[bits] Baut noch mehr offene Bildungsinfrastrukturen

Hallo,

vor einer Woche hatten wir den Aufruf gestartet, uns Beispiele zu schicken, wie datenschutzfreundlich und auf Basis von Open-Source-Software Video-Infrastrukturen im Bildungsbereich erfolgreich gebaut und betrieben werden. Unser Ziel war und ist, mehr Menschen zu inspirieren und zu motivieren, in dieser Krise aktiv zu werden und bei der Lösung von Problemen zu helfen, die unser Bildungssystem leider viele Jahre verschlafen und verschleppt hat. Wir haben viele Zuschriften erhalten, haben eine lange To-Do-Liste und erste Interviews veröffentlicht.

Heute ging ein Interview mit Steffen Haschler vom Mannheimer Chaos Computer Club und der CCC-nahen Initiative „Chaos macht Schule“ online. Er beschreibt, wie sie innerhalb kurzer Zeit es geschafft haben, mit viel ehrenamtlichen Engagement eine Video-Infrastruktur auf Basis von Jitsi aufzubauen. Sie hatten Glück, dass sie schnell und unbürokratisch Unterstützung von der Hopp Foundation erhalten haben, die neben Hardware die Erstellung von Schulungsmaterialien finanziert haben.

Mittlerweile können 1000 Nutzer:innen gleichzeitig in über 100 parallelen Sessions auf der Plattform aktiv sein und weitere Hardware wird erst noch eingebaut.

Das ist ein schönes Beispiel, was zeigt, wie schnell die digitale Zivilgesellschaft ehrenamtlich wichtige Bildungs-Infrastrukturen schaffen kann – und wie wichtig und notwendig zusätzliche finanzielle Förderung durch einen Träger ist.

Davon brauchen wir mehr! <3

Neues bei netzpolitik.org

Verkehr optimieren, Abfall managen: Wenn es um das Potential von Künstlicher Intelligenz für die Umwelt geht, wird sie oft zum Tech Fix unserer drängendstem Probleme stilisiert. Dumm nur, dass das Training neuronaler Netze einer der größten Stromfresser überhaupt ist. Was muss die Politik tun, damit KI tatsächlich Linderung bringt? Das erklären vier Wissenschaftler:innen in diesem Gastbeitrag: Hoffnung für den Umweltschutz oder Ökoproblem?

Während eines Support-Auftrags habe ein Mitarbeiter der Cyber-Intelligence-Firma NSO Group versucht, sich Zugriff auf das Smartphone einer Bekannten zu verschaffen. Der Vorgang stellt das Staatstrojaner-Unternehmen, das wegen seiner Verbindungen zu autoritären Regimen in der Kritik stand, vor Herausforderungen, wie Dominic Lammar schreibt: Mitarbeiter soll Spyware für private Zwecke missbraucht haben.

Wissenswertes zur Coronakrise

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat seine „Notfall-Informations- und Nachrichten-App“ (kurz NINA) ausgebaut und mit Informationen rund um das Thema Corona ergänzt. Bisher sollen rund sieben Millionen Nutzer:innen die APP heruntergeladen haben, die seit 2015 Warnmeldungen über aktuelle Gefahrenlagen wie Großbrände und Wetterwarnungen informiert. Die Bundesregierung will künftig „bis zu 40 Millionen Bürger:innen“ als Nutzer:innen gewinnen.

Dennis Horn und Jörg Schieb machen zusammen für den WDR den COSMO Tech – Podcast, der einmal die Woche erscheint. Die beiden öffentlich-rechtlichen Internet-Erklärbären geben dabei immer einen aktuellen Überblick über technologische und netzpolitische Entwicklungen. In der aktuellen Ausgabe war ich zu Gast und hab mit den beiden über Digitalisierung in der Coronakrise gesprochen – und darüber, ob wir in Deutschland gut aufgestellt sind (Hint: Leider nicht so gut).

Die Kombination aus Mobilfunkdaten, Satellitenbildern und Social-Media-Posts wurde bereits 2015 genutzt: Während der Flüchtlingskrise haben Tech-Konzerne angeboten, Migrationsbewegungen zu tracken und vorherzusagen. Wie vor fünf Jahren rechtfertigt auch der Ausnahmezustand während der Corona-Pandemie neue Überwachungstechnologien und führt zu überstürzten Partnerschaften zwischen Regierungen und Tech-Firmen. Allerdings betrifft es jetzt uns alle. Klar, mit Daten kann man auch Menschen helfen, aber die langfristige Überwachung darf nicht zur Normalität werden. Das Problem: Der Datenschutz in seiner aktuellen Form der DSGVO schützt nur die persönlichen Daten und nicht Kombinationen ganzer Datensätze. Vor dem Hintergrund des enormen Potenzials umfassender Datenauswertungen scheint das Konzept der Privatsphäre, wie wir es kennen, mittlerweile veraltet.

Ärzt:innen ziehen blank, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, denn sie brauchen dringend Schutzausrüstung. „Wenn uns das Wenige, was wir haben, ausgeht, dann sehen wir so aus“, heißt es auf der Kampagnenseite. Bei dem ernsten Thema bewahren sie sich den Humor und inszenieren sich hinter Klopapier und Ausrüstungsrucksäcken.

Die Berliner Bezirke nutzen nun die Software SORMAS, um Kontakte von Corona-Infizierten nachzuverfolgen. Das Epidemie-Management-System wurde ursprünglich für den Ebola-Ausbruch 2014 entwickelt. Den Code stellt das Helmholtz-Institut übrigens auf Github zur Verfügung.

Was sonst noch passierte:

Oh, wie schade, rufen Österreicher:innen nun sicher wie aus einer Kehle. Die Einführung eines Algorithmus, der Arbeitslose in Kategorien einteilt und ihnen entsprechend Fördermittel zuweist, verschiebt sich um ein weiteres Jahr, auf 2021, das gaben die Arbeitsmarktservices (AMS) in Österreich bekannt. Grund: Die Mitarbeiter:innen der AMS – das Äquivalent zum deutschen Arbeitsamt –, denen das System bei der Entscheidungsfindung assistieren soll, können derzeit nicht geschult werden, Corona, Sie wissen schon. Das System verteilt Punkte je nach Chancen am Arbeitsmarkt und zieht Frauen, Müttern mit Betreuungspflichten, EU-Ausländer:innen und Menschen mit Behinderungen automatisch Punkte ab. Damit diskriminiert das System offen diese Personen, die Mathematikerin Paola Lopez bezeichnet es auch als „Diskriminierungs-Barometer“. Eine Regel, die die Einführung verbieten würde, gibt es in der EU aber derzeit trotzdem nicht.

Überhaupt gar nicht diskriminierend könne die Überwachungssoftware in Mannheim sein, erklärte der Hersteller, das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), gegenüber AlgorithmWatch. Denn die Software, die seit August 2019 für die Polizei Teile der Mannheimer Innenstadt automatisch überwacht, beruhe auf einer dreidimensionalen Modellierung von Körperformen und analysiere Bewegungen statt Bildern, weshalb die Hautfarbe beispielsweise irrelevant sei. Na, dann sind wir ja beruhigt und mehr Infos zum Trainingsdatensatz und dessen Vielfalt oder etwa Audits braucht es nicht – wäre auch doof, denn die gibt es gar nicht. Ironie off.

Im Fall Künast vs. Hasskommentatoren im Netz kommt es jetzt zur ersten sehr analogen Konsequenz für einen der mutmaßlichen Beleidiger:innen: Mitte April wurde die erste Wohnung eines der mutmaßlichen Täter durchsucht, das gibt die Organisation Hate Aid bekannt, die Künast im Verfahren unterstützt. Neben weiteren Hasskommentaren sollen Beamt:innen auch zahlreiche Dateien mit Verdacht auf kinderpornographische Inhalte auf den Geräten gefunden haben. Eine interessante Wendung, hat der mutmaßliche Täter Künast auf Facebook doch dafür beleidigt, dass sie angeblich Kinderpornografie befürworte. *Kopfkratz*

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hatte ein Datenleck. Mehr als 1000 interne Unterlage sollen im Netz kursieren, darunter auch zu Panzerfahrzeugen. Die dafür verantwortlichen Datenschutzbehörden erfuhren von dem Datenleck durch Journalist:innen. Dafür droht jetzt auch noch ein Bußgeld.

Stellenanzeige des Tages

Die Open Knowledge Foundation Deutschland sucht eine Assistenz der Geschäftsführung. Wer Lust auf offene Daten und Civic-Tech hat, findet bei der OKFN viele hoch-motivierte Mitarbeiter:innen und spannende Projekte.

Video des Tages: Beastie Boys

Die Beastie Boys waren eine der wegweisenden Bands der 80er und 90er Jahre, die Hip-Hop bei anderen Zielgruppen populär gemacht und mit anderen Genres gemixt haben. Hits wie „Sabotage“ sind legendär und zeitlos, weil sie ein ganzes Sounduniversum geschaffen haben. Bei Apple+ gibt es jetzt „Die Beastie Boys“-Story. Das ist eigentlich ein multimedialer Vortrag und Rückblick der beiden noch lebenden Bandmitglieder, die gemeinsam dafür auf einer Bühne standen. Am Anfang ist es etwas hölzern, aber die Anfangszeit ist ja auch eher das nicht so wertvolle Kulturgut der Band.

Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freu mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@np. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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