesregierung bittet um Stellungnahmen im Rahmen der Verbändeanhörung für neue Varianten ihrer Referentenentwürfe für das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (4. Version) und die Telekommunikationsgesetznovelle. Es gibt mal wieder sehr kurze Fristen: beim TKG geht es um 465 Seiten und einen Tag Reaktionszeit, beim ITSig gab es wenigstens 2,5 Tage. Damit zeigt die Bundesregierung, was sie von dem Instrument der Verbändebeteiligung hält. Der Chaos Computer Club ist sauer: Innenministerium sabotiert sachkundige Diskussion zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0.

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Das Oberlandesgericht München hat Facebook Recht gegeben, Accounts mit Pseudonymen zu sperren. Das Gericht bestätigt so implizit Facebooks Klarnamenspflicht. Ich halte das für falsch, auch weil das dazu führen kann, dass Werbekonzerne wie Facebook bessere Profilsammlungen machen können. Für Pseudonyme im Netz gibt es im Gegensatz viele Argumente, die wir hier aufgelistet haben: 16 Beispiele, warum Pseudonymität im Netz unverzichtbar ist.

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Sascha Lobo weist in seiner Kolumne auf Spiegel-Online auf die Problematik hin, dass Solo-Selbstständige sehr häufig von Corona-Maßnahmen betroffen sind, aber durch die Rettungsschirme der Bundesregierung nicht berücksichtigt werden: Der deutsche Staat verachtet Selbstständige und Kreative. Das ist ein Problem, was ich an vielen Schicksalen im Freundes- und Bekanntenkreis beobachten kann.

Viele Existenzen sind davon gerade bedroht, aber dafür gibt es keine Kurzarbeit und häufig scheitern Anträge für die Hilfen daran, dass man kein eigenes Büro betreibt oder, was auch häufig der Fall ist, ein Teilzeit-Angestellten-Verhältnis mit Selbstständigen Tätigkeiten kombinieren muss. Und dann fällt man aus den dürftigen Förderungen ganz raus, kann sich aber auch nicht wirklich aus der Teilzeit-Angestellten-Status finanzieren. Das verschärft sich ja alles noch, wenn die Entscheidungsträger:innen mit Lockdown-Maßnahmen weiter warten und alles noch länger verschleppt wird.

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Es gibt wissenschaftliche Indizien dafür, dass das Gurgeln mit Mundspülungen dabei helfen kann, Coronaviren aus dem Rachen zu bekommen oder zumindest die Konzentration zu verringern. Aber nicht alle auf dem Markt erhältliche Mundspülungen sollen gleich gut wirken: Gurgeln gegen Corona – bringt das was? Hier gibt es eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene dazu.

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Eurofund hat eine neue Studie zu technischen Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenüberwachung publiziert: Employee monitoring and surveillance – The challenges of digitalisation.

Audio des Tages: Drosten zum Leopoldina-Papier

Im aktuellen Coronavirus-Update-Podcast des NDR erklärt Christian Drosten das aktuelle Leopoldina-Papier, das einen härteren Lockdown über Weihnachten fordert und das er als „letzte Warnung der Wissenschaft“ bezeichnet.

Netzpolitik-Jobs

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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[bits] Freifunk wird endlich gemeinnützig https://bits.netzpolitik.org/2020/bits-freifunk-wird-endlich-gemeinnuetzig Wed, 09 Dec 2020 15:51:51 +0000 https://bits.netzpolitik.org/?p=1287 Hallo,

in einer idealen Welt wäre ein flächendeckender Zugang zum Netz eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. In unserer Welt gibt es häufig kein Breitband und viele Kommunen sehen es auch 2020 immer noch nicht als ihre Aufgabe, sich darum zu kümmern. Seit vielen Jahren engagiert sich die Freifunk-Community ehrenamtlich an vielen Orten in Deutschland, um mit Hilfe von WLAN Menschen und Orten einen freien Zugang zum Netz zu schenken.

Das Engagement beginnt mit dem Teilen des eigenen Internetanschluss mit den Nachbarn und geht an vielen Orten mit engagierter Community viel weiter, manchmal sogar bis zu einer flächendeckenden Vernetzung. Das Engagement selbst ist in der Regel ehrenamtlich, aber um ein WLAN-Netzwerk aufzubauen und zu betreiben braucht man einfach auch Hardware in Form von Routern, Richtfunkantennen und Kabeln sowie häufig zertifizierte Stromanschlüsse. Und das kostet Geld, das in der Regel über Spenden kommt, um gleich wieder an die Allgemeinheit zurückzufließen.

Aber bisher wurde das Engagement von Freifunkern nicht als gemeinnützig angesehen. Seit einigen Jahren wird das von Seiten der Politik versprochen, es steht auch im aktuellen Koalitionsvertrag, aber erst heute hat der federführende Finanzausschhuss im Deutschen Bundestag einen Änderungsantrag zum Jahressteuergesetz beschlossen. Kommende Woche soll der Bundestag darüber abstimmen, was nach diesem Votum als Formalität gilt. Anschließend könnte der Bundesrat auch noch vor Weihnachten die Aufnahme von Freifunk in die Gemeinnützigkeit beschließen.

Das wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk für alle Freifunker:innen, auch wenn es einige Jahre zu spät kommt. Mit diesem Beschluss sollte die Politik aber nicht zufrieden sein. Was weiterhin fehlt ist ein Bewusstsein dafür, dass man solche Infrastrukturen auch besser durch finanzielle Mittel fördern könnte. Und generell haben wir in Deutschland noch Nachhilfebedarf bei der Stärkung des digitalen Ehrenamtes.

Es stellt sich die Frage: Wo bleibt die Gemeinnützigkeit für Journalismus, damit gemeinwohlorientierte Medien sich einfacher Förderung bei Stiftungen organisieren können?

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Neues auf netzpolitik.org

Alexander Fanta war bei der Pressekonferenz unserer EU-Innenkommissarin dabei, die neue Überwachungsmaßnahmen gegen Terrorismus angekündigt hat: „Wir brauchen EU-Vorschrift zu Verschlüsselung“.

Die EU-Kommission möchte sich Zugriff auf verschlüsselte Nachrichteninhalte verschaffen, wie sie nun in einem Aktionsplan festschreibt. Innenkommissarin Johansson schließt verpflichtende Hintertüren explizit nicht aus.

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Tomas Rudl schreibt über die letzten Meter der EU-Verordnung zur Terrorpropaganda: Digital-NGOs warnen vor erheblichen Risiken für die Meinungsfreiheit.

Zu den Uploadfiltern in der EU-Urheberrechtsreform könnten womöglich bald weitere dazukommen. Diesmal richtet sich die automatisierte Inhaltekontrolle gegen terroristische Inhalte im Netz. Vor dem Abschluss der Verhandlungen warnen nun Digital-NGOs vor erheblichen Einschränkungen von Grundrechten.

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Chris Köver hat die Debatte um die Entlassung der KI-Forscherin Timnit Gebru aufgeschrieben:
Tausende Google-Angestellte protestieren nach Rauswurf.

Vergangene Woche verließ die Schwarze KI-Ethik-Forscherin Timnit Gebru Google im Streit. Google spricht von Kündigung, sie selbst von einer Entlassung. Nun stellen sich Tausende Googler öffentlich hinter die Wissenschaftlerin und fordern eine Aufklärung des Vorgangs.

Was sonst noch passierte:

Der Alternative Nobelpreis feiert 40. Geburtstag. Der Preis, der Problemlösungen für eine nachhaltige Welt auszeichnet, gilt als internationales Gütesiegel für Nachhaltigkeit, wie der Deutschlandfunk beschreibt.

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Es gibt eine neue Publikation über Quantencomputer von der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Auf 68 Seiten gibt es einen guten Überblick mit vielen Grafiken über Potentiale dieser Technologie.

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Eine der bedeutendsten Innovationen des Jahres kommt von der Post/DHL: Es gibt jetzt jetzt die Möglichkeit, als Ersatz für nicht vorhandene Briefmarken aus einer App heraus einen Code mit Buchstaben und Zahlen zu generieren, den man dann anstelle einer Briefmarke auf den Brief schreibt. Endlich bin ich mal Zielgruppe.

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Das „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit“ (IDZ hat ein neues kompaktes Factsheet zu „Proteste in der Corona-Pandemie: Gefahr für unsere Demokratie?“ herausgegeben.

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Die New York Times ordnet die Zeit nach dem Corona-Impfen ein: Das wird erstmal nicht zu einer maskenlosen Zeit führen, denn es ist weiterhin unklar, ob selbst geimpfte Personen Corona weiter verteilen und inwiefern sie wirklich immun sind: Here’s Why Vaccinated People Still Need to Wear a Mask.

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Eigentlich nichts Neues, aber ein weiterhin ungelöstes Problem mit zu wenig Aufmerksamkeit: Frontal21 hat eine alternative Weihnachtsgeschichte in Form von gekauften positiven Shop-Rezensionen zu bieten: 5 Sterne für Schrott – Fake-Bewertungen beim Onlineshopping.

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Über die Verschwörungsideologie „The great reset“ hab ich gestern schon kurz berichtet. Bei The Intercept hat Naomi Klein eine sehr gute Einordnung geschrieben, die dabei das System des World Economic Forum gut beschreibt. Rechte Verschwörungsgläubige denken, dass das WEF eine Art Green New Deal vorhat. Für Klein ist das aber nur eine geschickte Verpackung, um die alten Ziele weiter zu verfolgen und nur etwas Grün zu tun, weil es der Zeitgeist ist: The Great Reset Conspiracy Smoothie.

Video des Tages: Urtiere in der Anstalt

Die Politik-Kabarett-Show „Die Anstalt“ hat aktuell eine fiktive Jahresrückblickssendung mit gleich vier mal Dieter Nuhr im Programm, der Bücher vorstellt, die er nicht gelesen hat.

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Und wer danach noch etwas Eskapismus braucht: Die ZDF-Dokumentation „Faszination Urzeit – Verlorene Welten “ beschreibt mit vielen Animationen die Evolution über die vergangenen 500 Millionen Jahre.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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